Quelle: rbb-online.de

Landesmindestlohn wird auf 13 Euro erhöht

Damiano Valgolio

Wir erhöhen den Berliner Landesmindestlohn auf 13 Euro. Dieser gilt für alle Beschäftigten des Landes Berlins und der Unternehmen, an denen das Land beteiligt ist, sowie im Zuwendungsbereich. "Am stärksten werden davon jene profitieren, die in privaten Einrichtungen arbeiten, die zur sozialen Infrastruktur gehören, z.B. bei freien Trägern, die einen Jugendclub oder eine Senioreneinrichtung betreiben." sagt der arbeitspolitische Sprecher der Linksfraktion Berlin Damiano Valgolio.

9. Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses, 24.03.2022

Zu "Zweites Gesetz zur Änderung des Landesmindestlohngesetzes"

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 19/0235, Erste Lesung

Damiano Valgolio (LINKE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir von der Linken müssen ja leider immer – oder häufig – nach der AfD reden. Deshalb muss man immer, bevor man zum Thema kommen kann, etwas richtigstellen. Die AfD redet über die Lohnprobleme, schreibt das der Zuwanderung in unserer Stadt zu. Im nächsten Atemzug redet sie von Investorenfreundlichkeit und redet gegen den gesetzlichen Mindestlohn. Mein Vater ist mit 17 Jahren zum Arbeiten nach Deutschland gekommen. Dann ist er Gewerkschafter geworden. Deswegen, glaube ich, sind die Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausland das geringste Problem in dieser Stadt. Zumindest ist deutlich geworden: Die AfD stellt sich gegen alle arbeitenden Menschen hier, egal, welchen Pass sie in der Tasche haben.

So, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen wir das! Kommen wir zu den besseren Themen. Kommen wir zu dem eigentlichen Thema. Die Koalition will den Landesmindestlohn auf 13 Euro brutto pro Stunde erhöhen. Das ist eine gute Sache. Unsere Arbeitssenatorin Katja Kipping hält Wort. Wir setzen ein weiteres Stück von unserem Grundsatz um: Öffentliches Geld nur für gute Arbeit!

Konkret bedeutet das: Keine Arbeitnehmerin, die direkt oder indirekt mit Geld aus unserem Haushalt bezahlt wird, darf einen Lohn von weniger als 13 Euro pro Stunde bekommen. Denn wenn sie weniger bekommt, kann sie die Miete nicht zahlen, kann sie ihren Kühlschrank nicht vollmachen, ganz zu schweigen von all den anderen Sachen, die das Leben lebenswert machen, die sie sich auch nicht leisten kann. Deswegen ist das unakzeptabel. Deswegen sagen wir: Überall dort, wo die öffentliche Hand die Arbeitsbedingungen direkt oder indirekt beeinflussen kann, müssen wir dafür sorgen, dass jeder von seiner Hände Arbeit leben kann; völlig egal, welchen Pass er in der Tasche hat. Deswegen ist die Erhöhung des Landesmindestlohns richtig und dringend geboten.

Die Erhöhung ist übrigens auch eine Maßnahme gegen Altersarmut, denn nur, wenn ich vernünftig verdiene, kann ich auch vernünftig in die Rentenkasse einzahlen und habe dann am Ende des Arbeitslebens eine Rente oberhalb der Armutsgrenze und rutsche im Alter nicht in die Grundsicherung.

Wer profitiert von der Erhöhung des Landesmindestlohns? Für wen gilt er eigentlich? – Natürlich erst mal für alle direkten Beschäftigten des Landes Berlin und alle Beschäftigen der Unternehmen, an denen das Land Berlin direkt beteiligt ist. Übrigens, diese Kolleginnen und Kollegen werden inzwischen alle nach Tarif bezahlt. Das war auch nicht schon immer so. Das ist in den letzten Jahren erreicht beziehungsweise erkämpft worden in diesen Betrieben. Deswegen bekommen sie sowieso mehr als 13 Euro.

Aber tatsächlich auswirken wird sich die Erhöhung des Landesmindestlohns zum Beispiel bei den sogenannten Zuwendungsempfängern. Wer ist das? – Das sind zum Beispiel Unternehmen, die eine Wirtschaftsförderung bekommen. Auch dort gilt natürlich der Landesmindestlohn. Am stärksten wird sich die Erhöhung des Landesmindestlohns in den privaten Einrichtungen der sozialen Infrastruktur auswirken. Das sind zum Beispiel freie Träger, die einen Jugendclub, eine Senioreneinrichtung oder eine Schuldnerberatung betreiben. Die Menschen, die dort arbeiten, helfen oft unter schwierigsten Bedingungen den Menschen in der Stadt, die diese Hilfe am dringendsten brauchen. Deswegen haben sie es verdient, dass sie anständig bezahlt werden. Deswegen kommt bei der Erhöhung des Landesmindestlohns jeder Cent genau an der richtigen Stelle an.

