Verurteilung politisch motivierter Gewalt

Dass sich die demokratischen Parteien in diesem Parlament von politisch motivierter Gewalt distanzieren, ist klar. Dass wir jede Art von Gewaltanwendung aufgrund politischer Motive verurteilen, ist auch klar. Aber was ist mit der AfD?

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Aus dem Vorab-Wortprotokoll

2. Sitzung

lfd. Nr. 9:

Verurteilung politisch motivierter Gewalt

Antrag der AfD-Fraktion
Drucksache 18/0016

Änderungsantrag der Fraktion der FDP 18/0016-01
Änderungsantrag der Fraktion der CDU Drucksache 18/0016-2

 

Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt:

Vielen Dank! – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt das Wort Herr Taş.

Hakan Taş (LINKE):

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Um es vorweg festzuhalten: Die Linke lehnt selbstverständlich jede Form der Gewalt als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele vehement ab.

[Zuruf von der AfD: Heuchelei!]

Gewalt ist, kann und darf kein Instrument der politischen Auseinandersetzung sein.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Ich bin jedoch sehr stark verwundert, dass uns gerade die sogenannte Alternative für Deutschland diesen Antrag vorlegt. Der Antrag macht sehr deutlich, was uns in den kommenden Jahren in diesem Hause erwartet.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Die Stärkung der Mitte!]

Insofern müssen wir Demokratinnen und Demokraten das umtriebige Handeln von Verfassungsfeinden und Hetzern wohl oder übel ertragen. Selbstverständlich wird es in den Sachdebatten inhaltliche Dissenspunkte zwischen Koalitions- und Oppositionsfraktionen geben. Das ist auch richtig so. Allerdings möchte ich alle demokratischen Fraktionen darum bitten, so auch die CDU-Fraktion, dass wir neben der üblichen Streitkultur zwischen Oppositions- und Koalitionsfraktionen immer wieder als demokratischer Block gemeinsam gegen Hass, Hetze und Rassismus auftreten.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN,
der AfD und der FDP –
Karsten Woldeit (AfD): Prima! –
Georg Pazderski (AfD): Bravo!]

Das sind wir unserer Demokratie und den Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt schuldig.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Richtig!]

Die inhaltliche Aussage dieses Antrags ist für die demokratischen Parteien im Abgeordnetenhaus eine Selbstverständlichkeit. Das Berliner Abgeordnetenhaus hat sich bereits mehrfach dahingehend geäußert. Aus unserer Sicht stellt der vorliegende Antrag reine Propaganda dar.

[Carsten Ubbelohde (AfD): Da kennen Sie sich ja aus! –
Lachen bei der AfD]

Dass sich die demokratischen Parteien in diesem Parlament von politisch motivierter Gewalt distanzieren, ist klar. Dass wir jede Art von Gewaltanwendung aufgrund politischer Motive verurteilen, ist auch klar. Aber was ist mit der AfD? Hat die sogenannte Alternative für Deutschland tatsächlich ein so reines Verhältnis zu politischer Gewalt?

[Frank-Christian Hansel (AfD): Definitiv!]

Auf dem Papier sieht alles so schön aus. Da distanziert sich die AfD von Gewalt und meint, damit wäre es getan. Doch politische Gewalt entsteht nicht erst dort, wo Menschen mit Molotowcocktails auf Flüchtlingsheime losgehen und Häuser in Brand setzen.

[Georg Pazderski (AfD): Wie in der Rigaer Straße?]

Gewalt entsteht nicht erst dort, wo Menschen in der S‑Bahn aufgrund ihrer Sprache, ihres Aussehens oder ihres Dialektes angepöbelt, bespuckt oder mit Urin beschmutzt werden. 

Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt:

Entschuldigung, Herr Taş! Lassen Sie eine Zwischenfrage von Herrn Weiß zu?

Hakan Taş (LINKE):

Nein. – Gewalt beginnt schon bei der Sprache und der Wortwahl. Wenn die Alternative für Deutschland gemeinsam mit ihrer Partnerorganisation, der Neuen Rechten, die Stimmung im ganzen Land vergiftet und mit Hassparolen eine regelrechte Hetzjagd auf Menschen mit Migrationsgeschichte und Musliminnen und Muslime startet,

[Frank-Christian Hansel (AfD): Blödsinn! –
Stefan Franz Kerker (AfD): Eine Unverschämtheit
ist das!]

wenn die Strategen Ihrer Partei vorschlagen, Flüchtlinge an den Grenzen abzuschießen

[Frank-Christian Hansel (AfD): Ach, dummes Zeug! –
Weitere Zurufe von der AfD]

und Tag für Tag eine Invasion der Muslime herbeireden, dann können Sie sich, Herr Pazderski, so oft Sie wollen von politisch motivierter Kriminalität auf dem Papier distanzieren – es bleibt ein vergebliches Bemühen.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN –
Frank-Christian Hansel (AfD): Ihrerseits!]

