Bundesratsinitiative zur Änderung der HartzIV-Sanktionsregelungen

40. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, 4. April 2019

Katina Schubert (LINKE):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als Herr Schultze-Berndt und ich vorhin zum RBB gingen, sagte er zu mir: Sie sagen das, was Sie immer sagen, und ich sage auch das, was ich immer sage.

Das stimmt, das war auch so. Insofern kann ich mich jetzt ein bisschen kürzer halten. Mittlerweile ist es so, dass die Frage der Sanktionen beim Bundesverfassungsgericht zur Überprüfung liegt. Wir können damit rechnen, dass es in den nächsten Monaten zu einer Entscheidung kommt, weil es zunehmend mehr Gerichtsurteile gibt, die sagen: Die Sanktionen im SGB II sind nicht korrekt, sind nicht verfassungsgemäß. Insofern sind wir gut beraten, auch in Berlin schon den Schritt nach vorne zu gehen und zumindest für drei Tatbestände die Sanktionen auszuschließen. Das ist natürlich nur ein erster Schritt.

Wir wissen, was in den letzten 14 Jahren seit Einführung des SGB II passiert ist: Die prekäre Beschäftigung ist erheblich angestiegen, der Niedriglohnsektor ist erheblich größer geworden, und was vom Fördern und Fordern geblieben ist, ist vor allem das Fordern in Form von Sanktionen. Deswegen ist es sinnvoll, das nach so vielen Jahren noch einmal zu überprüfen. Dass wir uns da gemeinsam als Koalition auf den Weg gemacht haben, ist eine gute Sache.

In Berlin haben wir noch etwa 150 000 Menschen, die erwerbslos sind, davon über 106 000 Personen, die nach wie vor im SGB II sind. Davon sind etwa ein Drittel langzeiterwerbslos und ungefähr 8 Prozent unter 25 Jah­re sowie 17 Prozent über 55 Jahre alt. Für all diese Lebensverhältnisse gibt es gute Gründe. Zu glauben, man könnte die Menschen mit Sanktionen, mit Druck, mit Strafen dazu bringen, wieder zu arbeiten, führt in die Irre. Denn für die meisten stellt es sich so dar: Für das, was sie machen wollen, werden gerade leider keine Jobs angeboten.

Dann kann man sich überlegen: Kann man sie hineinzwingen? – Wenn dabei aber Qualifikation verloren geht und die Leute nicht mehr das machen können, was sie gelernt haben, wenn sie dabei heruntergestuft werden, wenn sie dabei entrechtet werden, dann sind die Sanktionen der falsche Weg.

Deswegen sagen wir: Es darf keine Sanktionen mehr für junge Menschen geben – sie müssen in Ausbildung kommen. Es darf keine Sanktionen mehr geben für Bedarfsgemeinschaften mit Kindern – denn das programmiert den Weg der Kinder in die Armut; Kinder sind immer dann arm, wenn die Eltern arm sind. Das bringt keinen neuen Job, und er bringt niemanden in Arbeit, dieser Weg der Sanktionen.

Und am allerwenigstens dürfen wir Sanktionen für die Kosten der Unterkunft haben, denn damit produzieren die Jobcenter Wohnungs- und Obdachlosigkeit. Das kann nicht der Wille des Landes Berlin sein, dass hier noch mehr Menschen in die Obdachlosigkeit gehen, als das sowieso schon der Fall ist. – In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu unserem wegweisenden Antrag. – Vielen Dank!