Rot-Rot-Grüne Koalition modernisiert das ASOG

Aus dem AbgeordnetenhausInnere SicherheitNiklas Schrader

Gemeinsame Pressemitteilung der SPD-Fraktion, der Fraktion DIE LINKE und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus

Die innenpolitischen Sprecher Frank Zimmermann (SPD-Fraktion), Niklas Schrader (Fraktion DIE LINKE) und Benedikt Lux (Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen) erklären:

Nach sorgfältiger Beratung legen die Koalitionsfraktionen ihren Gesetzentwurf zur Modernisierung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) vor.
Mit der Novelle werden einige Befugnisse zur Abwehr terroristischer Straftaten oder ähnlich schwerer Verbrechen neu in das Gesetz aufgenommen. Begleitend dazu erhalten wichtige Vorfeldmaßnahmen gegen Gefährder eigene Rechtsgrundlagen. Wir reagieren damit auf die Gefahrenlagen der vergangenen Jahre. Dazu gehört insbesondere auch ein verbesserter Opferschutz.
Der Entwurf stärkt die Rechte der Bürgerinnen und Bürger und erhöht die Transparenz polizeilichen Handelns. So wird der Unterbindungsgewahrsam auf maximal 48 Stunden verkürzt, der Schutz zeugnisverweigerungsberechtigter Personen und BerufsgeheimnisträgerInnen wird verbessert. Die Veröffentlichung kriminalitätsbelasteter Orte, an denen ohne Verdacht kontrolliert wird, ist nun im Gesetz geregelt; auch die individuelle Kennzeichnung. Der Einsatz von Vertrauenspersonen und verdeckten Ermittlern muss vom Gericht angeordnet werden.
Schließlich wird erstmalig eine Standardbefugnis zur Regelung für die Umsetzung von Fahrzeugen geschaffen, um mehr Schutz vor rechtswidrig abgestellten Fahrzeugen zu gewährleisten.

Frank Zimmermann (SPD-Fraktion): „Dieser Entwurf ist ausgewogen und hält die notwendige Balance zwischen polizeilichen Interessen und individuellen Grundrechten. Die Polizei erhält wichtige zusätzliche Befugnisse zur Terrorbekämpfung wie die Telekommunikationsüberwachung zur Gefahrenabwehr oder die Standortabfrage bei den TK-Unternehmen. Und wir freuen uns, dass wir nun den Beamtinnen und Beamten mit den Bodycams ein wirksames Instrument zur Eigensicherung an die Hand geben können.“

Niklas Schrader (Linksfraktion): „Ich hoffe, dass dieses Gesetz auch Strahlkraft über Berlin hinaus entfalten wird. Eine Reform des Polizeigesetzes geht auch ohne sicherheitspolitische Symbolpolitik auf Kosten der Grundrechte. Die Polizei bekommt in einigen Punkten mehr Rechtsklarheit. Progressive Innenpolitik bedeutet aber auch, polizeiliche Befugnisse auf den Prüfstand zu stellen und die Freiheitsrechte wo immer möglich zu stärken.“

Benedikt Lux (Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen): „Die rot-rot-grüne Koalition legt  eine echte Alternative zu den Polizeigesetzen anderer Bundesländer vor. Dort gab es einseitig massive Verschärfungen zu Lasten der Bürger*innenrechte, gegen die Hunderttausende protestiert haben. Uns ist dagegen ein ausgewogener Entwurf gelungen, der sowohl die Grund- und Freiheitsrechte, Opferschutz und Transparenz stärkt, als auch polizeiliche Befugnisse gezielt verbessert.“

Den Antrag der Koalition zur Novellierung des ASOG finden Sie hier: https://www.parlament-berlin.de/ados/18/IIIPlen/vorgang/d18-2787.pdf

Die wichtigsten Neuerungen im Einzelnen:

1.
Telefonüberwachung zur Gefahrenabwehr § 25 a
Eingriffsbefugnis zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder wenn „Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass innerhalb eines übersehbaren Zeitraums eine terroristische Straftat“ begangen wird. Die Befugnis zur TKÜ entspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Wenn zur Vorbereitung der TKÜ erforderlich, ist auch eine Bestandsdatenauskunft oder der Einsatz des Imsi-Catchers möglich. Anordnung nur durch die Polizeipräsidentin oder ihre Vertretung im Amt. Die Maßnahme unterliegt dem Richtervorbehalt. Die Praxis der TK-Überwachung soll nach drei Jahren wissenschaftlich evaluiert werden, die Regelung tritt nach vier Jahren außer Kraft.

2.
Standortabfrage zu Telekommunikations-Endgeräten § 25 b
Rechtsgrundlage für die Standortabfrage  bei den TK-Unternehmen unter den Voraussetzungen des § 25 a Abs. 1.

3.
Einführung von Bodycams § 24 c
Zum besseren Schutz von Polizeivollzugskräften, Feuerwehr, Rettungsdiensten und Dritten soll in Berlin der Einsatz von Bodycams ermöglicht werden. Dazu schaffen wir eine Rechtsgrundlage für die Bild- und Tonaufnahmen  einschließlich präziser Regeln für die Datenverarbeitung. Auch Betroffene von Polizeimaßnahmen können die Aufzeichnung verlangen und auf die Daten zugreifen. Die Praxis mit diesem Instrument soll spätestens nach zwei Jahren evaluiert werden. Die Regelung tritt nach drei Jahren außer Kraft.

4.
Besserer Schutz von Berufsgeheimnisträger*innen § 18 a
Zeugnisverweigerungsberechtigte Personen werden klar vor Eingriffen durch Datenerhebung und -auswertung geschützt.

