Beschulung durch türkische Konsulatslehrer

Regina Kittler

Berlin war schon immer eine Einwanderungsstadt. Ende des 17. Jahrhunderts waren es die Hugenotten, die als Religionsflüchtlinge nach dem Edikt von Potsdam so zahlreich kamen, dass sie schon bald ein Fünftel der Bevölkerung stellten.

Rede als Video

Aus dem Wortprotokoll

9. Sitzung, 6. April 2017

lfd. Nr. 3.5:

Priorität der AfD-Fraktion

Tagesordnungspunkt 22

Beschulung durch türkische Konsulatslehrer beenden

Antrag der AfD-Fraktion
Drucksache 18/0245

hierzu:

Änderungsantrag der Fraktion der CDU
Drucksache 18/0245-1

 

Regina Kittler (LINKE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Berlin war schon immer eine Einwanderungsstadt. Ende des 17. Jahrhunderts waren es die Hugenotten, die als Religionsflüchtlinge nach dem Edikt von Potsdam so zahlreich kamen, dass sie schon bald ein Fünftel der Bevölkerung stellten. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert waren es dann Menschen aus Schlesien, den Masuren und Pommern.

[Zuruf von Holger Krestel (FDP)]

In den Sechziger- und Siebzigerjahren kamen sie aus Südeuropa, der Türkei und Vietnam als Gast- und Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter in diese Stadt. Inzwischen suchen Menschen aus vielen EU-Staaten, aber auch aus Osteuropa und vom Balkan ihr Glück in Berlin. Wieder andere flüchten vor Krieg, Gewalt und Elend hierher. Fast eine Million der in unserer Stadt lebenden Menschen hat einen sogenannten Migrationshintergrund, und sie machen Berlin bunter. Die größte Gruppe unter ihnen bilden mit rund 200 000 die Berlinerinnen und Berliner mit türkischen Wurzeln. Das sind etwa 6 Prozent unserer Bevölkerung.

[Georg Pazderski (AfD): Und Russen!]

Die Älteren unter ihnen, die der Generation der Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter, kamen mehrheitlich mit der Absicht, hier einige Jahre zu leben und dann wieder in ihr Heimatland zurückzugehen. Na ja, aber das Leben spielt eben auch mal anders, und so ändern sich Pläne, und da werden im neuen Zuhause Familien gegründet, Freunde gefunden, Kinder kommen hier zur Welt und in die Schule. Natürlich spielt ein sicherer Arbeitsplatz auch eine Rolle.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Ist das
eine Märchenstunde?]

– Nein, ich versuche gerade, Sie zu bilden!

[Beifall bei der LINKEN –
Lachen bei der AfD –
Frank-Christian Hansel (AfD): Danke! –
Georg Pazderski (AfD): Also Wikipedia
können wir selbst lesen!]

In den Siebzigern sah das wie gesagt noch anders aus, und damals wurde für Kinder sogenannter Wanderarbeiter in den Grundschulen die Möglichkeit geschaffen, in ihrer Mutter- oder Vatersprache durch ihre Konsulate zusätzlichen Unterricht zu erhalten. Das wurde auch beibehalten, als längst klar war, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der Berlinerinnen und Berliner, die mal aus der Türkei kamen, eben bleiben wollte. Dass wir hier etwas ändern wollen, haben wir ja bereits in unserer Koalitionsvereinbarung festgelegt. Vielleicht sollten Sie sich damit mal beschäftigen. Vielleicht haben Sie das ja auch und einen Teil jetzt daraus abgeschrieben, weiß ich nicht.

Die Angebote an zweisprachiger Bildung und Erziehung, z. B. für Türkisch, Arabisch und Kurdisch, aber auch von osteuropäischen Sprachen, werden wir ausbauen. Darüber hinaus wollen wir Möglichkeiten schaffen, die Herkunftssprache als erste bzw. zweite Fremdsprache zu erlernen und bei Prüfungen anzuerkennen. Dass dazu auch Lehrkräfte aus- und weitergebildet werden müssen, dürfte klar sein. Denn wo, werte Frau Bentele, wollen Sie diese denn zum nächsten Schuljahr rekrutieren? – allein der Begriff ist schon nett –, wie es Ihr Antrag fordert. Wie Sie wissen, gibt es auch jetzt schon die Möglichkeit des Besuchs der deutsch-türkischen Europaschule, die wir in ihrer Entwicklung unterstützen müssen und deren Erfahrung wir unbedingt nutzen sollten. Ein entsprechender Antrag der Koalition – Frau Lasić hat es schon erwähnt – zur Gesamtthematik ist auf dem Weg und wird Sie noch im April erreichen.

[Zuruf von Heiko Melzer (CDU)]

Nun zum vorliegenden AfD-Antrag: Der gesetzliche Rahmen für die jetzige Möglichkeit des Konsulatsunterrichts ist laut EG-Richtlinie und Schulgesetz gegeben. Dass die AfD hier auch noch einen Unterschied zwischen europäischen und nichteuropäischen Herkunftsländern aufmacht, verwundert ob der Programmatik Ihrer Partei nicht.

[Zuruf von Karsten Woldeit (AfD)]

Den Antrag der AfD, der in seiner Begründung eine Pauschalverurteilung von Konsulatslehrkräften vornimmt und integrationsfeindlich ist, werden wir aus genau diesen Gründen ablehnen.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN –
Lachen bei der AfD –
Georg Pazderski (AfD): Sie machen sich
damit zum Handlanger von Erdoǧan!]

Kontakt