Geplanter Verkauf von 500 Wohnungen: Mieter:innen an der Weberwiese durch „gestreckten Erwerb“ vor Verdrängung schützen

Niklas Schenker, Damiano Valgolio

An der Weberwiese in Friedrichshain will die White Tulip GmbH, die dem Investmentfonds Round Hill Capital gehört, knapp 500 in Eigentum aufgeteilte Wohnungen einzeln verkaufen.

Kurz bevor der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg das Gebiet rund um die Weberwiese als Milieuschutzgebiet ausgewiesen hatte, wurden die Wohnungen von Miet- in Eigentumswohnungen umgewandelt. Nun stehen diese zum Verkauf. Gehen die Wohnungen an einen privaten Dritten, kann dieser nach nur 5 Jahren eine Eigenbedarfskündigung aussprechen. Besondere Brisanz hat der Fall, weil der Investor inzwischen eine Immobilienagentur damit beauftragt hat, einzelne Mieter:innen aus den Wohnungen herauszukaufen. Die Motivation ist klar: eine leere Wohnung verkauft sich besser. Es ist deutlich, dass der Eigentümer die Verdrängung der angestammten Mieter:innen zum Ziel hat.

Dazu erklären Damiano Valgolio, direkt gewählter Abgeordneter vor Ort sowie Niklas Schenker, Sprecher für Mieten und Wohnen:

„Werden die Eigentumswohnungen nun einzeln verkauft, droht Friedrichshain in einigen Jahren eine Welle von Eigenbedarfskündigungen. Die beiden Senatsverwaltungen für Wohnen und Finanzen sowie der Bezirk müssen deshalb zügig an einer Lösung arbeiten, um die Mieter:innen vor Verdrängung zu schützen und die Wohnungen in öffentliche Hand zu bekommen. Die Wohnungen sollten mit einem gestreckten Erwerb zugunsten eines landeseigenen Wohnungsunternehmens oder einer Genossenschaft dauerhaft gesichert werden. Das Instrument kann immer dann angewendet werden, wenn eine der Wohnungen konkret an einen privaten Dritten verkauft werden soll.

Da der Investor offensichtlich Verkaufsinteresse hat, sollte das Land Berlin zudem an ihn herantreten und einen direkten Kauf aller 500 Wohnungen im Paket anbieten. Wenn anderenfalls bei jedem Einzelverkauf die Ausübung des Vorkaufsrechts durch den Mieter droht, könnte eine solche Paketlösung auch für den Investor interessant sein.

Wir brauchen endlich einen besseren Schutz vor Eigenbedarfskündigungen. Allein in den nächsten sechs Jahren werden fast 50.000 umgewandelte Wohnungen erstmals auf den Markt kommen. Berlin droht eine neue Verdrängungswelle, wenn sich die Ampel-Regierung im Bund nicht endlich bewegt Eigenbedarfskündigungen deutlich einschränkt.
Berlin muss sich auf weitere Fälle des Verkaufs von umgewandelten Wohnungen einstellen und neue Wege finden, um zum Beispiel über einen gestreckten Erwerb Mieter:innen vor Kündigung und Verdrängung besser zu schützen.“

Hintergrund „Gestreckter Erwerb“:
Bei einem „gestreckten Erwerb“ nutzen die Mieter:innen ihr individuelles Vorkaufsrecht und erhalten Unterstützung beim Kauf sowie die Zusage, ihre Wohnung anschließend risikolos an einen gemeinwohlorientierten Dritten weiterzuverkaufen. Dieses Modell ist bereits 2019 beim Verkauf hunderter Wohnungen an der Karl-Marx-Allee zum Einsatz gekommen. So konnte verhindert werden, dass diese Wohnungen an die Deutsche Wohnen gehen, sie sind inzwischen im Eigentum der Gewobag.

Selbst wenn nicht alle Mieter:innen bei einem solchen Modell mitmachen: sofern mindestens 25 Prozent der betroffenen Mieter:innen-Haushalte das Instrument nutzen, steht so eine Sperrminorität in Eigentümerversammlungen. Dadurch könnten zum Beispiel teure Sanierungsvorhaben im Haus, die zu hohen Mietsteigerungen führen, verhindert werden.

Um zu mehr Anwendungsfällen zu kommen, sollte sich das Land Berlin gegenüber dem Bund dafür einsetzen, dass für das individuelle Vorkaufsrecht von Mieter:innen eine preislimitierte Ausübung unterhalb des Verkehrswerts geschaffen wird, dass ganze Hausgemeinschaften für alle Wohnungen ein Vorkaufsrecht geltend machen können und dass die Ausübungsfristen auf 6 Monate ausgeweitet werden.

Kontakt