Vergesellschaftung zur Sicherung des Allgemeinwohls

Mieten- und Wohnungspolitik

36. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, 24. Januar 2019

Dr. Michail Nelken (LINKE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Kollegen von der CDU! Als ich den hier zu besprechenden Antrag gelesen habe, habe ich spontan gedacht: Muss man sich jetzt Sorgen um die politische Verfassung der Berliner CDU machen? Ist die CDU verfassungsrechtlich auf Abwegen?

Dann lassen Sie heute Herrn Gräff reden, der bei Justiz, Verfassungs- und Rechtsfragen nun nicht wirklich die Spitze Ihrer Fraktion ist. Die interessante Frage ist: Sie wollen das Begehren nach einer Vergesellschaftung von Unternehmen auf der Basis von Gesetzen – so steht es da nämlich – per Parlamentsbeschluss als verfassungsfeindlich, als Verfassungsbruch brandmarken lassen, obwohl gerade das in Artikel 15 als elementares Grundrecht festgeschrieben ist.

Sie berufen sich auf den Schutz des Eigentums in Artikel 14 der Verfassung von Berlin, obgleich dort schon in Satz 2, der dem ersten Satz folgt, steht, dass das Eigentumsrecht begrenzt ist. Im nächsten Absatz stehen die Sozialbindung und die Verpflichtung, den Gebrauch des Eigentums ans Allgemeinwohl zu binden. – Herr Evers! Sie sind ja Jurist. – Im Folgenden wird darauf hingewiesen, dass zur Sicherung des Allgemeinwohls auch eine Enteignung möglich wäre. Es gibt in diesem Lande Gesetze und Verfahren, Kollege Evers! Und es gibt sogar Behörden zur Umsetzung. Berlin hat eine Enteignungsbehörde, die nicht Rot-Rot-Grün erfunden hat. Die gibt es schon lange in diesem Lande. Sie beantragen also, dass das Haus ein Bekenntnis ablegt, dass der Gebrauch der Verfassungsrechte ein Verfassungsbruch ist. Umgangssprachlich würde man sagen: Was haben Sie geraucht?

Übrigens, Kollegen von der CDU, in dem von Ihnen gebrandmarkten Gesetz zur Vergesellschaftung von Grund und Boden – Klammer auf: Rekommunalisierungsgesetz – konnte ich gar nichts von willkürlichen und massenhaften Enteignungen oder Verstaatlichungen finden. Auch das von Ihnen in Ihrem Antrag kolportierte Ansinnen, dass ein ganzer Wirtschaftszweig zu verstaatlichen wäre, findet sich in diesem Entwurf überhaupt nicht. Es geht um große Eigner, die Wohnungsbestände von mehr 3 000 Wohnungseinheiten zum Zwecke der Profitwirtschaft halten. Über dieses Problem haben wir hier in diesem Haus schon gesprochen.

Wir wissen, dass es auf dem Immobilienmarkt ganz unterschiedliche Eigentümer gibt, die unterschiedlichen Ökonomien folgen. Auf dem Berliner Immobilienmarkt sind Wohnungsunternehmen klassischer Art und Weise, die ihre Erträge aus Bewirtschaftung der Bestände ziehen wollen, überhaupt nicht mehr leistungs- und handlungsfähig. Weil im Augenblick ganz andere den Berliner Wohnungsmarkt dominieren und die Preise bestimmen, kommen die klassischen Wohnungsunternehmen überhaupt nicht mehr zum Zuge, also hat der Staat ja durchaus ein Problem, dass er handeln muss, und zwar zum Schutze der Wohnungswirtschaft.

Das Problem, Herr Czaja, des Auseinanderfallens von Realwirtschaft und Kapitalhandel gibt es in sehr vielen Wirtschaftszweigen. Bei der Wohnungswirtschaft gibt es nur ein Problem, es geht hier um Wohnungen, es geht um die Behausung von Menschen, es geht darum, dass wir uns dafür einsetzen, dass es hier einen effektiven Schutz gibt.

Herr Dregger! Herr Evers! Sie sind Juristen, Sie hätten also so einen Antrag eigentlich hier nicht einbringen können. Ich gebe aber eine gewisse Entwarnung. Es steht ja im Antrag, am Ende der Begründung kriegen Sie noch die Kurve, denn da steht auf einmal, dass Enteignungen doch nicht ausgeschlossen sind, dass es nur die Ultima Ratio ist, dass man andere Sachen vorziehen muss.

Lassen Sie uns doch bitte über Ihre Vorschläge debattieren, die Sie tatsächlich zur Änderung des Wohnungsproblems haben, und machen Sie hier nicht solche Gespensterdebatten, wo Sie sozusagen das kommunistische Gespenst der Enteignung aus der Tasche holen! Reden wir mal über die Sachfrage!

Und dann können wir auch über Ihr sehr eigenwilliges Programm, Ihren Masterplan, reden, aber bei diesen Geisterdebatten, die Sie heraufbeschwören, macht es keinen Sinn.  Da lohnt auch die heutige Debatte nicht; darüber kann man gar nicht reden. – Danke!

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