Quelle: rbb-online.de

Wirtschaftliche Hilfe in der Coronakrise

WirtschaftManuela Schmidt

"Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus treffen viele Berlinerinnen und Berliner hart. Deswegen haben Senat und Parlament schnell und unbürokratisch geholfen und einen breiten Schutzschirm aufgespannt.", sagt Manuela Schmidt.

57. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, 02. April 2020

Zur Aktuellen Stunde "Wirtschaftliche und sonstige finanzielle Hilfe in der Corona-Krise"

Dr. Manuela Schmidt (LINKE):

Vielen Dank, sehr geehrter Herr Präsident! – Sehr verehrte Damen und Herren Abgeordnete! Was im Kleinen gilt, gilt nun auch im Großen: Erst wenn uns etwas fehlt, merken wir, wie nötig wir es brauchen. Die absolut notwendigen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus lassen derzeit so vieles nicht zu: kein Treffen mit Freunden, von Enkeln und Großeltern, kein Kita- oder Schulbesuch, keine Theater-, Club- und Konzertbesuche, keine Besuche in Museen, Galerien, Cafés. Noch härter jedoch treffen viele Berlinerinnen und Berliner die wirtschaftlichen Auswirkungen des Virus. Deshalb haben wir gemeinsam, Senat und Parlament, schnell und unbürokratisch geholfen und einen breiten Schutzschirm aufgespannt. Sehr kurzfristig haben wir stark nachgefragte Soforthilfen mit zinslosen Darlehen für Unternehmen und ein Zuschussprogramm für Soloselbstständige und Freiberuflerinnen beschlossen. In kürzester Zeit wurden bereits 100 000 Be­troffene unterstützt, mehr als 1 Milliarde Euro sind bereits ausgezahlt.

Sicher, Herr Dregger, mehr geht immer. Sicher, in Berlin klappt wenig von jetzt auf gleich. Doch die gute Botschaft ist, dass es am Ende funktioniert. Bereits am Freitag hatten die ersten Antragstellerinnen und Antragsteller ihr Geld auf dem Konto, weitere Auszahlungen folgten ab Montag, so, wie wir es versprochen haben: schnell und unbürokratisch.

Noch nie wurden in so kurzer Zeit und in diesem Umfang Mittel des Landes und des Bundes zur Verfügung gestellt. Lasst uns auch einmal stolz sein, nimmt doch das Land Berlin hier unter allen Bundesländern eine Vorreiterrolle ein! Da ist es an der Zeit, einmal herzlich Danke zu sagen: an den Senat, an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, vor allem aber an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der IBB.

Trotz Warteschleife und Datenpanne haben die Akteure in den letzten Tagen Großartiges geleistet.

Doch diese wirtschaftlichen Hilfen sind nur eine Baustelle. Genauso wichtig ist es, dass wir den Schutz der Berliner Mieterinnen und Mieter erhöhen. Der Bund hat bereits den Kündigungsschutz bei Mietrückständen für Wohn- und Gewerberäume deutlich ausgeweitet. Darüber hinaus hat der Senat mit den städtischen Wohnungsbaugesellschaften und der berlinovo vereinbart, Vollstreckungen von Wohnungsräumungen bis auf Weiteres auszusetzen. Private Wohnungsunternehmen sind angehalten, ebenso zu verfahren. Des Weiteren sind Zählersperrungen durch Amtsgerichte ausgesetzt. Auch für die Obdachlosen ist inzwischen für Hilfe gesorgt: Seit gestern ist die Jugendherberge in der Kluckstraße in Betrieb.

Auswirkungen hat die Coronapandemie natürlich auch auf die freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Musikschulen, Volkshochschulen und weiterer Einrichtungen des Landes Berlin. Viele von ihnen haben kreative Ideen entwickelt und ihren Unterricht auch aus der Ferne fortgesetzt. Deshalb ist die Entscheidung des Landes richtig, dass ursprünglich vereinbarte Honorare weiterhin zu zahlen sind.

Berlin ist vor allem aber die Stadt der Kunst und Kultur, der Clubs, der Kreativen, der kleinen Kneipen und Bars. Damit bin ich bei denjenigen, die gerade in Berlin unseren Alltag mit ihrer Kunst durch so bunte und vielfältige Arbeit bereichern wie sonst in kaum einer anderen Stadt. Besonders hart trifft es die Freien, die Soloselbstständigen wie Musikerinnen und Musiker, die derzeit nicht öffentlich auftreten können, oder Schauspielerinnen und Schauspieler, die von ihren Gagen leben. Aber auch die Guides in Museen und Gedenkstätten, kleine Konzertveranstalter, Lesebühnen, Clubs, die Soziokultur, die vielen kleinen Kneipen – sie alle müssen mit dem völligen Einbruch aller Einnahmen klarkommen. Schwer ist es auch für die mit oder ohne Zuschüsse arbeitenden Kulturbetriebe, die mit ihren Einnahmen ihren Betrieb unterhalten und nun ohne jede Einnahme dastehen.

