Quelle: rbb-online.de

Bericht der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit für das Jahr 2018

Daten- und VerbraucherschutzSebastian Schlüsselburg

64. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, 1. Oktober 2020

Zu "Stellungnahme des Senats zum Bericht der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit für das Jahr 2018"

Sebastian Schlüsselburg (LINKE):

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Smoltczyk! In der Psychologie sagt man, dass man positiv gekleidete Ich-Botschaften versenden soll, deswegen will ich es an der Stelle so formulieren: Ich freue mich, dass der Senat bis eben zumindest durch den Stadtentwicklungssenator und jetzt durch den Innensenator hier vertreten ist. Es liegt in der Natur der Sache, dass der Bericht retrograd ist. Wir reden hier vor allem über den bunten Strauß an datenschutzrechtlichen Themen, die im Jahr 2018 stattgefunden haben.

Erlauben Sie mir aber auch, für meine Fraktion an dieser Stelle noch mal Danke zu sagen, Frau Smoltczyk! Dank Ihnen und Ihrer Behörde – Sie haben vor dem Hinter-grund eines enorm gewachsenen Workloads auch für die Koordination internationaler Fälle aufgrund der DSGVO und der Hauptstadtfunktion Berlins viel zu tun. Ihre tägliche Arbeit ist im Zeitalter der Digitalisierung unverzichtbar!

Wir haben in den von Ihnen monierten Punkten ein paar, auf die ich gerne an dieser Stelle im Plenum eingehen möchte. Wir haben eine Never ending Story im Bereich des mangelnden Datenschutzes bei den Polizeibehörden. In dem konkreten Bericht geht es um die Drohbriefe, die mit Daten aus polizeilichen Datenbanken entstanden sind und an Menschen aus der „linken Szene“ versendet wurden. Das ist leider immer noch ein sehr aktuelles Thema, wie die Vorgänge um den sogenannten NSU 2.0 jüngst gezeigt haben.

So lange Anne Helm, Janine Wissler oder sonst irgendjemand Drohungen aufgrund der illegalen Verwendung von polizeilichen Daten erhalten, dürfen wir keine Ruhe geben, bis der Datenschutz durchgesetzt ist und rechtsextreme Strukturen in der Polizei aufgedeckt und konsequent der Strafverfolgung zugeführt werden.

Wir haben das weitere Never-ending-Story-Problem der Verarbeitung personengebundener Hinweise in polizeilichen Datenbanken. Parlamentarische Anfragen haben jüngst wieder gezeigt, dass Mitarbeitende der Berliner Polizei mehr als 100 Datenbanken des Landes und des Bundes haben, auf die sie zugreifen können. Es existieren 49 verschiedene personengebundene Hinweise und allein 30 000 Einträge in zehn Jahren beim Merkmal der Betäubungsmittelkonsumentin oder des Betäubungsmittelkonsumenten. Ich vermute, hier wird vor allem eine Kifferdatenbank geführt und jedenfalls auch eine Kriminalisierung von Menschen vorgenommen, die im Rahmen der zulässigen Eigenbedarfsmenge Cannabis konsumieren. – Das ist ein Beispiel, an dem man illustrieren kann und sollte, dass wir hier möglicherweise ein Problem haben: dass es einerseits einen gesetzgeberischen Kompromiss gibt, aber andererseits immer noch zu einer massenhaften, datengestützten Kriminalisierung von Menschen kommt.

Ich bin der Auffassung, dass wir hier inzwischen ein zu großes Ausmaß haben und wir mit Unterstützung der Datenschutzbeauftragten gucken müssen, die nicht erforderlichen Datenbanken im Polizeibereich zu löschen. Ferner sollten wir dafür sorgen, dass die Zugangsbeschränkungen und die Zugriffe kontrolliert werden. Es kann nicht sein, dass es immer wieder dazu kommt, dass sich Beamte in POLIKS einloggen und dann einem anderen Kollegen aus unterschiedlichen Gründen erlauben, unter dieser Kennung zu recherchieren oder zu arbeiten. So kann niemand mehr nachvollziehen, wer wann was erfragt oder eingetragen hat. Das ist dann ein Datenschutzproblem, im Zweifel aber auch ein Problem für die Dienstaufsicht, für die Gerichte und, ja, auch für die parlamentarische Kontrolle, weil uns das Journal in POLIKS dann überhaupt nichts mehr bringt, wenn es darum geht, das Handeln nachvollziehbar zu machen.

Einen weiteren Punkt will ich ansprechen: Sie haben sich ja auch dem Pilotprojekt der sogenannten intelligenten Videoüberwachung am Bahnhof Südkreuz gewidmet. Vielen Dank dafür! – Das ist ein sehr erheblicher Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Wir als Linke haben das Projekt stets abgelehnt, auch weil wir finden, dass die Grundannahme falsch ist. Im Kern geht es darum, dass wir mehr echte – also nicht nur gefühlte – Sicherheit dadurch erreichen, dass wir vor allem für mehr Personal sorgen. Denn im Zweifelsfall kommt die Kamera nicht vom Mast herunter und hilft jemandem, der möglicherweise Opfer einer Straftat zu werden droht. Für die Verfolgung ist es sicherlich ein Thema, über das wir reden können, aber ich glaube, wir sind uns alle einig, dass es zuallererst darum gehen muss, dass es gar nicht erst zu schädigenden Ereignissen kommt.

Wenn wir dann festgestellt haben, dass bei diesem Pilotprojekt zwischen 80 000 und 100 000 Personen zu Unrecht biometrisch erfasst wurden und diese Technik sehr fehleranfällig ist, dann habe ich doch erhebliche Zweifel, ob dieses Projekt unter den derzeitigen technischen Bedingungen tatsächlich zu mehr Sicherheit führt; auf jeden Fall führt es zu mehr Unsicherheit bei der Frage des Datenschutzes. Vor dem Hintergrund der aktuellen Hygienebestimmungen ist es sowieso eine sinnfreie Veranstaltung. Ich glaube, hier sollten wir dringend weiter nachgucken.

Zu den anderen Themen kommen wir heute noch in der Tagesordnung. Deswegen will ich an dieser Stelle schließen und freue mich dann auch auf die Beratung des Datenschutzberichts 2019 und später 2020, weil ich glaube, dass wir gerade unter den Pandemiebedingungen ganz genau hingucken müssen, was im Bereich des Datenschutzes passiert oder nicht passiert ist. – Vielen Dank!