Verbeamtung kein Allheilmittel gegen Lehrkräftemangel

BildungRegina Kittler

52. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, 16. Januar 2020

Zu Wiedereinführung der Verbeamtung von Lehrkräften (Priorität der Fraktion der CDU)

Regina Kittler (LINKE):

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Nicht nur die CDU ist ja jetzt offensichtlich der Meinung, dass wir den Lehrkräftemangel damit lösen, dass wir Lehrkräfte verbeamten. Nebenbei gesagt bleibt auch bei Herrn Stettner unklar, warum Sie das nicht auch zum Beispiel für Erzieherinnen und Erzieher oder für das Pflegepersonal fordern, denn auch hier haben wir ähnliche Personalprobleme. Aber so kurzsichtig wie Sie, Damen und Herren der CDU, in Berlin mit der Verbeamtung als Allheilmittel für Lehrkräftemangel denken, denken und handeln Sie ja auch im Bund, wo Sie seit 2005 ununterbrochen, und davor auch immer wieder mal im Wechsel mit SPD und FDP, die zuständigen Ministerinnen und Minister stellen und sich trotz der gravierenden Probleme, auch im Zusammenhang mit dem Lehrkräftemangel, vehement für das Kooperationsverbot aussprechen.

Wie armselig ist es eigentlich, dass sich die Bundesländer in einen harten Konkurrenzkampf begeben sollen, damit sie sich gegenseitig die Lehrkräfte abjagen, um Kindern und Jugendlichen das Recht auf Bildung gewähren zu können?

Nun einmal zurück zu Ihrer Verbeamtungsdebatte: Es sind mittlerweile alle Bundesländer vom Lehrkräftemangel betroffen. In Bayern eskaliert die Situation in den Grundschulen so, dass die Grundschullehrkräfte jetzt für zunächst fünf Jahre eine Arbeitszeitverlängerung bekommen haben. In Brandenburg finden manche Landkreise keine einzige ausgebildete Lehrkraft. In Mecklenburg-Vorpommern stimmen die Lehrkräfte mit den Füßen ab und verlassen, wie gestern im Bildungsausschuss des Landtags berichtet wurde, in großer Zahl das Land wegen schlechter Arbeitsbedingungen.

In Nordrhein-Westfalen waren noch zum ersten Schultag über 3 000 Stellen in den Schulen unbesetzt. In Niedersachen gehen die Grund‑, Haupt-, Real- und Berufsschulen auf den Lehrkräfte-Crash zu. Ich könnte Ähnliches aus allen Bundesländern berichten, auch aus Sachsen, wo die Wiederverbeamtung nicht viel hilft.

Laut Prognosen der Bertelsmann Stiftung fehlen bis 2015 in Deutschland 26 300 Grundschullehrkräfte, dieser Zahl nähert sich übrigens seit Dezember auch die KMK an. Dass die Verbeamtung die Lehrkräftenotlage beenden würde, ist ein Mythos.

Die Antragssteller stellen sich hier nicht den wirklichen Ursachen, sondern verbreiten eben lieber Mythen. Dazu gehört auch, dass Masterabsolventinnen und Masterabsolventen oder Referendarinnen und Referendare in Scharen Berlin verlassen. – Stimmt nicht! Sie gehen einfach wieder nach Hause, nachdem sie hier studiert haben. Zwischen 20 Prozent und 28 Prozent haben das auch getan, als Berlin noch verbeamtet hat. Wir sind in der gleichen Range. Verbeamtung löst die grundsätzlichen Probleme nicht. Diese liegen – und das ist kein Hohn, Maja, sondern wurde jüngst auch in einer Studie der Universität Göttingen nachgewiesen – erstens in einer strukturellen und permanenten Überlastung der Kolleginnen und Kollegen in den Schulen, die viele krank macht und zu hoher Teilzeit oder Frühberentung führt, und zweitens in einer für viele zutreffende Unvereinbarkeit von Vollbeschäftigung und Familie.  Drittens liegen die Probleme im über Jahre betriebenen Studienplatzabbau bundesweit und darin, dass auch bei stark wachsender Kinderschar in Deutschland bisher nur Berlin und Bayern hier, wenn auch spät, umgesteuert haben, nicht aber die Universitäten und Hochschulen der anderen Bundesländer; darin, dass die Grundschullehrkräfte solange so schlecht bezahlt wurden, bis Rot-Rot in Brandenburg und Rot-Rot-Grün in Berlin beschlossen haben, das zu ändern.

Fünftens, dass verbeamtete und angestellte Lehrkräfte nicht gleichgestellt sind, obwohl sie die gleiche Arbeit leisten – das betrifft übrigens besonders die Rentenzahlung –, aber auch das vorherrschende Dienstrecht. Sechstens, nicht zuletzt darin, dass, als es noch genügend Lehrkräfte gab, nicht vorausschauend eingestellt worden ist.

Die Linksfraktion sieht außerdem die Verbeamtung von Lehrkräften nicht als notwendig an, da hier keine hoheitlichen Aufgaben erfüllt werden. Wir lehnen deshalb den Antrag ab.

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