Ein starkes Stadtwerk für den Klimaschutz

Mit diesem Gesetzentwurf legen wir die Grundlage für eine seit Jahren überfällige Entscheidung, dass die Bremse für das Stadtwerk, die auf Wunsch der CDU in der letzten Legislaturperiode eingebaut wurde, heute gelöst wird.

Rede als Video

Aus dem Vorab-Wortprotokoll

6. Sitzung, 16. Februar 2017

lfd. Nr. 1:

Aktuelle Stunde

gemäß § 52 der Geschäftsordnung
des Abgeordnetenhauses von Berlin

„Ein starkes Stadtwerk für den Klimaschutz“

(auf Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen)

in Verbindung mit

lfd. Nr. 6:

Gesetz zur Änderung des Berliner Betriebe-Gesetzes (BerlBG)

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis90/Die Grünen
Drucksache 18/0116

Erste Lesung

 

Harald Wolf (LINKE):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit diesem Gesetzentwurf legen wir die Grundlage für eine seit Jahren überfällige Entscheidung, dass die Bremse für das Stadtwerk, die auf Wunsch der CDU in der letzten Legislaturperiode eingebaut wurde, heute gelöst wird. Sie haben es geschafft, über Jahre hinweg gegen die große Mehrheit dieses Hauses, die immer eine Änderung des Betriebegesetzes wollte, diese notwendige Änderung zu blockieren. Sie haben jahrelang gegen das Votum des Vorstands der Berliner Wasserbetriebe, der für ein anderes Modell eingetreten ist, diese notwendige und sinnvolle Entscheidung blockiert und haben damit das Berliner Stadtwerk zu einem Nischendasein verurteilt. Das wird diese Koalition jetzt ändern.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und
den GRÜNEN]

Da wir gerade über Mathematik und Zahlen gesprochen haben, sage ich ganz klar, dass 600 000 für ein Stadtwerk und 600 000 für eine ökologische Energieversorgung mehr als 20 000 sind, die gefehlt haben. Dieses Votum der 600 000 ist eindrucksvoll.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Und die fehlenden zwei Millionen? Wo sind die hin?]

Wir wissen auch, welche Manipulationen mit der Verschiebung des Wahltermins im Vorfeld stattgefunden haben, damit dieses Quorum nicht erreicht wurde, mit dem Aufbau eines Stadtwerkes, das auch die Funktion hatte, mit seiner Einschränkung und Begrenzung den Erfolg des Volksentscheids zu verhindern. Deshalb verhelfen wir heute dem Volksentscheid mit dieser Gesetzesänderung zu seinem Recht.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und
den GRÜNEN]

Herr Schultze-Berndt, Sie haben kritisiert, dass wir mit diesem Stadtwerk in die direkte Konkurrenz mit Marktteilnehmern eintreten wollen. Dazu sage ich, dass wir das nicht kritisieren. Das wollen wir explizit, weil die großen Energieversorgungsunternehmen die Marktteilnehmer sind, die die Energiewende bislang blockiert und nicht vorangetrieben haben. Deshalb sind diese großen Energieversorgungsunternehmen heute in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, müssen gigantische Wertberichtigungen vornehmen. Wir bilden deshalb in Berlin mit 3,7 Prozent erneuerbarer Energien am Primärenergieverbrauch das Schlusslicht unter den Bundesländern. Das muss geändert werden. Das werden wir in dieser Koalition auch ändern.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und
den GRÜNEN]

Präsident Ralf Wieland:

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Gräff?

Harald Wolf (LINKE):

Nein! Ich lasse jetzt keine Zwischenfrage zu. Sie sprechen Arbeitsplätze an. Wer baut gegenwärtig Arbeitsplätze im Energiesektor ab? Das ist doch nicht das Stadtwerk. Das gefährdet doch keine Arbeitsplätze. Das sind die großen Energieversorgungsunternehmen, weil Sie eine falsche Geschäftsstrategie gehabt und die Energiewende verschlafen haben, weil Sie nicht genug aktiv sind, weil Sie an ihre fossilen Großkraftwerke gebunden sind und dieses Geschäftsmodell viel zu lange aufrecht erhalten haben. Deshalb müssen sich heute Beschäftigte um ihre Arbeitsplätze bei Vattenfall und anderen sorgen. Das ist die Realität. Das wollen wir ändern, indem wir zukunftsfähige Arbeitsplätze schaffen.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und
den GRÜNEN –
Iris Spranger (SPD): Ja!]

Wenn Sie sagen, dass das Stadtwerk Arbeitsplätze im Handwerk gefährdet, sage ich, dass das grober Unsinn ist. Das Stadtwerk wird ein Gros seiner Aufträge, was die Berliner Stadtwerke gegenwärtig schon tun, an Berliner Handwerksbetriebe, an Berliner Dienstleister vergeben. Es gibt Wertschöpfung in Stadt. Der Aufbau von Arbeitsplätzen wird damit vorangetrieben. Das ist auch ein Ziel, das wir mit diesem Stadtwerk verfolgen.

