Dieselfahrzeuge technisch nachrüsten – auf Kosten der Hersteller

Kristian Ronneburg
VerkehrKristian Ronneburg

30. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, 13. September 2018

Kristian Ronneburg (LINKE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erst einmal möchte ich mich bedanken, auch bei der CDU und der AfD, für diese offenen Worte heute im Plenum. Da wissen doch die Fahrzeughalterinnen und -halter endlich, woran sie sind.

Sie haben bei CDU und AfD keine Lobby. Die einzige Lobby, für die sich CDU und AfD hergeben, ist die Autoindustrie. Da hilft es auch nicht, wenn Sie hier irgendwelche Zahlen von der Autoindustrie kolportieren – die Bürgerinnen und Bürger wissen besser Bescheid und auch Rot-Rot-Grün weiß besser Bescheid, was möglich ist und was nicht.

Beim Dieselskandal haben wir es mit einem kolossalen Betrug der Autoindustrie zu tun und mit einem gleichermaßen kolossalen Versagen der Bundesregierung. Statt endlich politisch Verantwortung für die Dieselkäuferinnen und -käufer zu übernehmen, die betrogen wurden, und eine klare Sprache der Automobilindustrie gegenüber an den Tag zu legen, kuscht die Bundesregierung. Sie guckt weiter zu und lässt sich von der EU verklagen, statt die Hersteller endlich zur notwendigen Hardwarenachrüstung zu verpflichten.

Da helfen auch keine hektischen Manöver wie in Hessen – die Frau Kapek erwähnt hat –, wo die CDU vor der Landtagswahl angesichts möglicher Fahrverbote in Frankfurt am Main doch noch einmal über die Hardwarenachrüstung sprechen will. Aber man sieht ja, wie die CDU sich hier positioniert: Es ist einfach nicht glaubwürdig. Das ist durchschaubar, und da kann man ihr eigentlich auch keinen Erfolg in Hessen bei der Frage der Hardwarenachrüstung wünschen, weil es, wie gesagt, wirklich unglaubwürdig ist, was dort von der CDU kolportiert wird.

Angesichts dieser Lage ist es wirklich wichtig, dass der rot-rot-grüne Senat bereits vor Monaten eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht hat. Der Bundesrat muss sich gegenüber der Bundesregierung klar positionieren und für eine Nachrüstung auf Kosten der Hersteller sorgen. Doch die Bundesratsinitiative des Senats beinhaltete lediglich die Forderung, dass die Bundesregierung die Hersteller zu einer Hardwarenachrüstung von Euro-5-Dieselfahrzeugen verpflichten soll.

Wir als Koalition sehen da noch Nachbesserungsbedarf. Unserer Meinung nach müssen Bußgelder für das Inverkehrbringen von nicht zugelassenen Diesel-PKW und leichten Nutzfahrzeugen verhängt werden. Es wäre auch nach EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung möglich, dass das Kraftfahrtbundesamt von der Regierung dazu verpflichtet wird.

Diese Bußgelder sollten dann auch ganz gezielt eingesetzt werden – einerseits, um die Halter der Fahrtzeuge, die nicht von der Nachrüstpflicht durch die Hersteller erfasst werden, finanziell bei der Nachrüstung ihrer Abgasreinigungsanlagen zu unterstützen, und andererseits, um auch die Kommunen zu unterstützen, die das Versagen der Bundesregierung vor Ort ausbaden müssen.

Damit es endlich sauberer auf unseren Straßen zugeht – aber eben nicht um den Preis, dass die Bürgerinnen und Bürger die Zeche dafür zahlen sollen –, sollen es diejenigen zahlen, die die Bürgerinnen belogen und betrogen haben. Denn bereits vor neun Jahren hat beispielsweise die Verbraucherzentrale die Werbung von Opel und VW, die immer mit den Etiketten „umweltfreundlich“ und „klimafreundlich“ für sich warben, erfolgreich abgemahnt. Schon damals war die Kluft zwischen den Versprechen und der Realität sehr deutlich.

Doch es ging einfach so weiter, ohne irgendwelche Konsequenzen. Der Verbraucherschutz spielte bei den vergangenen Bundesregierungen keine Rolle. Es muss endlich Schluss sein mit dieser Kumpanei und den schlechten Deals zwischen Bundesregierung und Autoindustrie! Jahrelang hat es die Bundesregierung einfach verpennt, ihre Hausaufgaben zu machen. Sie haben auf die Versprechen der Autoindustrie gesetzt, dass sie weniger Schadstoffe ausstoßen, dass sie die Grenzwerte einhalten. Nun sind die Probleme seit Jahren bekannt, und man muss feststellen, dass eine wirkliche Aufarbeitung dieses Skandals bisher nicht stattgefunden hat.

Die Hersteller machen Software-Updates, aber die Software-Updates mindern die Emissionen nur um 20 bis 30 Prozent – das ist nicht ausreichend. Eine Nachwarenachrüstung würde die Emissionen – das wurde auch schon erwähnt – innerorts um mindestens 70 Prozent mindern können, und dadurch könnten auch Fahrverbote vermieden werden. Nur mit Software-Updates werden die geltenden Grenzwerte eben nicht eingehalten werden können.

Die Leidtragenden sind die Bürgerinnen und Bürger. Ihre Gesundheit wird aufs Spiel gesetzt. Das Umweltbundesamt hat aufgezeigt, dass Stickoxide in Deutschland zu mindestens 6 000 frühzeitigen Todesfällen aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen, und diese Abgase – das muss man hier einfach so feststellen – sind schlichtweg eine Gefahr für die Umwelt und die Gesundheit. Da hat das Kraftfahrtbundesamt mit der europäischen Fahrzeuggenehmigungsverordnung auch eine Grundlage, die sie dazu ermächtigt, die Hersteller zu Nachrüstungen zu verpflichten.

Abschließend möchte ich noch einmal sagen: Es sollte doch wohl unstrittig sein, dass die Verursacher von Gefahren dafür auch zur Rechenschaft gezogen und dazu angehalten werden, diese Gefahren zu beseitigen. Daran müssen sich die Autokonzerne messen lassen. Das ist auch eine moralische Verpflichtung. Wenn sie nicht dazu bereit sind, müssen sie eben dazu verpflichtet werden. Die Fahrzeughalter brauchen endlich echte politische Unterstützung, und die finden sie nicht bei der CDU und auch nicht bei der AfD. Der Wertverlust der Fahrzeuge und die drohenden Fahrverbote wiegen schwer. Man könnte hier auch von – Achtung! – Enteignung sprechen. Die Bundesregierung verhöhnt die betroffenen Bürgerinnen und Bürger.

Es wird immer eingewandt, dass eine Beteiligung der Autoindustrie ihr Ruin wäre. Wenn man die Gewinne der Autoindustrie nach Steuern einmal zusammenzählt, dann hatten die im letzten Jahr über 30 Milliarden Euro Gewinn. Für die Nachrüstungen werden etwa 1 500 bis 3 000 Euro angegeben. Wenn alle Fahrzeuge eines Fahrzeugtyps nachgerüstet werden müssten, dann ergäbe das nach sogenannten Skaleneffekten etwa 15 Milliarden. Das ist zweifellos viel Geld, aber bei weitem nicht der Ruin. Das sollte es der Autoindustrie auch wert sein, um das Vertrauen zurückzugewinnen. – In diesem Sinne werbe ich für diese Initiative von Rot-Rot-Grün und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!

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