Es sind ja auch nicht nur die Gaulands, die Höckes oder die von Storchs, die sich auf Hetzjagd gegen Muslime und Migranten befinden. Die AfD ist der parlamentarische Arm aller rechtsorientierten

[Frank-Christian Hansel (AfD): Vorsicht!]

und rechtsextremen Kräfte in Deutschland.

[Stefan Franz Kerker (AfD): Eine Unverschämtheit!]

Die personellen Überschneidungen mit ehemaligen Pro-Deutschland- und NPD-Politikern sind doch nur die Spitze des Eisbergs.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN –
Zurufe von Frank Scheermesser (AfD) und
 Stefan Franz Kerker (AfD)]

Ich nennen Ihnen gleich Beispiele. Dabei möchte ich nicht falsch verstanden werden.

[Zuruf von Stefan Franz Kerker (AfD)]

– Ich bin lauter als Sie!

[Stefan Franz Kerker (AfD): Ja, noch!]

Die AfD hat ein riesiges Potenzial, eine offene und freundliche Willkommenspolitik zu gestalten. Das hat sie in der Vergangenheit immer dann zum Ausdruck gebracht – –

Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt:

Entschuldigung! Es gibt Zwischenfragen von Herrn Pazderski.

Hakan Taş (LINKE):

Nein, lasse ich nicht zu.

[Georg Pazderski (AfD): Ich möchte intervenieren!]

Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt:

Das ist etwas anderes. Dann kommen Sie bitte nach vorne und melden es an.

Hakan Taş (LINKE):

Das hat sie immer dann zum Ausdruck gebracht, wenn es darum ging, Mitglieder obskurer rechter gewalttätiger Organisationen aufzunehmen. Dass gerade jene Partei sich nun hier hinstellt und mit dem Finger auf andere zeigen möchte, bewerte ich als Ironie des Schicksals. Eine Partei, die mit – jetzt kommen die Beispiele! – Kay Nerstheimer einen German Defense League Veteranen in Lichtenberg aufgestellt hat und heute noch immer zu der Personalie Nicolas Seifert steht,

[Zuruf von Gunnar Lindemann (AfD)]

der kürzlich übrigens einen Reporter des ZDF attackiert hat – –

[Ronald Gläser (AfD): Was ist denn an Herrn Seifert auszusetzen?]

Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt:

Herr Taş! Es gibt eine weitere Zwischenfrage. Lassen Sie die zu?

Hakan Taş (LINKE):

Nein, lasse ich nicht. Keine Zwischenfragen! 

Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt:

Keine Zwischenfragen, gut!

Hakan Taş (LINKE):

Eine solche Partei sollte sich mit Aussagen zu politisch motivierter Gewalt ganz zurückhalten.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Mit diesem Antrag, Herr Pazderski, haben Sie sich heute aus meiner Sicht bis auf die Knochen blamiert. Sie zeigen damit noch einmal, dass Sie und Ihre Partei lediglich daran interessiert sind, den parlamentarischen Betrieb in diesem Hause aufzumischen. Sie haben lediglich ein Interesse daran, die Gesellschaft weiter zu spalten,

[Ronald Gläser (AfD): Sie spalten die Gesellschaft!]

und Sie hoffen, von einer vergifteten Grundstimmung zu profitieren. Ihr politisches Kapital fußt lediglich – –

[Zuruf von Frank-Christian Hansel (AfD)]

Vielleicht können Sie zuhören und noch ein bisschen was dazulernen!

[Stefan Franz Kerker (AfD): Hassredner!]

Ihr politisches Kapital fußt lediglich auf reinem Hass gegenüber Muslimen, Homosexuellen und Migranten.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Blödsinn!]

Sie machen den Rassismus in Deutschland nach 70 Jahren wieder salonfähig. Insofern sind Sie die Ersten in diesem Hause,

[Zurufe von der AfD]

die sich von politisch motivierten Gewalttaten distanzieren müssen.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]

Für uns demokratischen Parteien im Abgeordnetenhaus von Berlin gilt, was ich eingangs erwähnt habe. Wir müssen deutlich machen, dass wir unsere Demokratie vor der angeblichen Alternative schützen werden.

[Zuruf von Gunnar Lindemann (AfD)]

Wir lassen uns nicht von Demokratiefeinden instrumentalisieren. – Herzlichen Dank!

[Anhaltender Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN –
Beifall von Dr. Maren Jasper-Winter (FDP) –
Buhrufe und weitere Zurufe von der AfD]

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