Post- und Paketzustellung in allen Berliner Bezirken sicherstellen

Katrin Seidel

Die Problematik der verbesserungswürdigen Post- und Paketzustellung ist übrigens kein Luxusproblem. Insbesondere für ältere, kranke oder behinderte Menschen ist es wichtig, Pakete an der Wohnungstür abgeliefert zu bekommen.

Rede als Video

18. Sitzung, 30. November 2017

Katrin Seidel (LINKE):

Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Präsidentin! Das Anliegen dieses Antrags ist absolut nachvollziehbar. Abenteuerliche Geschichten über misslungene Zustellungen können reichlich erzählt werden. Leider bleibt in der Regel nicht viel mehr, als sich zu beschweren, denn beim Standardversand gibt es kein Recht auf eine Entschädigung. Nichtsdestotrotz haben die Menschen einen Anspruch auf diese Dienstleistung. Die Problematik der verbesserungswürdigen Post- und Paketzustellung ist übrigens kein Luxusproblem. Insbesondere für ältere, kranke oder behinderte Menschen ist es wichtig, Pakete an der Wohnungstür abgeliefert zu bekommen. Aber auch für kleine und mittlere Gewerbetreibende ist es ein Problem, wenn Waren oder Ersatzteile nicht korrekt abgeliefert werden und stattdessen unvermutet im Vorgarten des Nachbarn landen. Das Problem ist komplex.

Nun schlägt die FDP-Fraktion vor, der Verbraucherschutzsenator soll sich bei der Bundesnetzagentur beschweren und durch die Staatsanwaltschaft auf gewerbsmäßigen Betrug prüfen lassen, damit – wie Sie begründen – bei den Post- und Paketdienstleistungsunternehmen wieder geordnete Verhältnisse einkehren. Die Bundesnetzagentur könnte im Übrigen zunächst nichts anderes tun, als die Post zu einer Stellungnahme aufzufordern. Genau das ist in diesem Herbst bereits passiert, zusammen mit einer Mahnung, zügig Maßnahmen zur Verbesserung der Briefzustellung zu ergreifen, trotz besonderer Ereignisse wie Krankenständen oder Unwettern. Dies hat das Problem nicht gelöst.

Die ungeordneten Verhältnisse, die Sie hier meinen, beruhen ganz wesentlich auf miserablen Arbeitsbedingungen, prekärer Beschäftigung und schlechter Bezahlung in der Branche. Die Deutsche Post sucht händeringend nach Personal und hatte im Herbst einen Krankenstand von bis zu 20 Prozent. Kalkuliert wird mit einer Ausfallquote von 6 Prozent. Da müssen die Zusteller, die ohnehin schon für bis zu 2 600 Haushalte zuständig sind, auch noch die Krankenvertretung übernehmen. Neue Mitarbeiter sind unter diesen Umständen schwer zu finden. Eine hohe Arbeitsbelastung und befristete Verträge führen laut Verdi dazu, dass von zehn eingearbeiteten neuen Kollegen am Ende oft nur einer übrigbleibt. Die Post zahlt immerhin noch einen Haustarifstundenlohn in Höhe von 17,70 Euro. Wir erinnern uns an 2015 als dieser erkämpft wurde, als 2 300 Postangestellte wochenlang streikten. Wir haben im selben Jahr auch erlebt, dass die Post damals einen Großteil ihrer befristet beschäftigten Paketboten in die 49 DHL-Tochterunternehmen abgeschoben hat, wo die Löhne nach dem günstigeren Logistiktarif 20 Prozent unter denen der Post liegen. Es war im Übrigen unter FDP-Wirtschaftsminister Rösler, dass 2013 die Sperrminorität der Bundesregierung aufgegeben wurde und der Anteil am Unternehmen endgültig auf unter 25 Prozent sank. Damit wurde die Möglichkeit aufgegeben, wichtige Entscheidungen im Rahmen der Hauptversammlungen zu blockieren.

Dieser Privatisierungsschub bei der Post, der das ganze Elend, Ihre „ungeordneten Verhältnisse“, massiv befördert hat, müsste doch in Ihrem politischen Interesse liegen. Nun wundern Sie sich über die Folgen.

Man wollte Wettbewerbsnachteile durch Lohnkosten wettmachen und hat damit die Abwärtsspirale bespielt, denn in der Tat liegt selbst der niedrigere DHL-Tarif von 13,00 Euro brutto die Stunde vielfach weit über dem der Konkurrenz. Eine Vielzahl von Lieferunternehmen wie DPD, Hermes, UPS oder GLS arbeiten ohnehin nur zum Teil oder gar nicht mit festangestellten Mitarbeitern, sondern mit Subunternehmern. Diese Subunternehmen stellen wiederum Leute ein und zahlen einen geringen Stundenlohn, der mitunter bei 3,00 Euro brutto plus Stücklohn liegt – ja nach gelieferter Paketzahl. Da geht beispielsweise ein Paketzusteller, dessen Arbeitstag um 5.00 Uhr beginnt und um 19.00 Uhr endet, der ohne Pause tonnenweise ein- und auslädt, mit maximal 1 400 Euro brutto nach Hause. Das Tagessoll für einen DPD-Paketboten beträgt übrigens 150 bis 200 Pakete – oder die Subunternehmer sind Soloselbstständige, die auch noch ihr eigenes Fahrzeug stellen und nach der Zahl der zugestellten Pakete bezahlt werden. Da bleibt u. U. noch weit weniger und sie stehen finanziell im Risiko und tragen die Verantwortung. Da braucht es lange Arbeitszeiten, um ein Einkommen zu erreichen, von dem man leben kann.

 

      Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt:

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Herrn Krestel?

 

Katrin Möller (LINKE):

Nein, jetzt nicht! – Wenn dann zum Zeitdruck und zum wachsenden Aufkommen – der Kollege Dörstelmann hat es beschrieben – noch so praktische Probleme wie Stau, Unwetter oder einfach fehlende Parkmöglichkeiten hinzukommen, wundert es eigentlich nicht, wenn die Kollegen den Zettel zur Selbstabholung dranmachen, um ihr Auslieferungssoll noch erfüllen zu können.

 

Es ist also mehr als fraglich, ob wir es hier mit einem Kriminalitätsphänomen zu tun haben, wie Sie es vermuten, oder ob noch mehr Druck, der bekanntlich von oben in Richtung der schwächsten Glieder in der Kette, nämlich den Zustellern, hilfreich ist. Nichtsdestotrotz haben Sie hier ein wichtiges Problem aufgegriffen und wir werden in den Ausschüssen umfassend beraten, was auf Landesebene überhaupt möglich ist.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD ,
den GRÜNEN und der FDP]