Tobias Schulze (Linksfraktion Berlin): Unser Hitzeschutzplan für den Schutz der Menschen in Berlin

Hitzeschutzplan für Berlin entwickeln

Rede des gesundheitspolitischen Sprechers, Tobias Schulze, zu unserem Antrag zur Schaffung eines Hitzeschutzplans

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gebe es gern zu: Wir hatten diesen Antrag für heute aufgesetzt, weil wir davon ausgegangen sind, dass es heute sehr heiß sein könnte. Das ist es jetzt nicht, ändert aber gar nichts daran, dass wir trotzdem ein Problem haben. Wir reden viel über den Schutz unseres Klimas und die Reduzierung von Treibhausgasen, und zwar zu Recht. Denn unsere Erde erwärmt sich immer weiter. Die deutsche Mitteltemperatur im Jahr 2023 lag 2,4 Prozent über dem Mittelwert der davorliegenden Periode von 40 Jahren, und damit war 2023 in Berlin auch das wärmste Jahr seit 1881. Es war auch das 13. Jahr in Folge, das wärmer war als der vieljährige Mittelwert seit 1961.

Wir sind nicht die letzte Generation vor den Kipppunkten, sondern wir sind die Generation in den Kipppunkten. Deswegen müssen wir den Klimawandel nicht nur bremsen, sondern wir müssen unsere Stadt auch an das veränderte Klima anpassen. Der Klimawandel wirkt sich aus, zum einen durch zunehmende Starkregenereignisse, die wir hier und in anderen Landesteilen schon öfter erlebt haben, zum anderen durch Hitzeperioden. Die Zahl der Tage mit Spitzentemperaturen von über 30 Grad steigt seit 50 Jahren an. Mittlerweile sind es 21 Hitzetage mit über 30 Grad in Berlin im Durchschnitt. Knapp 39 Grad beträgt der Berliner Hitzerekord aus dem Jahr 2019. Hitze ist nicht einfach nur Wetter. Hitze kann Menschen krank machen, kann Depressionen hervorrufen oder verstärken, kann Thrombosen oder Herzinfarkte auslösen und kann Nierenerkrankungen hervorrufen. Hitze kann Menschen auch töten. 416 Hitzetote gab es im Jahr 2022 in Berlin. Mehr als 100 waren es im vergangenen Jahr. Insgesamt sind seit 2018 in unserer Stadt 1 382 Menschen an Hitze gestorben. Lassen Sie mich deswegen klar sagen: Diese Stadt muss ihre Menschen vor Hitze schützen. Seit 2022 hat sich ein Aktionsbündnis Hitzeschutz gebildet. Auch die Bezirke waren durchaus schnell und probieren bereits Maßnahmen gegen Hitze aus. Aber es ist durchaus ein Armutszeugnis, dass der Senat nun kurz nach dem Einbringen unseres Antrags erst einmal den Prozess beschrieben hat, wie er überhaupt zu einem Hitzeschutzplan kommen will.

Armut ist hier auch das Stichwort. Nicht alle Berlinerinnen und Berliner sind gleich von Hitze betroffen. Eine Studie der TU Berlin hat kürzlich belegt, was wir uns auch mit dem gesunden Menschenverstand schon denken konnten: Unter Hitze leiden besonders die Menschen mit wenig Geld. Es sind Obdachlose, die leiden. Es sind Menschen, die draußen arbeiten müssen, etwa bei der BSR oder auf unseren Baustellen. Es sind Menschen, die gepflegt werden oder die pflegen. Und es sind immobile Menschen, die ihre Wohnung nicht verlassen können. Unter Hitze leiden auch besonders Mieterinnen und Mieter in verdichteten Großwohnsiedlungen mit kleinen, schlecht gedämmten Wohnungen und mit wenig Grünflächen im Umfeld. Professor Birgit Kleinschmit von der TU stellte im Anschluss an diese Studie auch fest, dass es auch in unserer Stadt, in Berlin einen klaren Zusammenhang zwischen sozioökonomischen Faktoren auf der einen und der Betroffenheit von starker Hitze auf der anderen Seite gibt. Es ist eben ein Unterschied, ob man bei knapp 40 Grad gesund im klimatisierten Büro oder im heimischen Garten sitzt oder ob man bei 40 Grad eine Straße fegen muss oder sich gar auf zubetonierten Plätzen aufhalten muss, weil man weder Geld noch eine Wohnung hat. Das ist ein klarer Unterschied.

Daher haben wir in unserem Antrag den Senat aufgefordert, diesen benachteiligten Gruppen besondere Aufmerksamkeit in einem Hitzeschutzplan zu schenken. So schlagen wir etwa vor: Verstetigen Sie die Projekte für die Hitzehilfe für obdachlose Menschen, die bis jetzt nur den befristeten Projektstatus haben! Richten Sie Angebote der aufsuchenden Hilfe ein, die Obdachlose vor Ort erreichen! Gehen Sie mit Getränken hin, mit Sonnencreme, mit Kopfbedeckungen, um diese Menschen vor dem Hitzetod zu schützen! Einige Bezirke führen auch bereits Gespräche mit Kirchen, der BVG, der S-Bahn oder auch mit Ämtern, um Kirchengebäude, Bibliotheken oder Shoppingcenter als kühle Orte zu öffnen, wo sich Menschen, die vielleicht keine Wohnung haben, aufhalten können, wo sie sich abkühlen können. – Lieber Senat! Ich kann Sie nur auffordern: Holen Sie alle an einen Tisch, und beraten Sie, was in dieser Stadt möglich ist, um kühlende und kalte Orte zu schaffen!

Sprechen Sie auch mit den Krankenhausträgern und den Trägern der Altenhilfe, mit der Kassenärztlichen Vereinigung und Sozialträgern, um individuelle Hitzepläne für den Gesundheits- und Pflegebereich zu vereinbaren! Stellen Sie Wasserspender und Trinkbrunnen auf! Die Trinkbrunnenaufstellung ist gerade gestoppt worden, was wir in dieser Hitzephase klar kritisieren. Wir sollten über so etwas wie Nebelduschen nachdenken. Die kennt vielleicht der eine oder die andere von Ihnen aus anderen Städten.

Wir brauchen dringend einen Sanierungs- und Neubaufahrplan für die Freibäder. Auch Marzahn-Hellersdorf braucht endlich ein Freibad. Mittelfristig und nicht zuletzt müssen wir unsere Grünflächen schützen, weil sie die Oasen sind, wo sich Menschen bei hohen Temperaturen überhaupt noch aufhalten können, insbesondere in belasteten Gebieten.

Ich komme zum Schluss. – Im Frühjahr 2025, wenn wir es schon für dieses Jahr nicht hingekriegt haben, brauchen wir einen Hitzeplan, der im Sommer 2025, wenn es hier wieder heiß wird, wirkt. Die Menschen haben es verdient. – Ich danke Ihnen!