Gesetz zur Änderung des Landesbeamtenversorgungsgesetz

44. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, 15. August 2019

Niklas Schrader (LINKE):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben es mit dem Vorschlag der CDU-Fraktion zu tun, die Anerkennung von Dienstunfällen bei Beamtinnen und Beamten zu erleichtern. Sie haben es ja bereits gesagt: Es geht Ihnen besonders um die Personengruppe der Schießtrainer und Vielschießer bei der Berliner Polizei, auch wenn die Regelung, die Sie vorschlagen, natürlich für alle Beamtinnen und Beamten gelten würde. Ich finde auch, es ist völlig legitim, für diese Personengruppe Lösungen zu finden, denn wir haben es ja wirklich mit vielen ernsthaften Erkrankungen zu tun, und trotzdem ist die Anerkennung von Dienstunfällen in diesen Fällen schwierig. Aber gerade bei diesem ernsten Thema müssen wir alle auch anerkennen, dass es keine einfachen Lösungen gibt. Das gilt leider auch für den Antrag, den Sie eingebracht haben.

Ich finde, wir müssen bei dem Thema als Abgeordnete hier ehrlich und selbstkritisch sein, selbstkritisch, weil lange nichts passiert ist. Es ist lange nichts passiert, um den Betroffenen zuzuhören und den Hilfebedarf anzuerkennen. Das hat viel zu lange gedauert, ehrlich, weil einerseits völlig klar ist, dass bei vielen Personen eine schwere Erkrankung vorliegt und eine Kontamination mit giftigen Stoffen stattgefunden hat. Auf der anderen Seite ist es in den konkreten Fällen in der Regel nicht wissenschaftlich nachweisbar, dass es einen kausalen Zusammenhang zwischen der Erkrankung und der Kontamination gibt. Deshalb gibt es den Entschädigungsfonds, den wir als Koalition eingerichtet haben. Dort ist die Frage der Kausalität ausgeklammert. Das war richtig. Man kann darüber reden, ob man das System und die Vergabepraxis dieses Fonds noch besser machen kann. Das kann man sich noch einmal en détail angucken. Aber auch die Anerkennung von Dienstunfällen erfordert den Nachweis des kausalen Zusammenhangs. Da haben wir also das gleiche Problem. Jetzt schlagen Sie vor, dass es bereits als Dienstunfall anerkannt werden kann, wenn eine Verletzung einer Vorschrift das Risiko zu erkranken erhöht hat. Bereits dann wird ein kausaler Zusammenhang vermutet. Ja, damit können wir wahrscheinlich in vielen Fällen bei den Schießtrainern und Vielschießern Dienstunfälle anerkennen. Aber daran, dass das eine taugliche Regelung für alle Beamtinnen und Beamten in der Zukunft ist, habe ich meine Zweifel. Würde da nicht schon der kleinste, einmalige Verstoß gegen eine Vorschrift ausreichen, um einen Anspruch entstehen zu lassen?

Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt:

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dregger?

Niklas Schrader (LINKE):

Ja, gerne!

Burkard Dregger (CDU):

Vielen Dank, Herr Kollege! Gehen Sie davon aus, dass die Anzahl der Verletzungen von Arbeitsschutzvorschriften und anderen Schutzvorschriften in einer Weise im öffentlichen Dienst stattfindet wie in diesem Extremfall der Schießständen, oder glauben Sie nicht mit mir, dass das hier ein extremer Ausnahmefall ist, der nicht die Regel ist, sodass die Konsequenzen für den Landeshaushalt und den Dienstherrn kalkulierbar sind und im Übrigen auch einen Anreiz geben, dafür Sorge zu tragen, dass Arbeitsschutzvorschriften eingehalten werden?

Niklas Schrader (LINKE):

Ja, Herr Dregger! Sie schlagen aber eine allgemeine Regel vor, um ein sehr spezielles Problem zu lösen. Das ist gerade das Schwierige daran. Wir müssen dann ja eine Regelung finden, die auch für die Zukunft und für den gesamten öffentlichen Dienst gilt. Da müssen wir schon gucken, dass wir die Waage zwischen den beantragten Dienstunfällen und den möglichen Gründen, die dagegen sprechen, halten. Deswegen finde ich, nachdem ich den Antrag gelesen habe, dass die Regelung etwas zu weit und zu offen gefasst ist. Es ist schwer zu fassen und einzugrenzen, was Sie gemeint haben. Das wollte ich mit meinen Fragen äußern. Ist nicht schon der einmalige Verstoß gegen eine Regel Grund genug, um einen Dienstunfall zu beanspruchen? Wenn Sie die Beweislast umkehren, ist das Problem auch nicht gelöst, weil der Gegenbeweis ebenso schwer zu führen ist wie der Beweis. In dem Antrag ist nicht relevant, wer gegen die Vorschrift verstößt. Auch das müsste man irgendwie noch in dem Gesetz klären. Es ist die Frage, ob man bei so komplexen, völlig unterschiedlichen Krankheitsbildern, wie die, die jetzt vorliegen, überhaupt bewerten kann, ob die Verletzung einer Vorschrift das Risiko einer Krankheit erhöht hat. Auch das ist eine schwierige Frage. All das sind Fragen, die wir noch einmal genau diskutieren müssen. Das können wir gerne auch im Innenausschuss machen, aber ich finde, Ihr Antrag wirft im Moment mehr Fragen auf, als er beantwortet. – Vielen Dank!