Rehabilitierung und Ausgleich für DDR-Unrecht

Auseinandersetzung mit der Geschichte ist nicht nur eine Aufgabe für Sonntagsreden, sie ist auch nicht nur eine Aufgabe, wo die Geschichte als Folie für tagespolitische Auseinandersetzungen genommen und vor allerlei parteipolitische Karren gespannt wird, sondern hier geht es auch um geschichtspolitisches Tun.

Rede als Video

Aus dem Wortprotokoll

9. Sitzung, 6. April 2017

lfd. Nr. 3.4:

Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Tagesordnungspunkt 25

Rehabilitierung und Ausgleich für in der DDR erlittene Verfolgung und Benachteiligung

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Die Linke, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der FDP
Drucksache 18/0248 Neu

in Verbindung mit

lfd. Nr. 9:

Respekt des Landes Berlin für die Regimeopfer der ehemaligen DDR

Dringliche Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 29. März 2017
Drucksache 18/0258

zum Antrag der Fraktion der CDU
Drucksache 18/0058

in Verbindung mit

lfd. Nr. 24:

Berlin bereitet sich auf „30 Jahre friedliche Revolution“ vor

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU, der Fraktion Die Linke, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der FDP
Drucksache 18/0247 Neu

 

Steffen Zillich (LINKE):

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Auseinandersetzung mit der Geschichte ist nicht nur eine Aufgabe für Sonntagsreden, sie ist auch nicht nur eine Aufgabe, wo die Geschichte als Folie für tagespolitische Auseinandersetzungen genommen und vor allerlei parteipolitische Karren gespannt wird, sondern hier geht es auch um geschichtspolitisches Tun. Das ist Gegenstand dieser Anträge, und deswegen bin ich froh, dass wir heute einen verabschieden und zwei einbringen können.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Worum geht es dabei im Einzelnen? Es geht zum einen darum, die Situation der Opfer in den Blick zu nehmen, Ausgleich und Anerkennung für ihre Situation, für erlittenes Unrecht zu leisten. Dabei geht es einerseits um eine Debatte um ein Anliegen, das die CDU hier ins Parlament eingebracht hat, das aber nicht neu war, das in diesem Parlament schon eine Tradition über mehrere Jahre hat, von verschiedenen Antragstellerinnen; ich glaube, auch Bündnis 90/Die Grünen hatten ein ähnliches Anliegen in der letzten Wahlperiode eingebracht, wo es darum geht, durch die Gewährung konkreter Erleichterungen bei der Teilhabe am öffentlichen Leben nicht nur eine Einkommensarmut auszugleichen, sondern auch Anerkennung zu gewähren. Deswegen gehen wir hier den Weg der Gewährung des Berlin-Passes, der als Modell vorliegt. Wir fordern darüber hinaus den Senat auf zu prüfen, inwieweit weitere Opfergruppen in den Genuss dieser Leistungen kommen können.

Zum Zweiten geht es darum, dass wir Bundesratsinitiativen unternehmen wollen und den Senat dazu auffordern zu überprüfen, inwieweit die verschiedenen Instrumentarien der Opferentschädigung und des Ausgleichs nicht überarbeitet werden müssen. Das betrifft einerseits Dinge wie Anpassung der Leistungen an die Inflation, das betrifft Dinge wie Erleichterung des Nachweises der Anspruchsberechtigung, und es geht auch darum – das ist ausführlich dargestellt worden –, dass die Befristungen der Anspruchsberechtigungen aufgehoben werden sollen. Das sind wichtige Signale, die wir hier gemeinsam setzen. Das ist eine Initiative der Koalition. Dass FDP und CDU mit raufgegangen sind, ist ein guter Beleg dafür, dass dieses Anliegen hier breit getragen wird. Beim dritten Antrag geht es darum, dass wir den Senat auffordern, sich vorzubereiten auf den 30. Jahrestag der friedlichen Revolution in der DDR, der 2019 ansteht. Hier geht es um konkretes geschichtspolitisches Agieren. Hier geht es darum, Erinnerungen wachzuhalten. Hier geht es darum, wie Kollege Otto richtig gesagt hat, auch zu betrachten: Welche Erinnerungskultur pflegen wir denn, und inwieweit wollen wir sie vielleicht verändern, weiterentwickeln?

Aber es geht eben auch darum – das ist uns besonders wichtig –, die Erinnerung an die konkrete Zeit, an die politisch Aktiven wachzuhalten. Gerade angesichts mannigfaltiger tagespolitischer Überformung dieser Erinnerung geht es uns darum, authentische Zeugnisse dieser Auseinandersetzung, authentische Zeugnisse der DDR-Opposition wachzuhalten. Es geht darum, die Impulse, die in dieser friedlichen Revolution deutlich geworden sind, die Impulse an Mut, an Kreativität, an Demokratisierungswillen, an Selbstermächtigung, die Erfahrungen von Selbstermächtigung und von Befreiung, die damit einhergehen, wachzuhalten als eine wichtige politische Erfahrung für ein demokratisches Gemeinwesen. Deswegen, glaube ich, ist es wichtig, dass dieser Tag, dass dieses 30-jährige Jubiläum der friedlichen Revolution wachgehalten wird. Ich sage es ganz deutlich: Der Mauerfall ist ein ganz wichtiger Teil darin und ein wichtiges Ergebnis dessen. Aber diese friedliche Revolution zu reduzieren auf den Mauerfall, ist etwas, was ihr nicht gerecht wird. Deswegen müssen wir uns sehr gut darauf vorbereiten, und der Senat hat diesen Auftrag.

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei der SPD und den Grünen]