Parlamentarischer Ehrenrat zur Überprüfung auf Stasi-Tätigkeit

Steffen Zillich

Die Auseinandersetzung mit der Geschichte der DDR ist für uns als Partei, aber auch für das Haus und die Stadt eine absolut notwendige Sache. Es ist eine schmerzhafte Geschichte.

Rede als Video

Aus dem Vorab-Wortprotokoll

7. Sitzung, 9. März 2017

lfd. Nr. 18:

a)   Schlussfolgerungen aus dem DDR‑Unrecht ziehen

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung, Digitale Verwaltung, Datenschutz, Informationsfreiheit und zur Umsetzung von Artikel 13 Abs. 6 GG sowie § 25 Abs. 10 ASOG vom 13. Februar 2017
Drucksache 18/0156

zum Antrag der Fraktion der CDU
Drucksache 18/0054

b)   Einsetzung eines parlamentarischen Ehrenrates

Dringliche Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Geschäftsordnung, Verbraucherschutz, Antidiskriminierung vom 8. März 2017
Drucksache 18/0202

zum Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Drucksache 18/0091

c)   Überprüfung von Mitgliedern der Landesregierung und des Abgeordnetenhauses von Berlin auf eine Mitarbeit im ehemaligen Ministerium für Staatsicherheit der DDR (MfS)

Dringliche Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Geschäftsordnung, Verbraucherschutz, Antidiskriminierung vom 8. März 2017
Drucksache 18/0203

zum Antrag der Fraktion der FDP
Drucksache 18/0098

 

Steffen Zillich (LINKE):

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Auseinandersetzung mit der Geschichte der DDR ist für uns als Partei, aber auch für das Haus und die Stadt eine absolut notwendige Sache. Es ist eine schmerzhafte Geschichte. Es ist eine Geschichte, die nicht frei von Missverständnissen ist. Sie ist sicherlich nicht so digital, wie es zum Teil hier deutlich gemacht worden ist. Man muss immer wieder feststellen, dass diese Auseinandersetzung offensichtlich nicht ohne zum Teil plumpe parteipolitische Instrumentalisierung auskommt.

[Beifall bei der LINKEN]

Herr Kollege Rissmann! Die Tatsache, dass Sie in Ihrer Argumentation nicht ohne bewusste Falschdarstellungen ausgekommen sind, zeigt, dass Sie das an dieser Stelle gemacht haben. Ich sage es noch einmal: Andrej Holm war kein Stasi-Offizier. Es ist nicht zutreffend, dass Andrej Holm mit seiner Stasi-Geschichte niemals die Chance hätte, im öffentlichen Dienst in Berlin eingestellt zu werden. Diese Behauptung ist nicht nur umstritten, sondern es gibt ganz viele – u. a. auch die Richtlinien, die das selbst betreffen –, die das bestreiten, und das, was Sie an Entscheidungen des Bundesgerichtshofs genannt haben, ist durch andere Urteile des Bundesgerichtshofs widerlegt. Insofern benutzen Sie hier bewusst Falschdarstellungen, um in diese Debatte einzusteigen. Das ist schlecht, aber es wird uns nicht davon abhalten, diese Debatte zu führen.

[Beifall bei der LINKEN]

Mit der Einrichtung des Ehrenrats folgen wir einer Berliner Tradition, die jetzt umstandslos als schlecht, als Feigenblatt und sonst was bezeichnet wird. Das halte ich angesichts der Geschichte, die wir mit der Einsetzung von Ehrenräten und der breiten Zustimmung dafür haben, für schwierig. Es ist richtig, die Abgeordneten auf eine inoffizielle oder hauptamtliche Mitarbeit beim MfS zu überprüfen. Es ist wegen der besonderen Stellung des Ministeriums für Staatssicherheit im Repressionsapparat der DDR richtig. Es ist aber auch richtig, weil Wählerinnen und Wähler einen Anspruch darauf haben können, diejenigen, die sich zur Wahl stellen, und ihre politische Biografie zu kennen und zu wissen, in welchen Verstrickungen sie sind. Dazu passt Konspiration nie. Deswegen ist es richtig, an dieser Stelle zu dekonspirieren und eine Überprüfung stattfinden zu lassen. Das haben wir in dieser Form auch immer mitgetragen.

[Beifall bei der LINKEN]

Natürlich geht es dann darum, zu bewerten und politisch zu diskutieren, und nicht um einen Automatismus des Mandatsverzichts in diesem Haus. Das, was sächsische oder thüringische Rechtslage ist, hat, glaube, ich, noch nie jemand beantragt – ich denke, auch zu recht, denn wir sind der Auffassung, dass so etwas der Verfassung widersprechen würde. Wir beschließen außerdem, die Praxis fortzuführen, dass auch die Mitglieder der Regierung und die Staatssekretär auf MfS-Vergangenheit überprüft werden. Wir beschließen, dass die Ergebnisse dieser Überprüfung dem Präsidium dieses Hauses und den Fraktionsvorsitzenden übermittelt werden sollen, wiederum um sie bewerten und darüber diskutieren zu können. Eine öffentliche Debatte ist meines Erachtens das Richtige, das an dieser Stelle angesagt wäre, weil es einer politischen Bewertung bedarf und der Debatte darüber. Aber das ist nur ein Teil dessen, was wir an Geschichtspolitik in der Auseinandersetzung mit der DDR betreiben müssen.

Es ist schon von meinen Vorrednern angedeutet worden: Es wird darum gehen, wie wir die Rehabilitationsbedingungen, die Sozialleistungen für Opfer der DDR verbessern können. Es wird darum gehen, wie wir so etwas wie einen Sachstand der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit hier diskutabel machen, denn eines hat die Debatte um Andrej Holm nun wirklich gezeigt: Es gibt kaum einen Bereich, der so übersät ist von bewussten und tradierten Missverständnissen.

[Zuruf von der AfD: Das ist zynisch!]

– Dass Sie das lustig finden, ist Ihre Sache. – Es gibt kaum einen Bereich, der immer noch Gesellschaft und Menschen in dieser Stadt bei der Bewertung und beim Umgang damit spaltet, und deswegen halten wir diese Debatte für notwendig. Man muss auch eine Bilanz ziehen, was hier seit einigen Jahren stattgefunden hat.

Unserer Ansicht nach hat die Behörde des Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes hier weiterhin eine wichtige Rolle. Wir werden ihre Aufgabe verlängern, und wir werden vor allen Dingen – das scheint mir wichtiger denn je – die Dinge stärken, die die authentischen Zeugnisse der DDR-Opposition in der Debatte und in der Erinnerung wachhalten, auch gegen mannigfaltige politische Instrumentalisierungen.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]