Stromnetzverfahren demokratisieren und Nachfolgern überlassen

Senat will öffentliche Debatte über Stromnetzverfahren verhindern

Der energiepolitische Sprecher Harald Wolf erklärt:

Es gibt keine Notwendigkeit, kurz vor den Wahlen die Vergabe der Stromnetzkonzession mit der Herausgabe des Dritten Verfahrensbriefes zu beschleunigen. Nachdem der SPD-CDU-Senat in den letzten fünf Jahren alles dafür getan hat, die Rekommunalisierung der Energienetze im Rahmen der Konzessionsverfahrens zu erschweren, sollten nun keine überstürzten Entscheidungen getroffen werden, sondern die Weiterführung der Verfahren einem neu gewählten Abgeordnetenhaus und einem dann in der Zielstellung der Rekommunalisierung einigen Senat überlassen werden.

Um eine öffentliche Debatte über das Stromnetzverfahren zu ermöglichen, ist unabdingbar, die Auswahlkriterien sowie deren Gewichtung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Offensichtlich will der Senat mit der Geheimhaltung eine öffentliche Debatte über ein an dem geplanten Deal mit Vattenfall ausgerichtetes Stromnetzverfahren verhindern. Das Stromnetz ist aber elementarer Bestandteil der Daseinsvorsorge und spielt eine wichtige Rolle für die Energie- und Klimapolitik Berlins. Wir fordern den Senat daher auf, bei der Vergabe des Stromnetzes größtmögliche Transparenz herzustellen und vor den Wahlen keine übereilten Entscheidungen zu treffen.

 
Hintergrund:

Im März 2014 waren die Vergabekriterien für das Stromnetz und deren Gewichtung noch Bestandteil des zweiten Verfahrensbriefs und wurden mit diesem veröffentlicht. Bei der Neufassung des Vergabebriefs Anfang 2016, nach der Rücksetzung des Verfahrens und der Bekanntgabe des Senatsbeschlusses zur 50/50-Kooperation mit Vattenfall, wurden die Kriterien und deren Gewichtung in die Anlagen verschoben und nicht mitveröffentlicht.

Vor dem Hintergrund des beabsichtigten Deals mit Vattenfall liegt die Vermutung nahe, dass durch die Geheimhaltung öffentliche Kritik behindert werden soll. Die gegenüber der Presse geäußerte Begründung des Senats, die auf ein Urteil des BGH vom Dezember 2013 verweist, ist für uns nicht nachvollziehbar. In der Urteilsbegründung in Sachen Stromnetz Heiligenhafen steht lediglich, dass die Bewerber um die Konzession rechtzeitig über die Kriterien und ihre Gewichtung informiert werden müssen.

Von einer erforderlichen Geheimhaltung ist da keine Rede. Im Gegenteil urteilt der BGH, dass eine Verpflichtung zur Transparenz bestehe, »um durch einen angemessenen Grad von Öffentlichkeit sicherzustellen, dass ein fairer, unverfälschter Wettbewerb eröffnet wird und überprüft werden kann, ob das Verbot [Diskriminierungsverbot] eingehalten worden ist.« (Urteil Stromnetz Heiligenhafen, 17.12.2013).

In dem Urteil heißt es wörtlich in Absatz 44 und 45:

  1. a) (…) Das aus dem Diskriminierungsverbot folgende Transparenzgebot verlangt dementsprechend, dass den am Netzbetrieb interessierten Unternehmen die Entscheidungskriterien der Gemeinde und ihre Gewichtung rechtzeitig vor Angebotsabgabe mitgeteilt werden. (…)
  2. aa) Das im Zusammenhang mit Auswahl- und Vergabeentscheidungen bestehende Diskriminierungsverbot schließt eine Verpflichtung zur Transparenz ein, um durch einen angemessenen Grad von Öffentlichkeit sicherzustellen, dass ein fairer, unverfälschter Wettbewerb eröffnet wird und überprüft werden kann, ob das Verbot eingehalten worden ist. (…)

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