Ines Schmidt: Mehr Frauen in technische Berufe, Quelle: rbb-online.de

Mehr Frauen in technische Berufe: Reservierungsquote bei landeseigenen Unternehmen durchsetzen

31. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, 27. September 2018

Ines Schmidt (LINKE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Unser Land Berlin ist an 56 Unternehmen bzw. Anstalten des öffentlichen Rechts aus verschiedenen Branchen direkt beteiligt, darunter einige der größten unserer Stadt. Dazu kommen rund 140 Tochterunternehmen. Allein in den landeseigenen gibt es jährlich 2 000 Ausbildungsplätze, und davon werden 622 Ausbildungsplätze in technischen Berufen bereitgestellt. Leider entscheiden sich nur ca. 100 Frauen pro Jahr für einen, das entspricht 15 Prozent.

Nach wie vor entscheiden sich Frauen für altbekannte Berufe wie Bürokauffrau, Arzthelferin, Anwaltsgehilfin – Sie kennen sie alle –, und das, obwohl für sie schon seit Jahren eine gesetzliche Reservierungsquote gilt. Für alle die, die es noch nicht nachgelesen haben: Bei der Reservierungsquote geht es um Ausbildungsplätze bei den landeseigenen Unternehmen und ihren Tochtergesellschaften. Laut Landesgleichstellungsgesetz sollen sie in Bereichen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, mindestens zur Hälfte mit Frauen besetzt werden. Alle naheliegenden Fragen hat der Gesetzgeber schon längst geklärt.

Sind die 50 Prozent gesetzmäßig? – Ja, es ist eine starre Quote. Was ist, wenn sich nicht genug Bewerberinnen finden? – Dann ist die Ausschreibung zu wiederholen. Erst nach der zweiten Runde darf nach Bewerbungslage entschieden werden. Die Qualifikationen sind doch niemals wirklich gleich – wie soll das gehen? Es kommt nicht auf komplett gleiche Qualifikation an, also etwa den Notendurchschnitt. Es geht um die formale Qualifikation, z. B. den Schulabschluss bzw. die Anforderungen an den Ausbildungsberuf.

Im Gegensatz zu privaten Firmen haben die landeseigenen Unternehmen eine besondere öffentliche Verantwortung und eine Vorbildfunktion. Viele haben inzwischen spezielle Förderprogramme und Kooperationen aufgelegt, um die Frauenquoten in den technischen und handwerklichen Berufen zu erhöhen. Doch wir müssen feststellen: In den letzten Jahren bleiben wir in der Umsetzung insgesamt deutlich unter unseren Möglichkeiten. Genau hier setzen wir mit unserem Antrag an, werden einen entscheidenden Schritt gehen, um die Zahl der weiblichen Auszubildenden in den kommenden Jahren deutlich zu steigern.

Dazu brauchen wir eine groß angelegte Strategie des Senats und der landeseigenen Unternehmen. Ihr Kernstück muss die zielgruppengerechte Ansprache sein. Denn aus meiner jahrelangen Erfahrung weiß ich: Junge Frauen und Mädchen haben eine eigene Sicht auf die Berufswelt und wollen auch anders angesprochen werden. Um sie für die technische Ausbildung zu gewinnen, müssen wir sie von zu Hause abholen. Starten wir also eine stadtweite Informations- und Werbeoffensive, die sich gewaschen hat!

Bevor die Opposition die Totschlagkeule herausholt, nur die Besten müssten diesen Job bekommen, sage ich schon einmal jetzt: Wenn Menschen wegen ihres Geschlechts von vorneherein nicht zugetraut wird, eine bestimmte Arbeit gut zu machen, wenn Menschen von vorneherein wegen ihres Geschlechts Chancen vorenthalten werden, dann ist es praktisch keine Bestenauslese – dann ist es nicht weiter als eine Geschlechterauslese. Und genau dagegen müssen wir mit allen gesetzlichen Mitteln vorgehen, um überhaupt erst die Voraussetzungen für eine Bestenauswahl zu schaffen, die diesen Namen auch verdient.

Ja, vielleicht ist es eines Tages so, dass über eine Männerquote nachgedacht werden muss, weil Frauen die technischen Berufe vollständig erobert haben. Aber davon sind wir noch Lichtjahre entfernt, und solange ist es unsere Pflicht, als Politik entschiedene Maßnahmen zu ergreifen, um Diskriminierung abzuschaffen.

Hier ist auch ein Änderungsantrag von der FDP – finde ich echt klasse. Jetzt wird die nächste Ausschusssitzung vorbereitet, ich freue mich auf die Diskussion. Aber lassen Sie uns Berlin zur Hauptstadt der Gleichstellung machen! Lassen Sie uns zeigen, dass gleiche Anteile von Frauen und Männern in jedem Beruf und gleicher Lohn für gleiche Arbeit die Zukunft sind! Lassen Sie uns mit diesem Antrag hier und heute den Weg zur Teilhabe und wirklicher Chancengleichheit ebnen! – Vielen Dank!