Kindertagespflege fördern, ausbauen und besser vergüten

41. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, 9. Mai 2019

Katrin Seidel (LINKE):

Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Präsidentin! Die Koalition will die Angebote der Kindertagespflege und der ergänzenden Kinderbetreuung attraktiver machen. Wir haben unverändert einen hohen Bedarf an Kitaplätzen und Plätzen in der Kindertagespflege. Die Kindertagespflege ist entsprechend dem Sozialgesetzbuch VIII ein der Betreuung in der Kita gleichwertiges Angebot der frühkindlichen Förderung. In Berlin werden derzeit rund 6 200 Kinder von rund 1 600 Tagespflegepersonen auf diese Art betreut. Nach unserem Berliner Kitagesetz ist die Kindertagespflege eine besonders familiennahe und flexible Angebotsform, die besonders für die Kleinsten und für Kinder mit erhöhtem Förderbedarf gut geeignet ist.

[Zuruf von Paul Fresdorf (FDP)]

Bisher steht bei den Diskussionen um die Lösung der Versorgungsengpässe bei der Kindertagesbetreuung die Kindertagespflege – obwohl sie anerkannt, beliebt und begehrt ist – nicht im gebührenden Fokus. Das wollen wir ändern: Land und Bezirke sind gefordert, bei der Schließung von Lücken in der Versorgung mit Angeboten der Frühförderung auch die Kindertagespflege mit all ihren Angebotsformen stärker als bisher zu beachten. Bisher ist es nicht gelungen, den Anteil der Kindertagespflegeplätze an der Gesamtzahl der stetig wachsenden Platzangebote in der Kita mitwachsen zu lassen. Der prozentuale Anteil der Tagespflege an den Angeboten insgesamt sinkt; dabei steigt die absolute Zahl der zu betreuenden Kinder leicht an.

Diese Stabilisierung mit dem Trend zum Wachsen ist nicht gering zu schätzen, aber auch in der Kindertagespflege ist ein Generationenwechsel zu verzeichnen, und bisher ist es immerhin gelungen, Schließungen – oft aus Altersgründen – mit neuen Angeboten zu kompensieren – aber mehr nicht. Das reicht nicht; wir brauchen Aufwüchse.

Was ist zu tun? – In diversen Gesprächen, exemplarisch am offenen Tag in der Kindertagespflege und an einem Fachtag, wurde uns in einem sehr interessanten Austausch mit Tagesmüttern und Tagesvätern verdeutlicht, dass sich erstens viele Menschen für diese Tätigkeit interessieren, darunter erfreulicherweise auch immer mehr Männer. Mindestens 200 Menschen mehr als bisher, könnten sofort die Arbeit aufnehmen, wenn die Rahmenbedingungen, insbesondere die räumlichen, besser wären. Das sind Ressourcen, auf die wir nicht verzichten können.

Wir beobachten zweitens einen Trend zur Professionalisierung der Angebote. Traditionell sind es Mütter oder Väter, die die Tätigkeit vorübergehend ausüben: Sie betreuen quasi in ihrer Privatwohnung neben dem eigenen Kind noch ein bis zwei andere Kinder mit. Ist das Kind dann aus dem Gröbsten heraus, wird wieder eine andere berufliche Tätigkeit gewählt. Professionalisierung heißt an dieser Stelle nun, dass immer mehr gelernte Pädagoginnen ganz bewusst in die Tagespflege gehen, um ihre eigenen pädagogisch-konzeptionellen Vorstellungen von Frühförderung auf der Grundlage des Berliner Bildungsprogramms zu verwirklichen, das seit der letzten Novellierung auch für die Tagespflege gilt.

Gebraucht werden – ich habe es schon erwähnt – vor allem Räume. Die geäußerten Vorschläge haben wir in unserem Antrag aufgegriffen; sie können auch noch ergänzt werden. Da müssen wir sehr viel innovativer werden und dürfen die Tagespflegeeltern nicht allein lassen. Es gilt, bei unseren landeseigenen Wohnungsunternehmen als auch bei privaten Investoren dafür zu werben, dass Kindertagespflegestellen im Wohnumfeld für Familien attraktiv sind und keine Lärmbelästigung.

[Beifall bei der LINKEN, der CDU und der FDP]

Räume zu finden und auszustatten, kostet natürlich Geld. Starthilfe und Mietzuschüsse sollen deshalb künftig unbürokratisch und regelhaft ermöglicht werden.

Die Arbeit mit Kindern ist anspruchsvoll, gerade weil man nicht im Team arbeitet, sondern alleine. Daher brauchen Tagespflegeeltern regelhaft Angebote der Beratung, Vernetzung, Fort- und Weiterbildung; ein engeres Zusammenwirken mit den bezirklichen Jugendämtern, bessere Beratung und Unterstützung sind notwendig. Eine Vernetzung auch mit den Angeboten in den benachbarten Kitas ist wichtig für fachlichen Austausch und Vertretung bei Krankheit, Urlaub und Fortbildung.

Fortbildungsangebote sind überhaupt sehr wichtig. Sie sollen künftig für Tagespflegepersonen regelhaft besser nutzbar gemacht werden.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU und der FDP]

Zur Verbesserung der Attraktivität der Arbeit in den verschiedenen Angebotsformen der Kindertagespflege ist natürlich auch eine bessere Bezahlung nötig. Mindestlohn ist das Mindeste, und das ist es, was wir in allen Angebotsformen wenigstens wollen: Es kann nicht sein, dass gerade in den atypischen Beschäftigungszeiten von 21 Uhr bis 5 Uhr – auch solche Betreuungsformate gibt es – nur der halbe Mindestlohn gezahlt wird. Das wollen wir ändern.

Natürlich kostet das alles auch etwas. Da fordern wir die Verwaltung auf, nicht nur das Bundesprogramm zur Förderung der Tagespflege zu nutzen, sondern auch Mittel, die Berlin aus dem Gute-Kita-Gesetz bekommt. Die CDU, das habe ich schon im Änderungsantrag gesehen, möchte das nicht. – Das werden Sie uns sicherlich gleich erklären, Herr Simon, was an einer Änderung der Ausführungsvorschrift besser ist, als die Mittel aus dem Gute-Kita-Gesetz zu nutzen.

Wir hoffen, dass es uns gelingt, gemeinsam mit den Bezirken und den Tagespflegepersonen und ihren Interessensvertretungen die Rahmenbedingungen deutlich zu verbessern, um noch mehr Menschen diese schöne, aber auch anspruchsvolle Tätigkeit zu ermöglichen. Das betrifft ausdrücklich auch Menschen, die zu uns zugewandert oder geflüchtet sind. Hier wollen wir ein Modellprojekt initiieren, um auch diese Potenziale zur Arbeitsintegration zu nutzen. – Sie werden uns, Herr Simon, bestimmt auch erklären, warum Sie so ein Modellprojekt ablehnen.

Wir wollen insgesamt mehr Aufmerksamkeit für diesen noch kleinen Bereich. Übermorgen, am 11. Mai., ist übrigens der Tag der offenen Tür in der Kindertagespflege. Unter www.guck-an-kindertagespflege.de können Sie nachschauen, welche offenen Türen das wo sind. Nehmen Sie das Angebot in Anspruch! Wir wünschen allen Beteiligten viel Spaß, und ich sage: Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der LINKEN und der SPD –
Beifall von Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE)]