Gaby Gottwald (DIE LINKE): Ein Mietendeckel für Berlin
Quelle: rbb-online.de

Ein Mietendeckel für Berlin

"Die Berliner Verfassung garantiert das Grundrecht auf Wohnen. Sie untersagt zudem den Missbrauch wirtschaftlicher Macht. Wenn die Jagd auf Rendite den Wohnungsmarkt ergreift und das Grundrecht auf Wohnen unterminiert, dann ist die Zeit reif für eine Intervention." begründet Gaby Gottwald die Notwendigkeit des Mietendeckels.

50. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, 28. November 2019

Zu Aktuelle Stunde: Ein Mietendeckel für Berlin (auf Antrag der Fraktion Die Linke)

Gabriele Gottwald (LINKE):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Berliner Verfassung garantiert das Grundrecht auf Wohnen. Sie untersagt zudem jeden Missbrauch wirtschaftlicher Macht in Artikel 24. Wohnen ist für alle existenziell. Wenn die Jagd auf Rendite den Wohnungsmarkt ergreift und das Grundrecht auf Wohnen unterminiert, dann ist die Zeit reif für eine Intervention.

Die Aufgabe der Politik ist es, Grundrechte nicht nur auf dem Papier, sondern in der realen Welt durchzusetzen. Die Koalition stellt sich dieser Aufgabe.

Berlin hat einen angespannten Wohnungsmarkt. Hinter diesem technischen Begriff verbirgt sich viel Angst, Not, Verdrängung und soziale Spaltung.

Wir reden von Gentrifizierung. Vor mehr als zehn Jahren galt der Begriff als linksextrem, und mancher geriet durch seine Verwendung ins Fadenkreuz des Staatsschutzes. Heute sieht das Bundesverfassungsgericht die Verhinderung von Gentrifizierung als öffentliche Aufgabe an. Die Spaltung der Stadt setzt sich von innen nach außen fort. Gierige Zocker haben nicht unerhebliche Teile des Wohnungsmarktes übernommen. Sie sehen die Stadt als Beute und missbrauchen vielfach ihre wirtschaftliche Macht.

Die Mittelwerte des Mietspiegels erhöhten sich seit 2013 um 21,3 Prozent. Der Reallohnindex erhöhte sich jedoch nur um 11,4 Prozent. Die Mieten steigen wesentlich schneller als die Einkommen. Die Miete frisst Einkommen. Dieser Prozess unterliegt einer enormen Beschleunigung, da vor allem die Angebotsmieten ungebremst in die Höhe schnellen. Sie haben sich seit 2006 verdoppelt.

Die Mietpreisbremse des Bundes hält diesen Prozess nicht auf. Sie ist völlig unzureichend. Auch der konsequente Einsatz der wenigen Instrumente des Landes bremste den Auftrieb leider nicht. Wir müssen und werden diesen Prozess stoppen, denn er reißt die Stadt auseinander, gefährdet das soziale Miteinander und unterminiert das öffentliche Interesse.

Die Koalition wird daher mit dem Mietendeckel vier wesentliche Stellschrauben in den Markt einziehen. Erstens: Wir untersagen grundsätzlich für fünf Jahre Mietsteigerungen. – Zweitens: Wir entfernen die Falle der explodierenden Angebotsmieten. So werden Mietsteigerungen bei Neuvermietungen unterbunden, und es wird eine Mietobergrenze eingezogen. – Drittens: Wir begrenzen die Umlage bei Modernisierung, um den Anreiz zu nehmen, hier weiter Schindluder zu treiben. – Viertens: Wir schaffen die Möglichkeit, völlig überhöhte Mieten abzusenken. Bei all dem schützen wir Vermieter vor unzumutbaren Risiken durch eine ausgewogene Härtefallregelung. Wir haben dabei vor allem sozial verantwortliche Kleinvermieter im Blick.

Präsident Ralf Wieland:

Frau Kollegin! Ich darf Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Kollegen – –

Gabriele Gottwald (LINKE):

Nein, danke!

Präsident Ralf Wieland:

Keine Zwischenfrage.

Gabriele Gottwald (LINKE):

Wir brauchen die Zusammenarbeit mit den Wohnungsbaugesellschaften und vor allem mit den Genossenschaften, mit denen wir konstruktiv im Gespräch bleiben wollen.

Seit Monaten jammern und klagen organisierte Kreise von Eigentümern. Ja, es geht um viel Geld, das nicht mehr in ihre Taschen fließt, sondern bei Mieter verbleibt. Ja, das ist so gewollt. Das ist Sinn und Zweck des Gesetzes. Der Mietendeckel ist keine Benefizveranstaltung für verarmte Mieter.

Er ist der gebotene Eingriff des Sozialstaates, um der strukturellen Unwucht am Wohnungsmarkt Einhalt zu gebieten.

Es ist völlig unangebracht, deswegen den Untergang des Abendlandes heraufzubeschwören oder hier so herumzuschreien. Wir verbieten nicht die Mieten. Wir verbieten nur die Anhebung der Miete für eine überschaubare Zeit. Wir stürzen auch nicht Vermieter in eine wirtschaftliche Notlage oder schmälern die Substanz ihres Eigentums. Wir schmälern nur den Gewinn, den Sie daraus zielen.

Es gibt kein Recht auf Rendite, aber es gibt eine Sozialpflichtigkeit des Eigentums, und wer dies aus dem Auge verloren hat, den führen wir mit dem Berliner Mietendeckel wieder auf den rechten Weg.

