Aufnahmeprogramm zur humanitären Hilfe für besonders Schutzbedürftige entwickeln

31. Sitzung, 27. September 2018

Katina Schubert (LINKE):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Was bin ich froh, dass es nicht die AfD ist, die definiert, was besonders schutzbedürftig ist, sondern dass es dafür internationale Organisationen und Kriterien gibt, die so was feststellen.

Berlin ist ein sicherer Hafen. Das hat der Regierende Bürgermeister gestern zusammen mit seinen Amtskollegen von Bremen und Hamburg festgestellt und noch mal mitgeteilt. Und das ist gut so. Berlin – solidarische Stadt, Bettina Jarasch hat es gesagt. Dazu gehört eben auch, dass Berlin bereit ist, weitere besonders schutzbedürftige Menschen aus humanitären Gründen aufzunehmen.

Sie wissen, wir haben auch schon ein Landesprogramm, und das ist ein weiteres, das sich auf besonders schutzbedürftige Menschen bezieht. Dazu zählen vor allem Jesidinnen und Jesiden, aber es sind auch andere Minderheiten denkbar, die im Moment in einer ausgesprochen prekären Lage sind, Aramäerinnen, Chaldäer, Assyrer, Christinnen und Christen. Insofern können wir uns da nicht beschränken, sondern müssen die Augen offenhalten und gucken: Wo ist Hilfe notwendig, und wo ist Unterstützung zwingend?

Gewalt, Vertreibung, Morden und Vergewaltigung durch die Terrorgruppen des IS und anderer sind ja nicht vorbei. Die waren auch nicht nur 2015. Tausende wurden und werden immer noch ermordet, Frauen geschändet und vergewaltigt. Die Traumata, die Verletzungen bleiben über die Tat hinaus, auch dann, wenn vor allem Frauen ihren Peinigern entkommen konnten.

Deswegen ist es so wichtig, dass sie einen Ausweg aus dieser Lage haben, in der sie gerade sind. Viele von denen sind in irgendwelchen Lagern in der Türkei oder in den EU-Hotspots, wo die EU sie irgendwie unter unmöglichen Bedingungen leben lässt, oder aber in den Nordirak geflohen, wo sie auch Drangsalierungen und Repression ausgesetzt sind. Das trifft wiederum vor allem Frauen, die schwer traumatisiert sind und dringend psychologische, medizinische und soziale Unterstützung brauchen.

Bettina Jarasch hat es angedeutet: Viele jesidische Frauen, die vergewaltigt worden sind und schwanger wurden, kommen in eine unmögliche Lage, denn ihre eigene Community erkennt diese Kinder nicht als jesidische Kinder an, denn nach deren Denkweise und Glauben sind Jesiden nur Menschen, die jesidische Mutter und Vater haben. Gleichzeitig ist da eine Regionalregierung im Nordirak, die sagt: Sie müssen die Kinder aber abgeben, denn das sind ja keine Jesiden, sondern Muslime – was für die Frauen eine entsetzliche Situation ist, denn sie könnten eigentlich alles nur falsch machen. Deswegen bleibt ihnen oftmals nur die Flucht, wenn sie ihre Kinder behalten wollen.  Deswegen ist es so wichtig, dass wir immer wieder auch diese Wege öffnen und es ermöglichen.

Mit dem Aufnahmeprogramm müssen wir Schutzräume verschaffen für die betroffenen Menschen, damit sie zur Ruhe kommen, damit sie ihre Traumata mit professioneller Hilfe bearbeiten und sich Zukunftsperspektiven erarbeiten können. Deswegen ist es auch wichtig – und das ist ein weiterer Teil dieses Antrags –, dass sie hier in Berlin dezentral untergebracht werden, dass sie sich in Wohnungen befinden, wo sie Wohngruppen bilden können, wo sie sich gegenseitig auch stützen können, weil sie in einer außerordentlichen Situation sind, wo sie schnell Zugang zu professioneller Hilfe psychologischer Natur, medizinischer Natur und natürlich auch sozialer Natur finden können, damit sie auch schnell den Weg in die Gesellschaft finden.

Das ist eine große Herausforderung. Das müssen wir gemeinsam stemmen, gerne mit Brandenburg zusammen, vor allen Dingen mit den Organisationen, die schon im Herkunftsland arbeiten, gerne mit Schleswig-Holstein zusammen, gerne auch unter Rückgriff auf die Erfahrungen von Baden-Württemberg. Natürlich sind wir dafür, dass sich alle Bundesländer an solchen Programmen beteiligen. Auf die Bundesregierung hoffe ich in dem Zusammenhang nicht so sehr. Aber in den Bundesländern, da haben wir Kerne der Humanität, ob das jetzt Schleswig-Holstein ist, ob das Berlin ist, ob das Brandenburg ist, ob das Hamburg ist oder andere. Von da muss das Signal kommen: Solidarische Städte, solidarische Länder, das ist das, was wir jetzt brauchen.