5.
Gefährderansprache; Gefährderanschreiben § 18 b
Neue Spezialnorm zur Regelung der bisherigen Praxis für Hinweise an Gefährder, dass sie polizeibekannt sind und mit gefahrenabwehrenden Maßnahmen rechnen müssen.

6.
Sicherheitsgespräch § 41 b
Neue Spezialnorm zur Regelung der bisherigen Praxis der Information eines möglichen Opfers einer drohenden Straftat.

7.
Operativer Opferschutz § 41 a
Neue Regelung zum Schutz gefährdeter Personen durch geänderte Identität.

8.
Meldeauflage § 29 f
Spezielle Befugnis zur Regelung der bisherigen Praxis der Erteilung von Auflagen gegenüber potenziellen Straftätern.

9.
Umsetzung und Sicherstellung verkehrswidrig abgestellter Fahrzeuge § 37 a
Befugnisnorm für die Polizei und die Ordnungsbehörden selbst oder Beauftragte.

10.
Eilzuständigkeit für den Zoll nach Landesrecht § 8 Abs. 3           
Wir erfüllen eine alte Forderung der Bundesbehörde zur Schließung einer Zuständigkeitslücke. Künftig erhält der Zoll eine eigene Eilzuständigkeit nach Landesrecht.

11.
Streichung des Tatbestandsmerkmals „Verstoß gegen aufenthaltsrechtliche Strafvorschriften“ bei Identitätsfeststellung an KBO in § 21 Abs. 2 Nr. 1 a bb und beim
Betreten und Durchsuchen von Wohnungen in § 36 Abs. 4 Nr. 1 b.
Es kann auf verdachtsunabhängige Identitätsfeststellungen in diesem Zusammenhang verzichtet werden.

12.
Streichung des Tatbestandsmerkmals „Prostitution“ bei Identitätsfeststellung in § 21 Abs. 2 Nr. 1 b und beim Betreten und Durchsuchen von Wohnungen in § 36 Abs. 4 Nr. 2. Stattdessen Aufnahme der Tatbestände „Ausbeutung von Prostituierten“ (§ 180 a StGB), „Zuhälterei“ (§ 181 a StGB) und „Sexueller Missbrauch von Jugendlichen“ (§ 182 Abs. 1 und 2) in den Katalog der Straftaten von erheblicher Bedeutung nach § 17 Abs. 3.
Es kann auf verdachtsunabhängige Kontrollen allein im Zusammenhang mit Prostitution verzichtet werden. Menschenhandel (§ 232 StGB) und Zwangsprostitution (§ 232 a StGB) sind bereits über den Katalog des § 100 a StPO in Nr. 1 erfasst.
Damit kann die oftmals festzustellende Begleitkriminalität der Prostitution über den erweiterten Begriff der Straftaten von erheblicher Bedeutung verfolgt werden, ohne dass die Prostitution als solche bereits inkriminiert wird.

13.
Veröffentlichung der von der Polizei eingestuften kriminalitätsbelasteten Orte („Umschreibung“) und Unterrichtung des Abgeordnetenhauses § 21 Abs. 4.
Hiermit wird dem Interesse an Transparenz und Überprüfbarkeit im Umgang mit KBOs Rechnung getragen.

14.
Voraussetzungen des Betretens und Durchsuchens von Wohnungen wegen Emissionen nach dem Vorbild Bremens (Streichung des Merkmals „Erhebliche Belästigung der Nachbarschaft“) § 36 Abs. 1 Nr. 2
Nach der bereits praktizierten verfassungskonformen Auslegung der Vorschrift in ihrer gegenwärtigen Fassung darf eine Wohnung nur dann betreten werden, wenn die Lärmbelästigung auch eine Gesundheitsgefährdung gemäß Art. 13 Abs. 7 des Grundgesetzes darstellt. Ausschließlich belästigende Emissionen rechtfertigen den Grundrechtseingriff des Betretens und Durchsuchens von Wohnungen nicht. Dies wird nun im Gesetz klargestellt.

15.
Einsatz von V-Personen nur durch PolPräs und mit Richtervorbehalt § 26 Abs. 4
V-Personen-Einsätze werden – wie bisher schon die verdeckten Ermittler - künftig durch die Polizeipräsidentin angeordnet und aus verfassungsrechtlichen Gründen dem Richtervorbehalt unterstellt.

16.
Verkürzung des Unterbindungsgewahrsams auf max. 48 Stunden § 33 Abs.1 Nr. 3
Die Ingewahrsamnahme auf Verdacht wird aus Gründen des Grundrechtsschutzes von vier Tagen auf höchstens 48 Stunden begrenzt.

17.
Bessere Berücksichtigung der Belange trans- und intergeschlechtlicher Menschen bei Durchsuchungen durch Wahlrecht bei berechtigtem Interesse § 34 Abs. 4
Dem Wunsch von Durchsuchungen betroffener Personen, die Durchsuchung von einer Person bestimmten Geschlechts durchführen zu lassen, soll entsprochen werden,

18.
Legitimations- und Kennzeichnungspflicht für Beamte und Beamtinnen im Polizeivollzug § 5 a
Neue gesetzliche Regelung statt wie bisher durch Dienstanweisung. Dies ist erforderlich geworden wegen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes. Eine Änderung der gegenwärtigen Praxis ist damit nicht verbunden.

19.
Übernahme der Kosten der Rechtsverfolgung für Polizeibeamte bei Schusswaffengebrauch im Wege der Nothilfe (StGB) § 9 Abs. 4 UZwG
Klare Fürsorgeregelung zur Übernahme der Verfahrenskosten bei Schusswaffengebrauch im Falle einer Notwehr- oder Nothilfelage.