Digitalisierung der Berliner Verwaltung: E-Government-Gesetzes

NetzpolitikVerwaltungTobias Schulze

37. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, 21. Februar 2019

Tobias Schulze (LINKE):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fantastischen Vier haben einmal gesungen: Es könnte alles so einfach sein, ist es aber nicht! Das scheint hier aus dem FDP-Antrag auch so ein bisschen zu sprechen. Die Komplexität des Ganzen wird, glaube ich, etwas verkannt, die wir hier vor uns haben.

Um es noch mal darzustellen: Die Digitalisierung der Verwaltung von Land und Bezirken ist das größte IT-Projekt der Bundesrepublik, und wir haben 2016 mit dem E-Government-Gesetz damit angefangen. Wir haben 83 000 Arbeitsplätze umzurüsten, wir haben diverse Dienstgebäude an das Landesnetz anzuschließen, mit sicheren Breitbandnetzen auszustatten. Das Ganze hat bisher einen Umfang von 200 Millionen Euro im Jahr, und davor steht die Aufgabe, diesen Technikzoo, wie es die Staatssekretärin immer zu Recht sagt, aufzuräumen. Der besteht übrigens nicht nur darin, dass jede Abteilung und jede Verwaltung und jedes Bezirksamt die eigene IT aufgebaut hat, sondern dieser Technikzoo besteht auch darin, dass wir Hunderte selbst programmierte Fachverfahren darunter liegen haben, die auch alle auf die neuen Infrastrukturen aufgebaut werden müssen. Es geht also darum, die Software zu vereinheitlichen, unter eine Administration zu bringen, es geht darum, die Hardware zu kaufen, es geht darum, die Server zu bauen, es geht darum, die Strukturen aufzubauen, und das Ganze im laufenden Betrieb. Wir haben ja keine Zeit dazu, das Land Berlin mal zwei Jahre lahmzulegen, sondern es muss hier alles vernünftig umgestaltet werden – und dies, und das wurde auch schon deutlich –, unter den Bedingungen von einem massiven Fachkräftemangel.

Und wenn man jetzt sagt, Sie müssen mal einfach die neuen Fachkräfte einstellen – das sagt sich hier so leicht. Aber wir wissen alle, dass alle öffentlichen Stellen des Landes Riesenprobleme haben, unter den Tarifbedingungen, unter denen wir derzeit stehen, nämlich TV-L mit den entsprechenden Einstufungen und Eingruppierungen, überhaupt die entsprechenden Menschen zu bekommen. Die Privatindustrie zahlt nun einmal deutlich besser. Und das ist alles nicht so einfach. Dann jetzt hierherzukommen und zu sagen, machen Sie doch mal eine Strategie, machen Sie doch mal alles schneller, ist ein bisschen billig, würde ich sagen. So einfach ist es eben nicht.

Die digitale Verwaltung, das muss man dazu, glaube ich, sagen, wenn man die wirklich schaffen will unter den Bedingungen, dass hier 20 Jahre lang nichts passiert ist bei der Digitalisierung und wir diese Zersplitterung in der Landschaft haben – die ändert tatsächlich alles, für die Beschäftigten alles, für den Dienstleister ITDZ alles, der in sehr kurzer Zeit ganz schnell und massiv wachsen muss, um das zu packen, und der ändert natürlich auch alles für die politische Führungsstruktur.

Es kam mal das Wort: Wir wollen keine PDF-Digitalisierung. Wer die Geschäftsprozesse in das Digitale überträgt, der bringt nicht einfach das, was er bisher auf der Papierakte gemacht hat, jetzt ins Netz – so simpel ist das nicht –, sondern die Geschäftsprozesse, und zwar jeder einzelne, werden angeschaut, werden analysiert, optimiert und in Software übertragen. Damit ändern sich die Bedingungen, unter denen Beschäftigte im öffentlichen Dienst arbeiten, fundamental. Und wer jetzt dem Hauptpersonalrat oder überhaupt den Personalvertretungen unterstellt, die würden an der Stelle aus Prinzip bremsen – da muss man mal sagen: Die Umwälzung der Arbeitswelt, auch in der öffentlichen Verwaltung mit der Digitalisierung, ist so fundamental, dass man den Personalräten nur viel Glück und viel Erfolg wünschen kann bei ihrer Arbeit, den Beschäftigten die Auswirkungen der Digitalisierung zu erklären, mit ihnen zusammen Lösungen zu erarbeiten und dafür zu sorgen, dass die Beschäftigten bei diesem ganzen Prozess mit sehr viel Technologie nicht unter die Räder kommen.

