Senat hat Bekämpfung von organisierter Kriminalität zur Priorität gemacht

41. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, 9. Mai 2019

Niklas Schrader (LINKE):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Organisierte Kriminalität ist ja gerade ein großes Thema in der stadtgesellschaftlichen und medialen Debatte. Warum ist das eigentlich so? Das Thema ist ja nun nicht gerade neu. Das gibt es ja seit vielen Jahren. Aber was jetzt neu ist, kann ich Ihnen sagen: Es gibt seit zweieinhalb Jahren einen Senat, der sich des Themas ernsthaft angenommen und es zur Priorität gemacht hat.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und
den GRÜNEN –
Karsten Woldeit (AfD): Ach!]

Und dazu gehören ein deutlich verstärkter Personaleinsatz bei der Polizei, bei der Staatsanwaltschaft, täterorientierte Maßnahmen, das Projekt Staatsanwaltschaft vor Ort, das mittlerweile berlinweit angewandt wird, niedrigschwelliges Einschreiten, das Verfolgen auch kleinerer Delikte, eine bessere Vernetzung zwischen den verschiedenen Behörden, nicht zuletzt deutlich ausgeweitete Finanzermittlungen und erstmals auch das Instrument der Vermögensabschöpfung. Das ist ja schon genannt worden.

[Beifall von Sebastian Schlüsselburg (LINKE)]

Es wurde erst jetzt damit angefangen, Vermögen wie Immobilien, Mieteinnahmen aus kriminellen Machenschaften zu beschlagnahmen. Die Auswirkungen dieser verstärkten Aktivitäten sind jetzt sichtbar, und das ist auch gut, weil die Szene in Unruhe versetzt wird. Natürlich sind wir da erst am Anfang. Das ist völlig klar, über Jahre gewachsene Strukturen können nicht von heute auf morgen verschwinden, wenn man sie bekämpft. Aber ich glaube, nicht nur ich habe den Eindruck, dass hier endlich mal ein Anfang gemacht wurde, nachdem viele Jahre lang nichts passiert ist.

Jetzt kommt die CDU mit ihrem Vorschlag Hinweisgebersystem. Ich finde, darüber kann man reden. Zeugen auf diesem Gebiet sind rar, das wissen wir alle. Vielleicht wird es Einzelne geben, die über ein anonymes System Hinweise geben, also ein durchaus konstruktiver Diskussionsbeitrag, Herr Dregger, aber ein bisschen hat das schon was vom Springen auf den fahrenden Zug, liebe CDU-Fraktion! Ich möchte bei all dem nötigen Eifer bei der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität aber auch noch ganz dringend darauf hinweisen, dass wir bei allen Instrumenten die rechtsstaatlichen Regeln waren müssen.

[Beifall von Marcel Luthe (FDP)]

Ich sage das, weil auch in dem vorliegenden Antrag wiederholt der Begriff der kriminellen Clans verwendet wird. Ich finde den Begriff falsch.

[Karsten Woldeit (AfD): BKA-Gesetz!]

Ich sage Ihnen auch, warum. Auch die Berliner Polizei verwendet diesen Begriff ganz bewusst nicht.

[Karsten Woldeit (AfD): Das BKA aber schon!]

Das ist richtig, weil komplette Familien damit als kriminell bezeichnet werden und damit auch alle Personen, die einen bestimmten Namen tragen. Sie verwenden diesen Begriff, Herr Dregger, in Ihrem Antrag. Das finde ich falsch. Das ist stigmatisierend. Und Sie wollen in Ihrem Antrag ja auch selbst, dass nicht kriminelle Mitglieder bestimmter Familien mit der Polizei zusammenarbeiten. Da ist es doch vollkommen kontraproduktiv und widersprüchlich, wenn Sie mit diesem Duktus komplette Familien als kriminell bezeichnen und über einen Kamm scheren.

[Beifall bei der LINKEN]

Noch mal zurück zum Hinweisgebersystem: Es gibt da bisher, sage ich mal, unterschiedliche Erfahrungen. Das Hinweisgebersystem zur Korruptionsbekämpfung funktioniert gut. Bei der anonymen Hotline vom Berliner Verfassungsschutz zum Islamismus melden sich nicht ganz so viele Leute, war zu hören. Und dann gibt es da noch, das will ich Ihnen auch nicht vorenthalten, eine anonyme Hotline vom Bundesamt für Verfassungsschutz zum Thema Linksextremismus. Da haben sich über all die Jahre nur ein paar Leute gemeldet, die meisten davon nur aus Quatsch. Also man muss ganz genau prüfen, ob es für so eine Plattform eine Zielgruppe gibt und ob diese Zielgruppe dann auch diese Plattform nutzen wird. Aber wie gesagt, das können wir gerne gemeinsam diskutieren.

[Zuruf von Cornelia Seibeld (CDU)]

Weil ich noch Zeit habe, ein kleiner Exkurs in die Vergangenheit zu dem Thema, das auch Herr Dregger angesprochen hat: Dass es dieses Hinweisgebersystem zur Korruptionsbekämpfung überhaupt gibt, das ist ja auf einen Beschluss des Abgeordnetenhauses von 2010 zurückzuführen. Das war unter Rot-Rot.

[Zuruf von der FDP]

Dann kam der Regierungswechsel zu Rot-Schwarz. Und dann ist erst mal vier Jahre lang nichts passiert. Wenn Sie dieses Stichwort in die Parlamentsdokumentation eingeben, dann kommt eine ganze Latte von Anfragen, wo gefragt wird: Wann kommt das denn jetzt? Warum dauert das so lange? Was soll das? Warum passiert hier nichts? – Es hat vier Jahre gedauert, und insgesamt waren es dann fünf Jahre, 2015 wurde dieses System eingeführt, weil es der Schlafwagensenator Henkel und sein Kollege Heilmann wirklich so richtig verschleppt haben. Da kann ich nur sagen, ich bin froh, dass Sie jetzt hier nicht regieren,

[Zuruf von Burkard Dregger (CDU)]

sonst könnten wir hier noch so schöne Beschlüsse fassen, dann würde nichts passieren.

[Burkard Dregger (CDU):
Sie haben gar nichts gemacht!]

In diesem Sinne vielen Dank!