 

Wenn Sie davon sprechen, dass wir hier einen Subventionsladen aufmachen, frage ich Sie, wie Sie darauf kommen. Wie kommen Sie darauf? Wir machen nichts anderes als das, was ein normaler Investor tun würde. Wir versehen unser Unternehmen mit Eigenkapital. Dann kommt die Antwort: „Ja, Sie wollen Schulden aufnehmen. Das ist ein Schattenhaushalt.“ Herr Schultze-Berndt, haben Sie schon einmal überlegt, ob es ein Schattenhaushalt ist, wenn die Berliner Stadtreinigung mit einem bestimmten Anteil an Eigenkapital arbeitet und für den Rest ihres betriebsnotwendigen Kapitals Kredite aufnimmt? Haben Sie schon einmal überlegt, ob es ein Schattenhaushalt ist, wenn unsere Wohnungsbaugesellschaften Kredite aufnehmen, um Wohnungen zu bauen und mit Eigenkapital versehen sind? Das ist doch normales unternehmerisches Handeln. Aus welcher betriebswirtschaftlichen Klippschule kommen Sie denn?

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und
den GRÜNEN]

[Sebastian Czaja (FDP): Aus der Berliner Schule! Die von der SPD!]

Selbst die immer von Ihrer Seite und der von der FDP sowie von Ihrem Finanzminister so viel zitierte schwäbische Hausfrau baut ihr Häusle auch nicht mit ihrem Spargroschen aus der Sparbüchse, sondern hat einen Bausparvertrag und nimmt darauf einen Kredit auf. Selbst die schwäbische Hausfrau agiert so.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und
den GRÜNEN]

Wenn Sie jetzt mit diesem betrügerischen Geschäftsmodell von Flexstrom und anderen kommen, die explizit betrügerische Geschäftsmodelle waren, sage ich, dass wir das nicht zulassen werden. Das gibt es nicht im Land Berlin. Wir führen gute Unternehmen. Wir haben kontrollierte Unternehmen.

[Marcel Luthe (FDP): So wie die Bankgesellschaft!]

Ein solches Geschäftsmodell wäre nicht zulässig. Das ist doch Schwarzmalerei. Es ist der Versuch, den Leuten Sand in die Augen zu streuen.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und
den GRÜNEN]

Wir wollen ein handlungsfähiges Stadtwerk, das ökologisch produziert, das endlich vorangeht bei dem, was wir gemeinsam mit Ihnen von der CDU in der Enquetekommission verabredet haben. Wir wollen die erneuerbaren Energien aufbauen, um Berlin in die Lage zu versetzen, bis spätestens 2050 klimaneutral zu sein. Ein wesentliches Thema dafür ist der Ausbau dezentraler erneuerbarer Energien, insbesondere der Bereich der Fotovoltaik. Da sind die Stadtwerke jetzt vorangegangen, mit allen Begrenzungen, mit den Mieterstrommodellen. Wir schaffen jetzt die Grundlage dafür, dass das in größerem Maß stattfinden kann.

[Christian Gräff (CDU): Das hätten Sie schon
vor Jahren tun können!]

Die Vorgabe aus der Machbarkeitsstudie aus der letzten Legislaturperiode ist, dass etwa 25 Prozent der Dachflächen bzw. der Fassaden mit Fotovoltaik belegt werden müssen. Da haben wir eine ganze Menge zu tun. Das Stadtwerk hat eine wesentliche Aufgabe. Ich sage noch einmal: Die großen Energieversorgungsunternehmen sind in der Vergangenheit daran gescheitert und haben das Thema nicht vorangebracht.

Wir haben mit dem Stadtwerk den großen Vorteil, dass es eben nicht mit den Altlasten belastet ist wie die anderen, die ihre großen Investitionen in alten, fossilen Kraftwerken gebunden haben. Wir haben hier ein flexibles Instrument, das in der Lage ist, hier auch flexibel zu agieren, dezentrale Energieversorgung voranzutreiben, Energiedienstleistung anzubieten und damit auch die Energiewende voranzutreiben.

Wir schaffen auch die Voraussetzungen dafür, dass dieses Stadtwerk bei der Modernisierung des öffentlichen Sektors, bei der energetischen Modernisierung des öffentlichen Sektors eine wichtige und zentrale Rolle spielen kann, indem die wir die Intracting Modelle ermöglichen und auch die Möglichkeit einer Inhousevergabe schaffen.

Herr Schultze-Berndt, wenn Sie laufend über Technologieoffenheit reden: Selbstverständlich sind wir technologieoffen und soll dieses Stadtwerk auch technologieoffen sein. Es soll auch Innovationen voranbringen. Es gibt auch die Möglichkeit, innovativ auszuschreiben und eine Innovation zu verlangen und damit von Anbietern zu sagen: „Bietet uns als Stadtwerk neue Technologien an.“ Warum soll das bei diesem Stadtwerk nicht möglich sein?

Die Bremser von Innovation in der Vergangenheit waren die großen Energieversorgungsunternehmen. Wir haben hier einen Newcomer, der in der Lage ist, wirklich Innovationen im Energiesektor voranzubringen und einen wesentlichen Beitrag zur Energiewende zu leisten.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN, der SPD und
den GRÜNEN]

Ich will Ihnen noch einen letzten Punkt sagen: Machen Sie sich klar, dass wir als Berlin gegenwärtig drei Milliarden pro Jahr für den Import fossiler Energien ausgeben. Auch dazu kann das Stadtwerk einen Beitrag leisten, nicht als alleiniger Akteur, aber mit einem wichtigen  Beitrag durch den Aufbau erneuerbarer Energien. Dass wir nicht mehr fossile Energien importieren müssen und damit Wertschöpfung aus der Stadt herausgeht, sondern dass wir Wertschöpfung hier in der Stadt haben, das schafft Arbeitsplätze, das ist ökologisch vernünftig, das ist sozial vernünftig. Dafür treten wir ein.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und
den GRÜNEN]

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