Sozial- und Erzieherberufe deutlich aufwerten

ArbeitBildungKinder, Jugend und FamilieKatrin Seidel

und Einkommen von Berliner Erzieher/-innen und Sozialpädagogen/Sozialpädagoginnen verbessern!

32. Sitzung, 18. Oktober 2018

Katrin Seidel (LINKE):

Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Präsidentin! Lieber Herr Simon! Sagen Sie das bitte den CDU-geführten Ländern im Bund, die können wir nämlich alle gut gebrauchen bei der Aktion!

Seit langer Zeit reden wir darüber, dass die Aufwertung der Sozial- und Erziehungsdienste überfällig ist. Das betrifft sämtliche Professionen der Erziehung, der Sozialpädagogik und der Sozialarbeit. Dabei geht es auch darum, unser Bildungssystem zukunftsfähig zu machen – mit multiprofessionellen Teams in allen Bereichen. Die funktionieren aber nur auf Augenhöhe, und Augenhöhe geht nur mit gleicher Bezahlung für gleichwertige Arbeit. Wir erleben den Frust in den Ganztagsschulen, wo die absolut gerechtfertigte gehaltliche Angleichung der Grund­­schul­lehrkräfte an das Niveau der Oberstufen dazu geführt hat, dass nun die Erzieherinnen mit der Hälfte des Gehalts einer Lehrkraft am selben Arbeitsplatz leben müssen. Liebe Leute! Das geht nicht lange gut.

Nun steht endlich – endlich, Herr Simon – die nächste Tarifrunde bevor, und der Tarifvertrag der Länder muss durch realistische neue Tätigkeitsbeschreibungen aktualisiert werden, was ja in der letzten Tarifrunde als Entschuldigung für die miesen Ergebnisse im Entgeltbereich verabredet wurde. Diese Inhalte zu liefern, ist Sache des Arbeitgebers – in unserem Fall also des Senats –, und im September erfolgte die Übergabe der zeitgemäßen Aufgabenbeschreibung vonseiten der Jugendverwaltung an den Finanzsenat.

Der Lückenschluss zum TVöD ist das Ziel, und wir gehen davon aus, dass der Finanzsenator in den Verhandlungen im Interesse der Berliner Beschäftigten agieren wird. Sollte das scheitern, muss ein Plan B greifen. Das ging in Bremen und Hamburg auch, wo auf eigene Faust nach Anrufung der TdL verhandelt wurde, oder in München wurden Wege gefunden, um beispielsweise über Zulagen oder geldwerte Ausgleiche diese Berufe attraktiver zu machen.

Das sind die politischen Aufträge, die in diesem Antrag stecken. Der extreme Handlungsbedarf fällt besonders öffentlichkeitswirksam im Kitabereich auf, wo in letzter und in kurzer Zeit sehr viel passiert ist. Überzeugt hat hier vor allem der Kitagipfel. Ein umfassendes Maßnahmenpaket wurde auf den Weg gebracht und wird weiterentwickelt. Die hohe Transparenz und Zusammenarbeit mit allen Akteuren der Szene sind absolut beispielhaft.

Alle Beteiligten wollen den Rechtsanspruch, die Qualitätsverbesserung und grundsätzlich unser gutes Kitasystem verteidigen. Aber nach wie vor haben wir es hier leider mit einer hohen Fachkräftefluktuation zu tun, und das Problem wird auch noch eine Weile bleiben, denn laut Bericht über die Bedarfsentwicklung und Fachkräfteausstattung in den Kindertagesstätten vom Oktober 2018 – er ist erst zwei Wochen alt – ist der Fachkräftemangel eben kein temporäres Problem. Der jährlich zu erwartende Personalaufwuchs – trotz erhöhter Ausbildungskapazitäten, wachsendem Quereinstieg und Ausweitung des Berufsspektrums – reicht nicht. Es braucht zusätzlich 2 000 Vollzeitäquivalente bis 2020/21, die noch nicht in Sicht sind.

Es gibt neben allen laufenden Anstrengungen auch aus dieser Perspektive nur noch das Instrument der besseren Bezahlung, um mehr Menschen anzulocken. Und bitte: Geld ist gerade nicht unser Problem, wie man in anderen Bereichen ja auch sehen kann.

Der Fachkräftemangel betrifft natürlich nicht nur die Kitas. Besonders dringlich ist es – die Kollegin hat es schon angesprochen –, die Regionalen Sozialpädagogischen Dienste der Jugendämter, also unsere Kinderschützer, endlich besser zu bezahlen. „Nur mit euch!“ hieß es am 3. Oktober in Berlin. Da waren auch die Mitarbeitenden vom RSD auf der Straße, um auf ihre Notlage aufmerksam zu machen. Das Delta zwischen den benötigten und finanzierten und besetzten Stellen in den Bezirken beträgt aktuell 120 Vollzeitäquivalente, die fehlen. Bei der halbwegs optimalen Berliner Fallzahlvorgabe von einer Fachkraft auf 65 hilfsbedürftige Kinder und Familien sind das 7 800 Fälle, die vom Bestandspersonal mitbearbeitet werden müssen. Hier muss sofort regelhaft besser bezahlt werden. Die derzeitige Praxis, Stufenvorweggewährung in Einzelfällen zu bewilligen, ist völlig kontraproduktiv, schafft Ungleichheit, und es bedarf dafür eines unsäglichen Prozederes. Mitarbeiter, die man ja eigentlich halten will, müssen sich zunächst anderswo auf eine besserbezahlte Stelle bewerben, und erst nachdem von dort eine Zusage kommt, darf das bezirkliche Amt das Gehalt mittels Stufenvorwegnahme erhöhen. Das ist nicht Halten und Werben, das ist nicht „Nur mit euch!“, sondern das ist verrückt.

Hier ist der Finanzsenator sofort in der Verantwortung, mit einer klaren Ansage wirksam zu werden. Mittelfristig erfordert die absehbare Entwicklung in Berlin eine neue übergreifende Bildungs- und Qualifizierungsstrategie, die nicht einzelne Qualifikationen oder Ausbildungswege gegeneinander ausspielt, sondern alle Fachkräfte mitnimmt. Und kurzfristig müssen wir erst einmal aus dem Krisenmodus verlässlich wieder herauskommen – mit gut angelegtem Geld für gute Arbeit in den Sozial- und Erziehungsdiensten. – Vielen Dank!