Damit niemand im Kalten sitzen muss. Heizkostenfonds nach Vorbild München einführen
Rede unseres Sprecher für Wohnen und Mieten, Niklas Schenker, zum Antrag der Linksfaktion, einen Fond zur Unterstützung von Mieter*innen aufzulegen, die von drastischen Heizkostensteigerungen betroffen sind.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
310 000 Menschen in Berlin können ihre Wohnung nicht mehr angemessen heizen. Bundesweit muss jeder zehnte Haushalt zu Hause frieren. Das ist ein Zustand, den wir nicht länger akzeptieren dürfen, denn es geht hier nicht um abstrakte Zahlen, sondern es geht um Menschen, die wirklich in Not sind. Ich weiß zwar, dass sich die allermeisten hier im Saal eine solche Situation nicht vorstellen können, und zwar nicht, weil
sie schlecht informiert sind, sondern weil sie sich keine Sorgen um ihre Heizkostenabrechnung machen müssen. Sie haben gut bezahlte Politikergehälter und teilweise üppige Nebeneinkünfte, die Sie garantiert im Warmen halten.
Deshalb möchte ich heute auch nicht über abstrakte Zahlen sprechen, sondern über eine Frau, die stellvertretend für all jene steht, die sonst im Parlament viel zu wenig gehört werden. Nennen wir sie Brigitte. Sie ist 73 Jahre alt und lebt in Berlin. Nach 35 Jahren als Kassiererin erhält sie nun eine schmale Rente, die für das Nötigste reicht. Ihr kleines Auto hat sie zwar abgeschafft, aber sie gönnt sich selten etwas. Ab und an fährt sie an die Ostsee, wenn es das Budget erlaubt. Ende November bekommt sie ihre Heizkostenabrechnung. Was sie dort liest, das kann sie kaum fassen. 5 689 Euro soll sie an Heizkosten nachzahlen und hat zwei Monate Zeit, das zu bezahlen.
Und plötzlich steht die Welt still. Sie hat Angst, ihr Zuhause zu verlieren, eine Wohnung, in der sie seit Jahrzehnten lebt, in der sie ihre Nachbarn kennt und schätzt. Aber jetzt droht ein Konzern, sie mit 73 Jahren aus ihrer Wohnung zu werfen, weil die Heizkosten wegen eines
völlig überteuerten Gaspreises explodiert sind.
Brigitte ist wirklich kein Einzelfall. Sie ist das Opfer eines Systems, in dem Konzerne Mieterinnen und Mieter mit falschen Heizkostenabrechnungen über den Tisch ziehen. Es ist ein System, bei dem Kenner von legalem Betrug sprechen, Contracting. Bei Contracting werden mittels Preisgleitklauseln Kosten auf Mieter umgewälzt, die den Unternehmen selbst nie entstanden sind. Es ist ein
System, in dem systematischer Betrug unbestraft bleibt, zumindest wenn die Betrogenen die kleinen Leute sind.
Was macht die Politik? Die anderen Parteien schauen zu, wenn die Reichen und Konzerne immer reicher werden und die Menschen mit wenig Geld immer weiter ins Abseits geraten. Wir als Linke setzen dem wirklich etwas entgegen. Wir geben der Mehrheit der Bevölkerung und den Mieterinnen und Mietern eine Stimme. Deswegen fordern wir, einen Heizkostenfonds einzuführen, mit dem all jenen geholfen wird, die unter den immer höheren Heizkosten wirklich leiden.
Ich höre nun schon die Einwände von Herrn Nas und seiner CDU, der wieder sagen wird: Das geht nicht. Das ist nicht machbar. Das ist alles zu teuer. – Herr Nas, liebe CDU, ersparen Sie uns das Ganze, geben Sie einfach zu, Menschen mit weniger Geld sind Ihnen schlichtweg egal.
Für uns ist das keine Option, denn ein Heizkostenfonds ist nicht nur machbar, sondern notwendig. Die Stadt München hat gezeigt, wie es geht, und einen solchen Fonds eingeführt, der vielen Mieterinnen und Mietern geholfen hat, und zwar schnell und unbürokratisch.
Unser Vorschlag lautet: Jeder anspruchsberechtigte Haushalt bekommt 700 Euro bei alleinigem Wohnsitz, 300 Euro bei geteiltem Wohnsitz. Anspruchsberechtigt sind Haushalte mit einem Einkommen bis maximal WBS 180 und mit einem Vermögen von maximal 15 500 Euro pro Person. Die Antragstellung läuft über soziale Träger in den Bezirken.
Wie finanzieren wir das? Wir finanzieren das ganz einfach durch die Energiekostenrücklage. So geht Politik, die den Leuten wirklich hilft, ihre Sorgen in den Blick nimmt und im Alltag einen positiven Unterschied macht. Aber unser Engagement endet nicht beim Heizkostenfonds. Selbstverständlich wollen wir die Probleme an der Wurzel packen. Deswegen fordern wir auch – wir müssen darüber sprechen – öffentlich-rechtliche Preiskontrollen in der Fernwärme, Contracting verbieten, energetische Modernisierung so fördern, dass die Mieter am Ende
weniger zahlen und gleichzeitig weniger heizen müssen. Genau das müssen wir jetzt insbesondere bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen diskutieren. Wie kann es denn eigentlich sein, dass auch bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen doch so viele Contracting-Verträge laufen, wo wir wissen, dass da wirklich legaler Betrug am Werk ist? Das kann ehrlicherweise nicht sein.
Wir tun nicht nur so, als würden wir handeln, wir handeln tatsächlich. Wir haben als Linke eine Heizkostenapp entwickelt, mit der Mieter ihre Abrechnungen ganz einfach überprüfen können: also Foto machen, hochladen. Wir prüfen, ob der Betrag korrekt ist, und holen Mietern
das Geld vom Vermieter zurück. Schon jetzt haben wir eine ganze Reihe an Fällen aufgedeckt, und zwar auch zum Beispiel bei der landeseigenen WBM rund um die Karl-Marx-Allee. Dort haben wir systematische Fehler oder – sagen wir mal – Fehler bei der Heizkostenabrechnung entdeckt. Am Freitag findet nun dort eine von uns organisierte Mieterversammlung statt. Wir organisieren Widersprüche und helfen den Menschen, ihre Rechte einzufordern. Wir holen den Menschen das Geld zurück, das sie an ihre Vermieter, in diesem Fall an die WBM, abdrücken mussten. Wir reden nicht nur, wir handeln. So geht eben eine Politik, die den Menschen hilft, anstatt sie weiter im Regen stehen zu lassen. Deswegen fordere ich Sie auf: Wir brauchen solch einen Heizkostenfonds, damit wir die Leute, die tatsächlich hier im Regen stehen, endlich unterstützen können.
Danke schön!