Es gibt die Soforthilfe I, ein Darlehen, um die größte Unbill erst einmal abzufedern und die Existenz zu sichern. Ja, aber: Es muss irgendwann zurückgezahlt werden. Viele Künstlerinnen und Künstler, auch die Betreiberinnen und Betreiber der kleinen Kneipen und Bars können das nicht. Ihr Einkommen erlaubt selten, nennenswert vorzusorgen oder Rücklagen zu bilden – übrigens auch ein Punkt, über den eine Gesellschaft nachdenken sollte.

Für diese Künstlerinnen und Künstler gab es die Soforthilfe II – ein Zuschuss von 5 000 Euro, der ihre berufliche und, anders als in anderen Bundesländern, auch ihre persönliche Existenz in diesen Zeiten sichern helfen soll. Das Land Berlin hatte das bundesweit schnellste, offenste und vom Volumen her größte Soforthilfeprogramm für Künstlerinnen und Künstler und andere Freiberuflerinnen und Freiberufler und Soloselbstständige. Zunächst standen 100 Millionen Euro zur Verfügung. Diese wurden im Verlauf weniger Tage auf 300 Millionen Euro aufgestockt. Am 1. April mittags betrug das beantragte Volumen bereits über 600 Millionen Euro allein für dieses Soforthilfeprogramm II – das Sechsfache also des Ursprungsvolumens. Binnen kürzester Frist konnte dadurch die erste Nothilfewelle aufgefangen werden.

Im nächsten Schritt wird diese Unterstützung nun in einem bundeseinheitlichen Programm fortgeführt. Wir fordern, dass dabei die Bedarfe und Lebensrealitäten von Kulturschaffenden, Freelancern und Kleinstunternehmen mindestens weiterhin so berücksichtigt werden, wie wir das in Berlin getan haben.

Und noch etwas zeigt sich in der Krise, und das finde ich bewundernswert: Es ist der Zusammenhalt der Menschen in unserer Stadt, es ist die schöpferische Kraft, die Wucht an Ideen – sei es beim Erfinden neuer Möglichkeiten oder bei der ganz konkreten Unterstützung für unser Gesundheitssystem. Beispielhaft nenne ich die Plattform Berlin (a)live, eine Schnittstelle für kulturelle Angebote von Bühnen und Clubs, Museen und Galerien. Hier besteht die Chance, digitale Projekte und Ideen zu erproben, populärer zu machen, aber auch die Chance, Künstlerinnen und Künstler mit Spenden zu unterstützen. Es sind zugleich die Balkonkonzerte der Sängerinnen und Sänger, genauso wie die Konzerte und Stücke großer Ensembles. Nennen will ich auch die vielen Projekte und Werkstätten, die sich kurzgeschlossen haben und Schutzmasken nähen, um Kapazitäten für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen freizumachen. All das verlangt unseren Dank, und den will ich von Herzen gerne geben.

Es gibt aber auch deutliche Kritik, beispielsweise an den Privat- und Hausbanken, die trotz Bürgschaften hohe Zinsen wollen oder sich ganz zurückziehen. Das ist ein klares Foulspiel, das werden wir so nicht hinnehmen. – Danke auch an Frau Popp, die hier sehr klare Gespräche führt!

So schnell die Hilfen des Senats auch angelaufen sind, es bleiben Unschärfen und blinde Flecken. Es braucht auch die Unterstützung für größere private Einrichtungen, die bisher ohne jede öffentliche Förderung ausgekommen sind. Denen hilft ein Kredit nicht, ebenso wenig wie den sozialen Trägern, denen durch die Coronapandemie die Leistungserbringung momentan nicht oder nicht in vollem Umfang möglich ist. Eine Lösung brauchen wir auch für die Sozialverbände.

Menschen in systemrelevanten Berufen müssen langfristig besser geschützt und auch bezahlt werden. Das Kurzarbeitergeld sollte deutlich erhöht werden; auch über Pandemiezuschläge für niedrige Renten und Hartz IV muss nachgedacht werden. Kredite sollen mit sehr niedrigen oder null Zinsen vergeben werden, die Rückzahlung soll auch an künftige Erträge gekoppelt sein. – Wie können wir noch stärker eigene regionale Unternehmen zur Produktion wichtiger Schutzkleidung und Desinfektionsmittel oder eben auch wichtiger medizinischer Geräte motivieren? – So wie wir bei der Pandemie am Anfang stehen, stehen wir auch bei den Hilfen am Anfang. Hier müssen wir als Land, aber auch als Bund nachbessern, unbedingt, schnell und zuverlässig. – Vielen Dank!