Covid­forschung muss bundesweit koordiniert werden

60. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, 04. Juni 2020

Zu "Landesstudie zur SARS‑CoV‑2-Infektiosität von Kindern auf den Weg bringen" (Priorität der Fraktion der CDU)

Tobias Schulze (LINKE):

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Präsidentin! Nach der Rede möchte man die CDU-Fraktion fast schon in den Arm nehmen, aber das geht ja gerade nicht.

Das war nur die Vorrede. Jetzt zu Ihrem Antrag! Ich habe den Eindruck, dass Sie gerne so etwas wie die Heinsberg-Studie für Berlin hätten, und ich muss sagen, Ihr Ministerpräsident hat nicht die allerbesten Erfahrungen mit solchen Landesstudien gemacht. Wenn der Kollege Grasse vorhin sagte, wir brauchen eine eigene Landesstudie, weil wir ja der große Wissenschaftsstandort sind, dann sage ich: Man braucht das nicht aus Prestigegründen, sondern um neue Erkenntnisse zu gewinnen.

Wir haben in der Tat bundesweit – das wurde angesprochen –, aber auch in Berlin bereits einiges an Forschung, was genutzt werden kann und was schon läuft. Hamburg und Baden-Württemberg wurden angesprochen. Sachsen hat jetzt eine Studie aufgelegt, die bei Schulöffnungen untersucht, wie sich die Infektionsverläufe und auch die Immunologie ergeben. Wir sollten auf diese Studien zurückgreifen. Und auch in Berlin: Die Charité will mehr als 30 Schulen bei der Öffnung begleiten und wird dort kontinuierlich untersuchen, wie sich das Virus verbreitet.

Wenn die CDU beantragt, dass 10 000 Eltern-Kind-Paare getestet werden sollen, dann muss man einmal fragen, was dabei herauskommen soll. Wir haben insgesamt 128 Covidfälle in der Bevölkerungsgruppe zwischen 5 und 14 Jahren gehabt. Davon sind 110 gesund oder gelten als genesen. Das heißt, wir haben in dieser Altersgruppe aktive Coronafälle im unteren zweistelligen Bereich. Was wollen Sie denn mit 10 000 Eltern-Kind-Paaren erreichen, wenn Sie diese jetzt mehrfach testen – einmal abgesehen davon, dass die Testverfahren vermutlich Infektionsherde sein werden, wenn Sie sie in die entsprechenden Einrichtungen bringen. – Das ist echter Quatsch, das sollten wir uns klemmen. Wir sollten auf das schauen, was da ist.

Ich sage einmal, was wirklich in der Forschung fehlt: Wir haben keinen vernünftigen Datenzugriff der Forschenden auf die Gesundheitsämter. Dort wird mit Exceltabellen gearbeitet. Nur wenige haben die neue Software, die es jetzt gibt. Darauf brauchen wir dringend Zugriff. – Wir haben keine Studien zu den sozialen Folgen von Corona in den Familien. Das fehlt. – Was wir nicht haben, was untersucht werden muss, ist, wie in den Schulen in Zukunft der hybride Unterricht aus Digitalisierung, Homeschooling und Präsenzphasen funktionieren kann.

Dazu fehlt Forschung, da müssen wir etwas ausschreiben.

Was wir übrigens auch nicht haben – und das geht ans BMBF –, ist eine bundesweite Koordinierung der Covid­forschung. Das fehlt auch. Alle Länder machen jetzt, wie bei den Maßnahmen auch, ihres, und das kann nicht sein. Denn überall wird dasselbe untersucht, zum Teil doppelt und dreifach. Andere Fragestellungen bleiben unberücksichtigt. Wir brauchen eine koordinierende Stelle. Das kann eventuell das neue Netzwerk sein, das die Kollegin Dr. Czyborra angesprochen hat, aber hier muss deutlich mehr Abstimmung unter den Bundesländern passieren. – Dazu können Sie Ihren Teil beitragen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, und dann kommen wir einen guten Schritt weiter. – Danke schön!