Lehrkräftemangel in Berlin bleibt weiter auf hohem Niveau – Bildungssenatorin schummelt sich die Zahlen zurecht
Bildungssenatorin Günther-Wünsch (CDU) beziffert laut der Deutschen Presseagentur (dpa) die Anzahl offener Lehrkräftestellen zu Beginn des Schuljahres 24/25 auf 690 Stellen und führt den Rückgang von ursprünglich 1.500 offenen Stellen im letzten Schuljahr auf nun vermeintlich 690 Stellen darauf zurück, „dass die ersten von [der CDU-geführten Bildungsverwaltung] eingeleiteten Maßnahmen greifen“.
Hierzu erklärt Franziska Brychcy, bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus:
„Wie aus einer gerade veröffentlichten Antwort auf meine schriftliche Anfrage zur Personalausstattung zu Beginn des Schuljahres hervorgeht, wurde die Lehrkräftelücke durch verschiedene Maßnahmen seitens der Bildungsverwaltung künstlich niedrig gerechnet. Tatsächlich fehlen in Berlin 1.500 Vollzeit-Lehrkräfte und nicht bloß 690, wie von der Bildungssenatorin behauptet.
Aus der Antwort auf die schriftliche Anfrage geht hervor, dass 341 Lehrkräftestellen in andere Professionen umgewandelt wurden, die zwar wichtige unterstützende Aufgaben übernehmen, aber keinen Unterricht erteilen. Die umgewandelten Lehrkräftestunden fehlen de facto gemäß Zumessung weiterhin. Zudem hatte die Bildungssenatorin vor der Sommerpause die Streichung von berlinweit 310 Lehrkräftestellen im Rahmen des „Profilbedarfs II“ verkündet. Laut Anfrage fallen weitere 160 Lehrkräftestellen aus der Berechnung, weil die Referendar:innen den Schulen nun mit 10 statt wie bisher mit 7 Unterrichtsstunden pro Woche angerechnet werden.
Insgesamt handelt es sich um 811 fehlende Lehrkräftestellen, die zusammen mit den von der Senatorin genannten 690 offenen Stellen 1.501 Stellen ergeben - exakt die Anzahl offener Stellen, die ursprünglich auch für das vergangene Jahr angenommen wurde. Der Lehrkräftemangel in Berlin bewegt sich somit auf dem Vorjahresniveau und die Kommentierung der Senatorin, „ihre Maßnahmen würden greifen“, ist nicht mehr als heiße Luft. Wer die Berechnungsgrundlage für den Lehrkräftemangel ändert, erhält zwar schönere Zahlen, aber den Schulen und Schüler:innen fehlen die Lehrkräfte weiterhin.
Angesichts dessen ist besonders fatal, dass der von Humboldt-Universität (HU) und Freier Universität (FU) geplante Aufwuchs an Grundschullehramtsplätzen seitens des Berliner Senats zu diesem Wintersemester nicht in vollem Umfang genehmigt wird. So werden auch in Zukunft nicht ausreichend Lehrkräfte ausgebildet, obwohl im letzten Wintersemester 331 Bewerbungen an der FU und 1.100 Bewerbungen an der HU für das Grundschullehramt abgelehnt wurden.
Wir als Linksfraktion fordern, dass die Bildungssenatorin ehrliche Zahlen zum Lehrkräftemangel vorlegt, die Unis beim Aufwuchs der Lehramtsstudienplätze nach dem tatsächlichen Lehrkräftebedarf unterstützt und sie endlich eine Steuerung bei der Einstellung der Lehrkräfte vornimmt, sodass sich die Ausstattungsunterschiede zwischen den Bezirken und zwischen den Schularten nicht noch weiter verschärfen. Gerade Grundschulen und Schulen in herausfordernder Lage benötigen die am besten ausgebildeten Lehrkräfte. Das ist eine Frage der Bildungsgerechtigkeit. Hier versagt die Bildungssenatorin Günther-Wünsch völlig. Da hilft auch kein angekündigter Runder Tisch, der frühestens zum Schuljahresende Ergebnisse vorlegen soll!“