Checkpoint Charlie: Bebauungsplan beschlossen

Katalin Gennburg

53. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, 30. Januar 2020

Zu "Entwurf des Bebauungsplans 1-98 vom 28. Juni 2019 für die Flurstücke 80 und 84 beiderseits der Friedrichstraße zwischen Schützenstraße und Zimmerstraße einschließlich des Grundstücks Mauerstraße 93 sowie einen Abschnitt der Friedrichstraße im Bezirk Mitte von Berlin, Ortsteil Mitte" (Priorität der Fraktion der SPD)

Katalin Gennburg (LINKE):

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir beschließen heute den Bebauungsplan für den Checkpoint Charlie – der wohl zweite historische Beschluss heute. Wir wollen mit dem neuen Bebauungsplan die soziale Stadt von morgen auch am Checkpoint Charlie sichern. Der Bebauungsplan markiert die stadtpolitische Wende in puncto Stadtplanung in Berlin, denn wir formulieren hiermit die Ansprüche an eine historisch sensible, stadträumlich verträgliche und sozialintegrative Planung auf diesen beiden Grundstücken im Herzen der Stadt.

Vor ca. 16 Monaten traf ich die Initiative „Checkpoint Charlie erhalten“ das erste Mal, und mir wurde deutlich gemacht, dass die damals laufenden Planungen für das, was der Investor Trockland dort wünscht, nichts mit sozialer und integrativer Stadtentwicklung zu tun haben. Ich weiß noch genau, wie ich damals dachte: Oje! Das riecht nach Ärger und verdammt viel Arbeit. – Und ich lag goldrichtig. Hinter uns liegt ein hartes Ringen um die Zukunft des weltweit bekanntesten Grenzübergangs und das Ausloten von Machbarkeiten für eine gemeinwohlorientierte, soziale Stadtentwicklung.

Ich möchte zunächst einmal der Initiative meinen großen Dank aussprechen für die Beharrlichkeit und das unfassbar große Fachwissen und die Unterstützung, ohne die wir heute nicht eine völlig neue und gemeinwohlorientierte Planung für den Checkpoint Charlie beschließen würden. – Auch das ist der stadtpolitische Paradigmenwechsel, dass Menschen mit Fachkenntnis Teil unserer Stadtentwicklungsprojekte sind und wir es eben nicht immer besser wissen, sondern Mahnungen und Kritik ernst nehmen und Neues ausprobieren.

Der Bebauungsplan spricht in dieser Hinsicht Bände. Wir beschließen heute eine städtebauliche Entwicklung für diesen verloren geglaubten Ort in Mitte, der den Checkpoint Charlie vor allem den Berlinerinnen und Berlinern zurückgibt, und nicht nur auf touristische Verwertung setzt. Wir beschließen heute, dass hier zukünftig statt eines Hotels Wohnen mit 30 Prozent Sozialwohnungen, ein öffentlicher Stadtplatz zum Verweilen und ein Ort für ein Museum in öffentlicher Trägerschaft, umringt von Denkmalen, an diesem Denkmalort Checkpoint Charlie stattfindet.

Ich erinnere mich noch genau, wie es hieß, man könne eine Hotelnutzung im Bebauungsplan nicht ausschließen. – Tja, Pustekuchen! Ich weiß noch, wie unser Referent dann meinte: Wir haben in Bonn schon einmal im Bebauungsplan ein Hotel ausgeschlossen. Lass uns das doch nach Berlin holen! – Und siehe da – bravo, Zeit wird es –, wir schließen jetzt auf Landesebene in einem Bebauungsplan das erste Mal eine Hotelnutzung aus. Das ist wegweisend. Aus meiner Sicht müssen wir die zentralen Orte unserer Stadt – historisch bedeutsame Orte Berlins - stärker beachten und nicht der bloßen Verwertung überlassen. Auch das hat unsere Diskussion stark geprägt: Was braucht der Checkpoint Charlie als ein Berliner Ort, der ein Ort für alle werden soll? – In dieser Debatte hörte ich oft: Der Checkpoint Charlie sei verloren an Touristenbusse und Hotels. Aber ich würde sagen: Nein! Hier müssen wir aktiv gegensteuern und den Checkpoint Charlie den Leuten zurückgeben.

Vizepräsidentin Cornelia Seibeld:

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Wild?

Katalin Gennburg (LINKE):

Bitte nicht, auf gar keinen Fall! – Weil mich die Hotelisierung so sehr bewegt, habe ich also noch einmal beim Senat nachgefragt und in der Antwort auf meine schriftlichen Anfrage, die aktuell vorliegt, wird mitgeteilt, dass Trockland bereits am Checkpoint Charlie und in unmittelbarer Nachbarschaft Service-Apartments als Wohnen auf Zeit betreibt und vermietet und damit Wohnungen zu deutlich überhöhten Mieten. Es gibt also dieses Service-Wohnen, das nicht unter das Zweckentfremdungsverbot fällt, das lediglich die tage- und wochenweise Vermietung unter Genehmigungsvorbehalt stellt. Außerdem befindet sich in der Zimmerstraße bereits ein Apart-Hotel von Trockland und ein weiteres Hotel. – Es ist also sinnvoll, dass wir diese Monostruktur beenden.

In der Plenardebatte am 18. Oktober 2018  sagte ich: Ein Hard Rock Hotel auf dem Todesstreifen mit Saufen und Party im Keller und nebenan ein Museum zum Gedenken an den Kalten Krieg mit einer Mietdauer von 20 Jahren ist für uns kein Angebot. – Ich bin sehr froh, dass wir uns mit dieser Forderung jetzt auch im B-Plan wiederfinden und diese Gemeinwohlorientierung verankern können.

Stadtbaugeschichte ist Gesellschaftsgeschichte, und wir tun gut daran, dies zu respektieren und immer wieder die Zeitschichten freizulegen. – Zum Schluss will ich noch auf das, was Herr Evers gesagt hat, eingehen: Heute beschließen wir den B-Plan, und der kann was, richtig. Damit ist allerdings das Vorkaufsrecht, geschätzter Herr Evers, nicht vom Tisch – nicht für Sie, nicht für mich, nicht für die Initiative. Aber darüber reden wir einfach später. Jetzt beschließen wir planerisch die öffentlichen Interessen am Checkpoint, und den Rest machen wir später. – Vielen Dank!

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