Das öffentliche Agieren zahlreicher Unternehmen und ihrer Verbände ist unterirdisch. Sie verbreiten Panik, unhaltbare Prognosen über drohende Katastrophen,

Beschimpfungen im Netz und erpresserische Ankündigungen – aggressiver Immobilienlobbyismus pur. Einfach nur schrill war das. Haus & Grund rief gar zur Mieterhöhungen auf. Man wähnte sich im falschen Film. Nun folgt eine Kundgebung. Die Presse spielte bereits süffisant mit dem Motto: Mieten in Berlin sollen steigen. Na ja, wir werden sehen.

Präsident Ralf Wieland:

Frau Kollegin! Ich darf Sie fragen, ob Sie eine Zwischenfrage des Kollegen – – 

Gabriele Gottwald (LINKE):

Nein, danke!

Die Gegner des Mietendeckels versteigen sich so zu absurden Thesen, die Wirtschaft breche ein. Wir erinnern uns an die Kampagne gegen das Mindestlohngesetz. Es führe die Wirtschaft in den Abgrund oder sei gar verfassungswidrig. Nichts dergleichen trat ein.

Der Mietendeckel wird die Wirtschaft eher beleben,

[Lachen bei der CDU und der AfD]

denn die Kaufkraft – –  Es ist schön, dass Sie so viel Spaß haben. Der wird Ihnen noch vergehen.

Der Mietendeckel wird die Wirtschaft eher beleben, denn die Kaufkraft der Berliner wird sich erhöhen und unmittelbar hier in der Zirkulation fließen und nicht auf Konten internationaler Anleger.

Es drohe der Untergang der Branche, die bekanntlich am Hungertuch nagt. Da lobe ich doch mal die Chefs der Deutschen Wohnen, was ich nicht oft mache. Die haben auf ihrer letzten Konferenz ihre Aktionäre beruhigt. Der größte Berliner Wohnungsanbieter hat durch den Mietendeckel in fünf Jahren 330 Millionen Euro Mindereinnahmen. Das ist für die Peanuts. Dann steigt die Aktie eben etwas weniger. Die dickste Sau, die durch das Dorf getrieben wird, ist die These, der Mietendeckel verhindere den Neubau.

[Zuruf von Paul Fresdorf (FDP)]

Jetzt können Sie wieder brüllen.  Auch hier möchte ich die Branche selbst anführen: Der recht bekannte Bauunternehmer Klaus Groth präsentierte vor wenigen Tagen sein neues Projekt in Lichterfelde-Süd. Das ist zwar umstritten, aber umstritten scheint nicht, dass es profitabel ist. Groth erklärt der Presse, der Mietendeckel berühre sein Bauvorhaben überhaupt nicht. Der größte Feind des Neubaus ist nicht der Mietendeckel, sondern der explodierende Bodenpreis. Hier besteht dringender Handlungsbedarf.

Wer den Neubau ankurbeln will – und insbesondere den preiswerten Neubau, was unser erklärtes Ziel ist –, der muss die Bodenpreise senken. Wir werden uns diesem Feld zuwenden. Zu diesem Thema habe ich von Ihnen von der Opposition noch gar nichts gehört.

Der Feind des Neubaus ist nicht der Mietendeckel, sondern das sind insbesondere die hohen Renditen, die mit dem Bestand erzielt werden. Von 2010 bis 2018 hat sich der Umsatz mit Immobilien – hier mehrheitlich für Wohnraum – von 8 auf 17,3 Milliarden Euro mehr als verdoppelt. „Kaufen und Verkaufen“ schafft keine einzige Wohnung, sondern treibt nur deren Preis in die Höhe und infolgedessen die Mieten.

Dieses Geschäftsmodell ist so überflüssig wie ein Kropf. Es schafft keinen realen Wert, sondern nur höhere Kosten für die Mieter. Sie zahlen die Gewinne aus dem Handel mit ihren Wohnungen.

Man kann den Mietendeckel auch als eine Art Investitionslenkung zugunsten des Neubaus ansehen. Der Mietendeckel hat Zähne und wird in Berlin, aber auch darüber hinaus Wirkung zeigen.

Was es zu beweisen galt: Politik kann handeln. Wir können im Interesse der Berliner Mieter regulierend in den Markt eingreifen. Es gibt eine Alternative zu Mietenwahnsinn.

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und
den GRÜNEN –
Sebastian Czaja (FDP): Sauber!]

– Klatschen Sie ruhig, Herr Czaja! – Vielleicht noch ein Wort zum Gutachten der CDU vom Institut der Wirtschaft in Köln. Das sagte nun voraus: Die Maßnahmen der Koalition werden dazu führen, dass die Mieten und auch die Immobilienpreise sinken. – Ich würde sagen: Schönen Dank! Das war eine gute Nachricht. Das hat uns sehr geholfen. – Ansonsten können wir uns gleich auf dieses Wirtschaft-Voodoo, das bestimmt nachgebetet wird, einstellen.

Eine letzte Bemerkung: Wir erfreuen uns in Berlin einer sehr quirligen und wehrhaften Mieterbewegung. Ihr möchte ich hier danken. Sie versäumt wirklich keinen Anlass, die Politik an ihren Auftrag zu erinnern. Das tut sie offensichtlich mit viel Erfolg. So macht die Koalition jetzt Nägel mit Köpfen. Der Mietendeckel kommt. – Vielen Dank!

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