Weniger Freiheit bedeutet nicht mehr Sicherheit

Innere SicherheitHakan Taş

29. Sitzung, 28. Juni

Hakan Taş (LINKE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der CDU ist, das muss ich leider in aller Deutlichkeit sagen, dieser Stadt und dieser Stadtbevölkerung nicht würdig.

Meine Rede gegen den Antrag der CDU-Fraktion möchte ich – mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin – mit einem Zitat von Benjamin Franklin beginnen. Dieser soll bereits im 18. Jahrhundert festgestellt haben: Wer Freiheiten aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, verdient weder Freiheit noch Sicherheit.

Dieser Satz ist deshalb so richtig, weil er aufzeigt, dass Sicherheit und Freiheit eben keine Werte sind, die sich gegenseitig ausschließen. Genau dieses Gefühl soll mit diesem Antrag allerdings zementiert werden. Als ich den Antrag gelesen habe, staunte ich nicht schlecht.

Ich hatte das Gefühl, dass sich die Berliner CDU mit Bayern, Sachsen und NRW in einen Wettbewerb um das schärfste Polizeigesetz begeben hat. Der vorgelegte Antrag ist ein Sammelsurium aller in den letzten Jahren in Deutschland vorgelegten Polizeirechtsverschärfungen. Die Berliner CDU-Fraktion hat sich die Mühe gemacht und die Versionen mit den weitesten Eingriffsbefugnissen, mit den größten Grundrechtsbeschneidungen und den geringsten Verfahrensgarantien zusammenzustellen. Besonders traurig ist, dass der Antrag der CDU in Teilen sogar stärker in die Grundrechte eingreifen will, als es die AfD in mehreren Anträgen gefordert hat. Mit Ihrem Antrag wollen Sie die Freiheiten der Berlinerinnen und Berliner aufs Spiel setzen und versprechen im Gegenzug ein Mehr an Sicherheit.

Erstens werden die vorgeschlagenen Maßnahmen die Sicherheit in der Stadt nicht einmal um einen Deut steigern. Zweitens gehen Ihre vorgeschlagenen Maßnahmen an den Lebensrealitäten der Berlinerinnen und Berliner meilenweit vorbei. Die subjektive individuelle Sicherheit der Berlinerinnen und Berliner wird sogar gefährdet. Ein Eingriff in informationstechnische Systeme funktioniert nur über Sicherheitslücken, die nicht geflickt werden. Die Wahrscheinlichkeit, durch ungerechtfertigte polizeiliche Maßnahmen in der eigenen Freiheit eingeschränkt zu werden, steigt – spätestens durch die Ausweitung der nicht so genannten Schleierfahndung auch auf Delikte nach dem Aufenthaltsrecht. Diese Regelung ist eine Einladung an die Polizei, Racial Profiling zu institutionalisieren. Erfahrungsgemäß nimmt die Berliner Polizei solche Einladungen selten an, aber die CDU will sie dazu verpflichten. Darüber hinaus ist bemerkenswert, wie geschichtsvergessen die Berliner CDU-Fraktion tatsächlich agiert. Noch vor zwei Jahren hat hier ein Innensenator namens Frank Henkel mitregiert – er ist heute nicht anwesend.

Fünf Jahre lang hat die CDU nichts getan, um die Sicherheit in der Stadt nachhaltig zu verbessern. Nichts haben Sie in fünf Jahren hinbekommen. Wenn ich mir Ihren Antrag ansehe, bin ich sehr froh, dass Sie einen Koalitionspartner hatten, der Sie gebremst hat. Sonst hätte Berlin wohl einen noch nie dagewesenen Polizeistaat aufgedrückt bekommen. Das ist weder seriös noch glaubwürdig.

Auch geschichtsvergessen: Das Berliner UzVG ist noch durch den Kalten Krieg geprägt und trägt Züge eines Gesetzes gegen Aufstandsbekämpfung. Diese will die CDU nicht beseitigen, sondern verschärfen, indem sie die Voraussetzungen für den Schusswaffengebrauch gegen Menschenmassen erleichtert.

Berlin und die Bundesrepublik sind sicherer denn je, allerdings wird immer wieder versucht, mit Hetze, Hass und Vorurteilen das Sicherheitsempfinden der Bürgerinnen und Bürger zu zerstören. Noch nie wurde ein Anschlag vereitelt, weil Bürgerrechte abgeschafft wurden.

Wenn ich mir den bisherigen Verlauf der Untersuchungen im Fall Amri ansehe, bestätigt mich das umso mehr in meiner Meinung, dass die CDU einfach nur Aufmerksamkeit braucht und diese durch autoritäre Schnapsideen erhalten möchte. Der Fall Amri war der verheerendste terroristische Anschlag der Neuzeit in Berlin. Die Behandlung der Thematik hat aufgezeigt, dass es nie an Befugnissen der Polizei gefehlt hat. Die Befugnisse waren da, aber die strategischen Entscheidungen sind falsch gefällt worden. Insofern ist es mehr als nur fadenscheinig, hier solch eine Debatte anzustoßen. Die Befugnisse wurden im Fall Amri auch formal ausgenutzt, aber führten zu keinen praktischen Maßnahmen.

Wir werden nicht zulassen, dass die Freiheits- und Bürgerrechte der Berlinerinnen und Berliner dem chronischen Aufmerksamkeitsbetrieb der CDU geopfert werden.

Wenn das ein Einblick in die künftige Arbeit der CDU-Fraktion unter dem Hardliner Dregger sein wird, muss man kein Prophet sein, um düstere Zeiten für die Berliner CDU vorherzusehen. Das interessiert Sie vielleicht, Herr Dregger: Eine aktuelle Umfrage in Bayern macht deutlich – das können Sie übrigens heute nachlesen –, dass Sie mit noch mehr Einschränkungen der Grundrechte bei Wählerinnen und Wählern nicht punkten können.

Deshalb möchte ich noch einmal unsere Gründe für eine Ablehnung des Antrags zusammenfassen:

Erstens – hören Sie genau zu, da können Sie noch etwas dazulernen, Herr Melzer – geht der Antrag komplett an der bunten, vielfältigen und liberalen Stadtgesellschaft in Berlin vorbei. Zweitens würde der Antrag in Summe das recht liberale ASOG wahrscheinlich in das schärfste deutsche Polizeigesetz verwandeln. Drittens, Herr Melzer, schießt der Antrag angesichts aktueller Kriminalitätsstatistiken massiv über das Ziel hinaus. Und viertens wird keine der genannten Freiheitseinschränkungen, Herr Melzer, die Terrorismus- und Kriminalitätsbekämpfung voranbringen. Hören Sie endlich auf, den Menschen zu erklären, weniger Freiheit bedeute mehr Sicherheit! Das ist falsch. Nur wer es schafft, Sicherheit und Freiheit in Einklang zu bringen, der hat Berlin verstanden. Insofern wird der vorliegende Antrag der CDU-Fraktion von uns vollumfänglich abgelehnt. – Herzlichen Dank!

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