Kurzarbeitergeld in der Coronakrise

ArbeitKatina Schubert

57. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, 02. April 2020

Zu "Kurzarbeitergeld für Geringverdiener aufstocken" (Priorität der Fraktion der FDP)

Katina Schubert (LINKE):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Was sich auf den ersten Blick sozial anhört, ist es in Wirklichkeit nicht und zeugt im Übrigen von wenig Kenntnis der sozialen Sicherungssysteme und der Systematik, mit der wir es hier zu tun haben.

Letztlich geht es der FDP mal wieder darum, Unternehmen zu entlasten, auch dann, wenn sie in den vergangenen Jahren gut gearbeitet und gute Gewinne gemacht haben, und die Kosten zu sozialisieren. Es sind nicht zwingend die großen Unternehmen, die das KuG aufstocken. Es sind vor allen Dingen die tarifgebundenen Unternehmen, und die schließen mit den Gewerkschaften einen entsprechenden Tarifvertrag zur Aufstockung des Kurzarbeitergelds, und das ist wichtig. Unser Problem ist die Vielzahl an Unternehmen, die nicht tarifgebunden sind, und diesen Prozess der Tarifflucht umzukehren, ist ein wichtiges Ziel. Die Tarifautonomie ist im Übrigen kein sozialistisches Teufelszeug, sondern eine der tragenden Säulen einer sozialen Marktwirtschaft, und deswegen müssen wir auch in der Krise dafür sorgen und dafür werben, dass Unternehmen tarifgebunden werden und wieder in die Tarifgemeinschaften einsteigen.

Dass viele betroffene Kurzarbeiterinnen und Kurzarbeiter davon nicht leben können, ist auch Folge der Niedriglohnstrategie gerade von Parteien wie der FDP. Das ist jetzt keine Parteipolitik, wenn ich das sage, sondern das ist einfach eine Tatsache.

Die Stärkung der Tarifbindung ist ein zentrales Ziel, und wenn Unternehmen dann eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes nicht zahlen können, dann ist es sinnvoll, Überbrückungshilfen des Bundes und/oder des Landes anzubieten. Zudem finden wir die Forderung der Gewerkschaften sinnvoll, die Höhe des Kurzarbeitergeldes möglicherweise auch krisenbefristet auf 90 Prozent anzuheben und das dann aber auch im SGB III so festzuschreiben. Das ist Sache des Bundes. Was aber nicht geht – was die Kolleginnen und Kollegen der FDP fordern –, ist, aus Landesmitteln Leistungen zu finanzieren, die eigentlich der Bund zahlen müsste. Bei allem Verständnis für unbürokratische Lösungen: Dieser Vorschlag ist weder unbürokratisch noch eine Lösung. Es gibt weder eine Rechtsgrundlage im SGB III, noch hat das Land eine Regelungskompetenz oder Weisungsbefugnis gegenüber der BA, die ja das Geld auszahlen soll.

Ja, wir finden es auch dramatisch, wenn Menschen jetzt zum Jobcenter müssen oder Wohngeld beantragen müssen. Sie können mir glauben, ich weiß aus meinem unmittelbaren Umfeld, was diese Krise bedeutet: Eine Kündigung, Reiseverkehrsbranche, von jetzt auf gleich, von einem sowieso geringen Verdienst auf 60 Prozent! Ein mal Kurzarbeitergeld, weil Erzieher ohne Notbetreuung! Gleichzeitig drei Krankenpfleger, bei denen brummt es, und einmal eine Beratungsstelle für sexualisierte Gewalt, da brummt es auch! Also es ist tatsächlich jetzt angezeigt, vernünftige Lösungen zu finden, aber keine Schnellschüsse, die nicht überlegt sind. Deswegen müssen wir darüber nachdenken – und auch das müssen wir mit dem Bund gemeinsam tun –, ob es eine Variante ist, zu sagen, wir brauchen zeitlich befristet so etwas wie ein Coronagrundeinkommen. Das kann ich mir vorstellen, auch wenn ich sonst eher zu den Skeptikerinnen des bedingungslosen Grundeinkommens innerhalb meiner Partei gehöre. Aber darüber lässt sich diskutieren, und das müssen wir mit dem Bund zusammen machen.

Wichtig ist – und das ist zentral, auch um den Menschen Sicherheit zu geben, die gerade von all diesen Ängsten und Schwierigkeiten betroffen sind –, dass wir Lösungen finden, damit niemand in Armut gedrängt wird, aber das muss Hand und Fuß haben, und es muss mit dem Bund und den Ländern gemeinsam gehen. Auf den Weg müssen wir uns machen. – Danke schön!