Klar ist aber auch: Die Menschen, von denen ich gesprochen habe, die jeden Tag eine unverzichtbare Arbeit für unsere Stadt leisten, haben eigentlich noch viel mehr als 13 Euro verdient. Deshalb ist der Mindestlohn – das hat der Kollege Sven Meyer völlig richtig dargestellt – nur eine vorübergehende Krücke, eine absolute Untergrenze. Unser Ziel muss es sein, dass der Mindestlohn überflüssig wird und dass alle Beschäftigten im Verantwortungsbereich des Landes Berlin nach einem anständigen Tarifvertrag bezahlt werden.

Deshalb haben wir in der Koalition vereinbart, dass alle sozialen Träger, sowohl im Zuwendungs- als auch im Leistungsbereich, finanziell in die Lage versetzt und dazu verpflichtet werden sollen, ihre Leute nach Tarif zu bezahlen. Deshalb muss auch bei der öffentlichen Auftragsvergabe – das hat der Kollege Christoph Wapler richtig dargestellt – die Tariftreueklausel endlich in Kraft gesetzt werden. Es ist unerträglich, dass das so lange dauert. Um die Tarifbindung zu erhöhen, schlagen wir als Linke außerdem vor, dass bei dem Neustartprogramm für die Berliner Wirtschaft die Bezahlung nach Tarif vorgegeben wird.

Wo mir der Hut hochgeht, muss ich sagen, ist, wenn ich höre: Wir dürfen doch die Unternehmen nicht noch zusätzlich belasten, weil die doch schon so unter der Coronapandemie leiden. – Das ist richtig. Viele Unternehmen leiden unter der Pandemie, deswegen haben wir richtigerweise auch Milliarden an Coronahilfe ausgezahlt. Aber eins ist auch klar: Diejenigen, die am meisten unter der Pandemie leisten, die die wirtschaftliche Hauptlast der Pandemie tragen, sind doch die arbeitenden Menschen in der Stadt.

Die sind teilweise seit vielen Monaten in Kurzarbeit. Die verlieren ein Drittel ihres Einkommens. Die haben eine zusätzliche Belastung zu Hause, weil sie die Kinder betreuen, weil die Kitas und die Schulen zu sind. Und ich habe vorhin von den Menschen gesprochen, die bei den sozialen Trägern arbeiten. Diese Beschäftigten sehen doch jeden Tag die Verwerfungen der Pandemie und müssen darauf Antworten geben. Deswegen haben diese Menschen jetzt unsere Unterstützung verdient. Deswegen müssen wir diesen Menschen mit der Erhöhung des Landesmindestlohns und mit der Durchsetzung der Tariftreue beistehen.

Und wo mir auch ein bisschen der Hut hochgeht, ist, wenn ich höre, dass die Erhöhung des Landesmindestlohns oder die Tariftreue die Unternehmen vor unüberwindbare bürokratische Hürden stellen würden – als ob die Unternehmen im Moment nur nach Einheitslohngruppe bezahlen und als ob jede zusätzliche Lohngruppe durch einen Tarifvertrag oder den Mindestlohn die Lohnbuchhaltung an den Rand des Zusammenbruchs bringt. Das ist Quatsch. Jedes, auch das kleinste Unternehmen hat unterschiedliche Bezahlungen für unterschiedliche Mitarbeiter und für unterschiedliche Tätigkeiten. Deswegen bringen die Erhöhung des Landesmindestlohns oder die Tariftreue keine zusätzlichen bürokratischen Aufwände für die Lohnbuchhaltung. Sie sorgen nur dafür, dass insgesamt mehr bezahlt werden muss. Aber das ist ja gerade der Sinn der Übung. Deswegen gibt es ja auch gerade öffentliches Geld.

Letzter Punkt: Der bürokratische Aufwand steigt doch gerade dann, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht genug verdienen, damit sie von ihrer Arbeit leben können. Denn dann müssen sie aufs Amt, dann müssen sie Aufstockungsleistungen beantragen, dann müssen sie Mietzuschüsse beantragen, und später als Rentnerinnen und Rentner müssen sie die Grundsicherung beantragen. Sie merken also: Eine unzureichende Bezahlung löst einen ganzen Rattenschwanz von behördlichen Maßnahmen und von bürokratischen Maßnahmen aus. Deswegen ist die Erhöhung des Landesmindestlohns und die Durchsetzung der Tariftreue nicht nur etwas, was wir den hart arbeitenden Menschen in unserer Stadt unbedingt schulden, sondern das ist auch das beste Bürokratieabbauprogramm, das es geben kann. – Vielen Dank!

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