Rot-Rot-Grün fördert den sozialen Wohnungsbau

63. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, 17. September 2020

Zur Volksinitiative „Neue Wege für Berlin“

Dr. Michail Nelken (LINKE):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dem Ziel der Volksinitiative, mehr Sozialwohnungen für Berlin, pflichten hier fast alle Fraktionen im Hause bei. Dass anspruchsvolle Neubauprogramme für geförderte und damit mietpreis- und belegungsgebundene Wohnungen fortgeschrieben und möglichst ausgebaut werden sollen, ist Konsens, unabhängig davon, was der Kollege Evers gerade dargelegt hat.

Allein die AfD wünscht sich einen etwas anderen Weg. Mit dem Titel „Subjektförderung“ wollen Sie Vermieter fördern und den Mieter zum Geldboten machen? Aber da sind Sie ziemlich allein. Alle anderen Parteien haben sich inzwischen dazu bekannt, dass der Wohnungsmarkt, dass die gewinnfixierte private Wohnungswirtschaft, das soziale Wohnungsproblem nicht lösen wird, sondern dass wir einen öffentlichen und öffentlich geförderten Wohnungsbau dringend brauchen und er auch weiterentwickelt werden soll. Das ist meines Erachtens von allen, sowohl im Ausschuss als auch hier vertreten worden.

Die Vertrauensleute der Volksinitiativen sagen, dass zwar viel gebaut wurde, das sagen Sie selbst, aber 95 Prozent des privatwirtschaftlichen Wohnungsbaus für große Teile der Berliner unerschwinglich sind. Inzwischen gibt es Neubauwohnungen, die in der Erstvermietung jenseits von 20 Euro pro Quadratmeter liegen und dabei keine Luxuswohnungen in Charlottenburg oder am Wannsee sind, sondern ganz normale Standardwohnungen über Supermärkten in der Innenstadt, an verlärmten Straßen und Bahntrassen sind. Über 20 Euro werden verlangt. Also einfach nur bauen, bauen, bauen, löst das soziale Wohnungsproblem nicht.

Die Sprecher und Sprecherinnen der Initiative beklagen selbst die anhaltende Abnahme des Bestandes an Sozialwohnungen. Die Gründe und Zusammenhänge für diese Entwicklung kennen vielleicht nicht alle Unterzeichner, die Initiatoren aber bestimmt. Es ist ein systemisches Ergebnis einer Fördersystematik mit entgrenzten Herstellungskosten, einem aberwitzigen Förderaufwand und nur befristeten Bindungen. Das hat uns in diese Situation geführt. Deshalb ist es verwunderlich, dass unter dem Titel „Neue Wege für Berlin“ der alte Weg wieder vorgeschlagen wird, ein Weg der in die Sackgasse und Berlin in diese beklagenswerte Lage geführt hat.

Es sind Milliarden Euro in den alten sozialen Wohnungsbau geflossen, aber die Sozialmieten sind von der Zielgruppe nicht mehr bezahlbar, und die Sozialbindungen laufen jedes Jahr in Größenordnungen aus. Ein Zurück auf diesen Holzweg kann es nicht geben. Eine Vertrauensperson der Volksinitiative, Peter Kurth, war damals Finanzstaatssekretär und Finanzsenator, als die schwarz-rote Regierung aus dem Sozialwohnungsbau ausgestiegen ist. Er kennt das wohnungswirtschaftliche und haushalterische Desaster des alten Berliner Sozialwohnungsbaus eigentlich viel zu gut, um dieses Revival zu fordern. Ich habe überhaupt nicht verstanden, wie er auf diese Frage in der Anhörung reagiert hat.

Staatliche Wohnungsbauprogramme, Herr Evers, mit großem Mittelaufwand, Bauen im Akkord, ist keine kluge und nachhaltige kommunale Wohnungspolitik. Viel hilft halt nicht immer viel. Das ist nicht nur in der Medizin so, sondern auch beim Wohnungsbau. Wenn die sozialen Eigenschaften dann befristet sind, wird es gänzlich absurd. Wenn Milliarden investiert werden, ohne dass ein dauerhafter sozialer Wohnungsbaubestand herauskommt, ist es keine sinnvolle Politik und absurd.

Jetzt, Herr Evers, ja, auch diese Koalition fördert den sozialen Wohnungsbau. Ja, auch in den aktuellen Förderprogrammen ist die Sozialbindung endlich. Sie ist endlich. Wie schnell 30 Jahre vorbei sind, wird uns dieser Tage permanent vor Augen geführt. Aber diese Koalition praktiziert ein finanzielles, städtebauliches und wohnungswirtschaftliches Augenmaß bei der Wohnungsbauförderung. Natürlich haben wir im Augenblick sogar noch den Umstand zu verzeichnen, dass wegen der Bedingungen die Inanspruchnahme nur durch die Wohnungsbauförderung vor allem von städtischen und einigen Wohnungsbaugenossenschaften erfolgt. Aber das ist natürlich keine Lösung.

Wir brauchen ein neues Fördersystem, denn die derzeitige Förderung bringt uns eben in dieser Situation nicht weiter. Ich will jetzt gar nicht über die Frage Beschwerdestelle reden. Ich will nur eines zu den Grundstücken hier sagen, weil die Zeit abläuft. Die CDU hat eine beachtenswerte Klarstellung vorgenommen, dass auch sie nicht mehr für den Verkauf landeseigener Grundstücke ist. Das begrüßen wir ausdrücklich. Aber, Kollege Evers, auch das Erbbaurecht ist nicht die Lösung aller Probleme, denn wenn der Erbbauzins für die Landesgrundstücke höher ist als die Zinsen bei einer Fremdfinanzierung beim Kauf, haben Sie ein Nachfrageproblem. Das haben wir gerade. Insofern glaube ich, dass wir alle zusammen noch viel zu tun haben.

Was uns bestimmt nicht weiterhilft und keine nachhaltige Lösung ist, ist der Weg in die alte soziale Wohnraumförderung zurück. Wir brauchen eine neue Förderung. Dafür braucht es Kreativität. Ich denke, dass wir einen Anfang gemacht haben. Vielleicht beteiligen Sie sich an dieser Entwicklung. – Danke!

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