Zukunft des Flughafens BER

VerkehrCarsten Schatz

68. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, 10. Dezember 2020

Zu "Die Zukunft des Flughafens BER auf breite, leistungsfähige Schultern stellen!" (Priorität der Fraktion der FDP)

Carsten Schatz (LINKE):

Vielen Dank, Herr Präsident! – Bei „hätte“ bin ich ein bisschen zusammengezuckt, aber ich habe es ja tatsächlich, das Wort.

Zu dem Antrag der FDP, ohne den mir diese letzte Sitzung nicht wirklich vorgekommen wäre zum Ende des Jahres: Wenn wir uns zurückerinnern – wir haben Anfang des Jahres, ich glaube, auch auf Initiative der rechten Seite des Hauses, darüber geredet, dass dieser Flughafen, also der BER, nie in Betrieb gehen wird. Wir haben im Juni darüber geredet, dass alles bald pleitegehen wird. Jetzt hat das Projekt, der Flughafen BER am 31. Oktober seinen Betrieb aufgenommen. Nochmals herzlichen Glückwunsch dazu! Ich finde, das war ein gutes Datum für Berlin.

[Beifall von Anne Helm (LINKE),
Jörg Stroedter (SPD) und Christian Gräff (CDU)]

– Vielen Dank, Herr Kollege Gräff! – Am 8. November hat der Flughafen Tegel seinen Betrieb eingestellt. Das ist eine gute Nachricht für viele Berlinerinnen und Berliner, gerade in den Bezirken Pankow, Reinickendorf und Spandau, die dadurch vom Fluglärm entlastet wurden. Das ist eine gute Nachricht, und ich finde, das gehört hier auch erwähnt.

Der Antrag der FDP kommt mit einer Überschrift daher, die Fragen hervorruft – als ob der Flughafen BER mit den Gesellschaftern Bund, Berlin und Brandenburg nicht auf breiten, leistungsfähigen Schultern stände. In der Debatte ist bereits zutage getreten, dass es der FDP um eine Teilprivatisierung geht.

Jede Art von Privatisierung dieser wichtigen Infrastruktur – das habe ich schon mehrfach in Debatten in diesem Hause gesagt und wiederhole es gerne – wird in der Fraktion Die Linke immer erheblichen Widerstand finden, so auch an dieser Stelle. Wer so etwas privatisieren will, gerade nachdem wir dort so viel Geld reingesteckt haben, der will Gewinne privatisieren und Verluste sozialisieren. Das wird mit uns nicht passieren.

Präsident Ralf Wieland:

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Carsten Schatz (LINKE):

Nein! – Natürlich haben Sie uns hier so eine nette Leimspur gelegt, die Mitarbeiterstiftung bei der Flughafen Wien AG, übrigens eine Aktiengesellschaft. Wissen Sie, liebe FDP-Fraktion, wenn Sie diese Mitarbeiterbeteiligung bei der Privatisierung der Lufthansa in den Neunzigerjahren, als Sie noch in der Bundesregierung saßen, gemacht hätten, dann ergäbe es einen gewissen Sinn, das hier vorzuschlagen, aber so ist es leicht durchschaubar. – Nein, eine Privatisierung kommt aus unserer Sicht dort nicht infrage.

Bei dem letzten Punkt in Ihrem Antrag, wo Sie eine Tochtergesellschaft für den Terminal 3 ins Spiel bringen, frage ich mich schon, an welchen Debatten Sie hier in den letzten Monaten teilgenommen haben. Soweit ich mich erinnern kann, war es schon Thema im Unterausschuss Beteiligungsmanagement und -controlling und im Untersuchungsausschuss, dass bereits eine Projektgesellschaft für einen zu errichtenden Terminal 3 am Flughafen gegründet wurde; die gibt es bereits. Insofern weiß ich nicht, worauf Sie da mit dem Antrag hinauswollen. – Das vielleicht als erster Gedanke.

Zum Zweiten: In der Debatte hier ist klar geworden, dass wir ein Problem am Flughafen haben, und das ist auch nicht neu. Das haben wir hier schon vor dem Sommer erörtert, als Sie mit der lustigen Studie der drei Professoren um die Ecke kamen. Wir müssen uns immer vor Augen führen: Dieses Projekt ist mit einem enormen finanziellen Aufwand errichtet worden: über 6 Milliarden Euro, davon 4 Milliarden Euro Kredite. Dass die Lasten die Gesellschaft drücken, ist doch klar. In einer Situation, in der 80, 90 Prozent des Umsatzes wegbrechen – wie gesagt, das Geschäftsmodell war darauf angelegt, dass jetzt 40 Millionen Passagiere fliegen, auch im nächsten Jahr, und immer weiter wachsend –, muss doch allen klar sein, dass das nicht mehr funktionieren kann. Deshalb brauchen wir Lösungen dafür. – Ich bin ganz gespannt, Herr Kollege Gräff, was der Weg der CDU sein soll, wie Sie den Flughafen aus der Misere herausführen wollen. Ich habe unsere Idee dafür schon einmal im letzten Unterausschuss Beteiligungsmanagement und -con­trolling formuliert. Ich glaube, an einer Teilentschuldung der Gesellschaft werden wir nicht vorbeikommen. Wir müssen der Gesellschaft Lasten nehmen, damit sie wirtschaftlich agieren und am Markt bestehen kann.

Ich habe mich noch einmal schlau gemacht. Laut Art. 107 Abs. 2b des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union können

Beihilfen zur Beseitigung von Schäden,

– das ist ein Zitat mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident –

die durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse entstanden sind

gewährt werden. – Das ist in diesem Jahr nur bis zum 30. Juni passiert. Ich verstehe das nicht, denn nach wie vor wissen wir, dass wir in der Pandemie leben; sie wird uns noch eine Weile begleiten. Ich erwarte vom Senat, dass er unter Bezugnahme auf diese Regelung aus dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union ein Konzept vorlegt, wie wir zu einer Teilentschuldung der Flughafengesellschaft kommen können. – Vielen Dank!