Ich danke den Personalräten jedenfalls für diese Arbeit, und ich glaube, dass sie in dem ganzen Prozess extrem wichtig ist. Übrigens ist die gesamte Personalfrage ein Punkt, der im E-Government-Gesetz komplett fehlt. Der müsste da eigentlich noch rein.

Auch für die Bürgerinnen und Bürger ändert sich vieles. Und wenn Sie jetzt sagen, das muss alles schneller gehen, und es ist ja nichts passiert in den zwei Jahren – da kann ich Ihnen nur empfehlen: Laden Sie mal die Service-App des Landes Berlin herunter, und loggen Sie sich mal in Ihr Service-Konto ein. Die ersten Basisdienste stehen nämlich. Demnächst wird man sein Auto in Berlin digital zulassen können, und Sie können auch jetzt schon Ihre Parkvignette digital erstellen lassen. Die Basisstrukturen sind da, und es werden Stück für Stück neue Anwendungen dazukommen. Die Bürgerinnen und Bürger können sehen, dass die Digitalisierung des Landes Berlin wächst. Das heißt nicht, dass sie zu Ende ist, sondern es heißt einfach nur, dass sie wächst.

Berlin ist im Bundesvergleich damit übrigens ziemlich weit vorne, das muss man auch mal sagen, wenn Sie immer meinen, hier geht alles zu langsam und wir haben hier den nächsten BER vor uns. Das ist falsch, die Sachen laufen.

Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt:

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Lenz?

Tobias Schulze (LINKE):

Bitte schön!

Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt:

Herr Lenz – bitte, Sie haben das Wort!

Stephan Lenz (CDU):

Vielen Dank! – Es gibt ja viel Einigkeit, insbesondere, was die Einschätzung der Größe der Aufgabe angeht, und ich würde auch konzedieren, dass schon einiges passiert ist. Aber ich würde Sie doch gern nach Ihrem Vortrag fragen: Sind Sie denn als Vertreter der Koalition zufrieden mit dem vorgelegten Tempo in Sachen E-Government-Umsetzung und glauben Sie, wir können den Zeitplan noch halten?

Tobias Schulze (LINKE):

Ich bin nicht zufrieden mit dem vorgelegten Tempo, ich würde nur nicht dazu kommen, das dem mangelnden Willen der einzelnen Akteurinnen und Akteure zuzuschieben. Wir haben ganz offensichtlich Bedingungen, die es nicht ermöglichen, deutlich schneller zu sein. Da habe ich den Personalmangel als das größte Problem tatsächlich genannt. Wenn Sie da teilhaben wollen, dann können wir gern gemeinsam darum kämpfen, dass die Bezahlung für IT-Fachkräfte im Land deutlich besser wird. Ich hoffe, Sie sind dann dabei, wenn es um mehr Geld für diese entsprechenden Ressourcen geht.

Wir haben ja bald Haushaltsverhandlungen. Zur FDP will ich noch sagen, in Anlehnung an Ihren Bundesvorsitzenden: Machen Sie doch lieber keinen Antrag als einen schlechten Antrag.

So kann man dem jedenfalls nicht zustimmen. Mit einer schlichten Strategie nach dem Motto, wir schreiben einmal auf, was wir ohnehin tun, ist es nicht getan. Ich glaube, wir sehen uns im Ausschuss und werden dann weiter gemeinsam an der Umsetzung des E-Government-Gesetzes arbeiten. – Danke schön!