Kennzeichnungspflicht für Polizistinnen und Polizisten ist Normalität in Berlin

Innere SicherheitNiklas Schrader

38. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, 7. März 2019

Niklas Schrader (LINKE):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor vielen Jahren wurde in Berlin eine Grundsatzentscheidung darüber getroffen, was für eine Polizei wir in der Stadt haben wollen. Die wurde so getroffen, dass es eine transparent auftretende, eine bürgernahe und eine deeskalierend wirkende Polizei sein sollte. Und es sollte eben auch eine demokratisch kontrollierbare Polizei sein. Polizisten sollen als Menschen auftreten und nicht als anonyme Masse.

Das war die Haltung, aus der heraus die Kennzeichnungspflicht eingeführt worden ist. Das heißt, Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte tragen seitdem im täglichen Dienst entweder ein Namensschild oder eine Nummer oder im geschlossenen Einsatz ein Rückenkennzeichen. Also ist alles auch anonymisiert möglich.

Vor sieben Jahren war das vollständig umgesetzt, und seitdem ist das alltägliche Praxis in Berlin. Das ist völlige Normalität. Weil wir das damals auch mit angestoßen haben, ist das aus unserer Sicht natürlich auch gut und richtig. Interessanterweise, Herr Wansner, wurde diese Praxis dann auch weder von einem rot-schwarzen Senat noch von einem CDU-Innensenator oder von einem Polizeipräsidenten mit CDU-Parteibuch infrage gestellt, sondern im Zweifel sogar gegen Kritik verteidigt.

Da fragt man sich natürlich: Warum haben diese früher erbitterten Gegner der Kennzeichnungspflicht nie wieder die Abschaffung gefordert? – Ich kann Ihnen sagen warum: Weil alle Schreckensszenarien, die damals an die Wand geworfen wurden, nicht eingetreten sind. Nichts davon!

Ich habe auch schon viele Anfragen zu dem Thema gestellt. Ich habe mit Polizisten und Polizeigewerkschaften darüber gesprochen. Mir wurde immer wieder bestätigt: Es ist kein einziger Fall bekannt, in dem Dritte über die Kennzeichnung an die privaten Daten von Polizisten gelangt sind. Es ist auch kein einziger Fall bekannt, in dem Polizisten wegen der Kennzeichnung privat oder im Dienst angegriffen wurden. Die Behauptung, die Sie hier aufstellen – und die leider die CDU wiederholt –, die Kennzeichnungspflicht führe zu mehr Angriffen auf Polizeibeamte, ist falsch. Es ist eine Falschbehauptung, die Sie nicht belegen können.

Das ist auch der Grund, warum nach Berlin dann auch acht weitere Bundesländer dem Beispiel gefolgt sind.

Wenn Sie hier – zu Recht – Gewalt gegen Polizeibeamte beklagen, dann sage ich Ihnen: Wenn Sie wollen, dass die Polizei wieder als anonyme Masse auftritt, dann wird das das Verhältnis zwischen Bürgerinnen und Bürgern und der Polizei nicht verbessern.

Jetzt sage ich Ihnen noch etwas: Jede Richterin und jeder Richter, jede Staatsanwältin und jeder Staatsanwalt tritt offen mit seinem oder ihrem Namen auf. Und ich wage zu behaupten, die haben manchmal auch mit gefährlichen Personen zu tun. Kommt jetzt als Nächstes der Antrag, die sollten auch anonym auftreten? – Das glaube ich nicht. Hier agiert die Staatsgewalt transparent und offen, und anscheinend funktioniert es auch. Keiner stört sich daran.

Ja, es geht dabei auch um die demokratische Kontrolle. Sie nennen es Misstrauen. Ich nenne es Demokratie. Die Polizei übt nun einmal das staatliche Gewaltmonopol aus. Das bedeutet eben auch, dass, wenn diese Gewalt einmal zu Unrecht eingesetzt wird – das ist die Ausnahme und nicht die Regel –, das identifizierbar und sanktionierbar sein muss. Also: Misstrauen nein, Kontrolle ja.

Manchen muss man leider immer wieder erklären, dass demokratische Kontrolle etwas Gutes ist und dass sie dazu da ist, dass die Polizeiarbeit besser wird. Deswegen ist es der nächste logische Schritt, wenn wir unser Vorhaben in der rot-rot-grünen Koalition umsetzen, einen unabhängigen Polizeibeauftragten einzusetzen.

Ich habe mit Spannung erwartet, wie sich die CDU heute positioniert. Ich musste leider wenig überrascht zur Kenntnis nehmen, dass sie wieder einmal auf AfD-Linie eingeschwenkt ist.

Wie ich höre, wollen Sie die AfD sogar noch rechts überholen, Herr Wansner. Deswegen wollte ich ein Zitat hier zum Schluss anbringen – mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin –:

Zu einer bürgernahen und bürgerorientierten Polizei gehört insbesondere die Möglichkeit, den einzelnen Polizeivollzugsbeamten im täglichen Dienstgeschehen persönlich anzusprechen. Dies ist Ausdruck einer selbstbewussten Polizei.

Und dann weiter:

Namentliche Kennzeichnung und Legitimationspflicht können dabei das Vertrauen durch Transparenz und Bürgernähe erhalten und stärken.

Jetzt raten Sie mal, woher das kommt, Herr Wansner! – Das wissen Sie wahrscheinlich nicht. Das ist ein Gesetzentwurf der CDU aus dem Brandenburger Landtag zur Einführung einer Kennzeichnungspflicht aus dem Jahr 2010.

Rufen Sie mal an bei den Kollegen dort! Die haben es verstanden, und Sie nicht. – Vielen Dank!