Einundzwanzigstes Gesetz zur Änderung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes

Hakan Taş

Eine Wiedereinführung der Schleierfahndung würde die Bundeshauptstadt um 18 Jahre zurückwerfen. Das können und dürfen wir in Berlin nicht zulassen!

Aus dem Vorab-Wortprotokoll

5. Sitzung, 26. Januar 2017

lfd. Nr. 6:

Einundzwanzigstes Gesetz zur Änderung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes

Antrag der Fraktion der CDU
Drucksache 18/0093

Erste Lesung

 

Hakan Taş (LINKE):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Wiedereinführung der Schleierfahndung würde die Bundeshauptstadt um 18 Jahre zurückwerfen. Das können und dürfen wir in Berlin nicht zulassen!

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei den Grünen –
Steffen Zillich (LINKE): Genau! –
Georg Pazderski (AfD): Das machen Sie doch schon!]

Die sogenannte Schleierfahndung wurde – für alle, die es noch nicht wissen, die aber noch dazulernen können – in Bayern erfunden und sollte ursprünglich dazu dienen, verdachtsunabhängig beziehungsweise lagebildabhängig im grenznahen Bereich Kontrollen durchzuführen, um die grenzüberschreitende Kriminalität zu bekämpfen.

[Zurufe von der AfD]

Sie sah in der Berliner Realität jedoch ganz anders aus: 1999 eingeführt und bis zum Jahr 2002 nur achtmal durchgeführt, wurde sie nur für die Ermittlung von Delikten wie Trunkenheit im Verkehr und Fahren ohne Führerschein eingesetzt. Schönen Dank, aber dafür hätte man sie auch damals nicht gebraucht.

[Beifall bei der LINKEN –
Beifall von Frank Zimmermann (SPD)]

Um in die Gegenwart zurückzukommen, stelle ich der Opposition mal die Frage: Was wird sich heute tatsächlich überhaupt daran ändern? Die Verhältnismäßigkeit dieses Mittels gehört nach wie vor – übrigens auch in den anderen Bundesländern – auf den Prüfstand. Jedoch interessiert dies die Opposition kein bisschen. Die CDU-Fraktion ergeht sich genau wie beim Thema Videoüberwachung in ebenso langweiligen wie veralteten Versuchen, grundrechtskürzende Maßnahmen zu rechtfertigen. Damit muss endlich Schluss sein, zumal das Landesverfassungsgericht in Mecklenburg-Vorpommern in seinem Urteil vom 21. Oktober 1999 die Verfassungswidrigkeit dieser Regelung festgestellt hat. Der Zurechnungszusammenhang zwischen Verhalten und Maßnahme fehle, und überdies müssten Eingriffsschwellen konkret festgelegt werden. Vielleicht können einige das noch mal genauer studieren.

Die Abschaffung der Schleierfahndung verkörpert einen Mentalitätswechsel von einer intoleranten hin zu einer freiheitlich-demokratischen Politik im Bereich der inneren Sicherheit. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass die Bevölkerung grundsätzlich nicht kriminell ist. Die verfassungsrechtlich verankerte Unschuldsvermutung gilt für uns nicht nur vor Gericht, sondern auch im Alltag. Eine Wiedereinführung der Schleierfahndung würde Berlin, wie schon am Anfang gesagt, 18 Jahre zurück in die Vergangenheit schleudern. Das darf in Berlin nicht noch mal geschehen!

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Lange Rede, kurzer Sinn: Das Ziel, die grenzüberschreitende Kriminalität zu bekämpfen, hat die Schleierfahndung nicht erreicht. Es gibt keinen einzigen Grund, dieses unverhältnismäßige Instrument wieder von den Toten auferstehen zu lassen. Der § 18 Abs. 2 ASOG ist gestrichen und muss auch gestrichen bleiben. Die sogenannte Schleierfahndung, die den Staat dazu ermächtigt, Bürgerinnen und Bürger unabhängig davon, wie sie sich verhalten, zu kontrollieren, ist rechtsstaatlich falsch und sicherheitstechnisch kontraproduktiv. Wir müssen unsere Energie darauf verwenden, unsere zulässigen Ressourcen weiter auszubauen, um den Menschen tatsächlich mehr Sicherheit bieten zu können. Dies ist und bleibt die oberste Priorität unserer Sicherheitspolitik. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei der SPD und den Grünen]

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