Neuköllner Registerstelle wird vielfältigen Formen von Mobbing an Schulen nicht gerecht
"Die geplante Registerstelle scheint sich insgesamt völlig einseitig auf muslimische Schülerinnen und Schüler als Problemverursacher zu fokussieren. Das wird den vielfältigen Formen von Mobbing und Diskriminierung an Schulen in keiner Weise gerecht." sagt die Sprecherin für Migration, Partizipation und Antidiskriminierung Elif Eralp.
Rede als Video auf rbb-online.de
6. Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses, 10.02.2022
Zu TOP 30: "Konsequenzen aus der DEVI-Studie" (Priorität der AfD-Fraktion)
Elif Eralp (LINKE):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die AfD instrumentalisiert mit ihrem Antrag nun auch das wichtige Thema „Mobbing und Diskriminierung an Schulen“ für ihre Hetze gegen Minderheiten. Rassismus an Schulen, den es nachweislich auch gibt, hat sie noch nie thematisiert. Im Wahlkampf war ich an vielen Berliner Schulen, und Jugendliche haben immer wieder von alltäglichen Diskriminierungen und von Rassismus berichtet. Das bestätigt auch eine Antwort der Bildungsverwaltung auf eine Anfrage der Abgeordneten Lasić aus dem Jahr 2020, wo das Gros der gemeldeten Fälle Diskriminierungen von Lehrkräften gegenüber Schülerinnen und Schülern wegen der Sprache, Herkunft oder Religion betraf. Das ist für die AfD aber kein Thema. Für sie bietet die Debatte um die Neuköllner Registerstelle bloß wieder einen willkommenen Anlass, um antimuslimischen Rassismus zu verbreiten und Muslime mit Islamismus gleichzusetzen. Ihnen geht es nicht um das Wohlergehen von Jugendlichen und Kindern, die gemobbt werden, und darum, Diskriminierung zu verhindern. Im Gegenteil: Ihr Hass und Ihre Hetze auf der Straße, in den Parlamenten und in den sozialen Medien führen dazu, dass Menschen wie ich Angst um ihre Kinder haben müssen, weil sie eine Migrationsgeschichte haben und nicht Ihren Vorstellungen von Deutsch entsprechen.
Sie haben sich daher schon lange disqualifiziert, dazu irgendetwas zu sagen. Menschenverachtend ist ihr Spezialgebiet, Herr Weiß, und nicht unseres. Anders als Sie ignorieren wir Diskriminierung und Mobbing von Kindern und Jugendlichen nicht – egal, ob sie von Schülerinnen und Schülern oder von Lehrerinnen und Lehrern ausgehen, und egal, welchen Hintergrund sie haben. Uns ist es ein Herzensanliegen, dass Kinder und Jugendliche angstfrei und ohne sozialen Druck lernen und sich entwickeln können. Daher haben wir als Koalition sehr viele verschiedene Angebote geschaffen, um unsere Schulen, Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler und Eltern zu unterstützen, wie meine Kollegen Kahlefeld und Özdemir schon ausführlich dargestellt haben. Diese Einrichtungen sind spezialisiert auf alle Formen von Mobbing und Diskriminierung und bieten auf wissenschaftlich fundierter Basis professionelle Unterstützung. Sie leisten seit vielen Jahren auch im Bereich von religiös motiviertem Mobbing und Diskriminierung, die es zweifelsohne gibt, sehr wichtige Präventionsarbeit.
Vizepräsidentin Dr. Bahar Haghanipour:
Gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Elif Eralp (LINKE):
Nein, danke! – Die geforderte Neuköllner Registerstelle, deren Finanzierung Sie hier verlangen, beruht auf einer Befragung des Vereins DEVI, die wissenschaftlichen Standards nicht entspricht, wie hier auch schon gesagt wurde. Eltern und Schülerinnen und Schüler als Beteiligte wurden gar nicht erst befragt. Völlig unklar bleibt auch, aufgrund welcher Kriterien die Schulen und Befragten überhaupt ausgewählt wurden. Die Befragung – Studie kann ich es wegen der Mängel nicht nennen – nutzt den problematischen Begriff der konfrontativen Religionsbekundung, der völlig unscharf ist und wissenschaftlich nicht fundiert.
So wird beispielsweise schon die Forderung nach Gebetszeiten, ein Verhalten, das von der Religionsfreiheit der Schülerinnen und Schüler gedeckt ist, als problematische konfrontative Religionsbekundung bewertet, die eine Meldung bei der geplanten Registerstelle rechtfertigt. Die bloße Konfrontation mit anderen Glaubensbekundungen, ob Sie es wollen oder nicht, in einer pluralen Gesellschaft und auch in der Schule ist aber hinzunehmen und stellt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gerade keinen Eingriff in die negative Glaubensfreiheit anderer Schülerinnen und Schüler dar.
Die geplante Registerstelle scheint sich insgesamt völlig einseitig auf muslimische Schülerinnen und Schüler als Problemverursacher zu fokussieren. Das wird den vielfältigen Formen von Mobbing und Diskriminierung an Schulen in keiner Weise gerecht. Sie entspricht übrigens auch nicht den von Lehrerinnen und Lehrern geäußerten Bedarfen, die vor allem den Personalmangel problematisieren.
Kürzlich habe ich an einer Pressekonferenz zu einer Stellungnahme von Experten und Praktikern aus der gesamten Bundesrepublik, von der hier auch schon die Rede war, teilgenommen, die daher dringend von der Finanzierung dieser Registerstelle abraten. Wie ein engagierter Neuköllner Lehrer dort verdeutlichte, läuft sie zudem darauf hinaus, Konflikte zu melden und zu registrieren, statt sie pädagogisch zu lösen, und wirkt so eher konfliktfördernd denn friedensstiftend.
Als demokratische Fraktionen sollten wir daher bei den anstehenden Haushaltsberatungen, die auch schon angesprochen wurden, stattdessen schauen, wie wir gemeinsam bestehende Strukturen und unsere Schulen durch ausreichend Personal stärken können und auch die schon lange von Expertinnen und Experten geforderte und im Koalitionsvertrag verabredete unabhängige, hier im Parlament angesiedelte Beschwerdestelle für den Bildungsbereich zügig einrichten.
Als Linke und als Koalition stehen wir weiter ein für die Chancengleichheit von Schülerinnen und Schülern und für eine mobbing- und diskriminierungsfreie Schule und Gesellschaft. An Pauschalisierung werden wir uns aber nicht beteiligen. – Danke!