Einsatz im Petitionsausschuss

Franziska Brychcy

42. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, 23. Mai 2019

Franziska Brychcy (LINKE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Das Besondere am Petitionsausschuss ist, dass durch den direkten Kontakt mit den Berlinern und Berlinerinnen Probleme in dem Moment auf den Tisch kommen, in dem sie erstmals auftreten. Aber genauso, wie ein Vulkan nicht plötzlich ausbricht, sondern dies durch physikalische Prozesse begleitet wird, die Geologen und Geologinnen über längere Zeiträume beobachten und messen können, zum Beispiel erst als kleinere Erdbeben und dann mittlere, genauso können wir im Petitionsausschuss Verschärfungen von Konfliktlagen beobachten. Unser Job als Abgeordnete und Petitionsbüro ist es, die Finger dort in die Wunde zu legen, wo es weh tut.

Da möchte ich für den Bildungsbereich, für den ich als Berichterstatterin zuständig bin, gern den Schulplatzmangel ansprechen. Uns schrieb im letzten Frühjahr eine Petentin an, deren elfjähriges Kind für das Schuljahr 2018/2019 keinen Schulplatz in einer siebten Klasse im Bezirk Marzahn-Hellersdorf erhalten konnte. Das Mädchen bekam eine Schule zugewiesen, zu der es laut BVG-Fahrplan täglich 55 Minuten quer durch Berlin hin und nach dem Unterricht auch wieder 55 Minuten zurückfahren musste. Die Senatsbildungsverwaltung hielt rechtlich bis zu 120 Minuten täglichen Schulweg für zumutbar, die Mama traute dies dem Mädchen von der Konstitution her nicht zu und konnte es aus beruflichen Gründen auch nicht jeden Tag hinbringen und abholen. Letztlich blieb der Familie nur der Klageweg, um doch noch einen Schulplatz im Bezirk zu erhalten.

77 Schüler und Schülerinnen aus Marzahn-Hellersdorf konnten im laufenden Schuljahr nicht im Bezirk beschult werden. Wer die finanziellen Mittel für eine Klage nicht aufbringen konnte, hatte das Nachsehen. Das ist ungerecht. Es ist unsere Aufgabe als Politik und Verwaltung in Land und Bezirken, jedem Kind einen wohnortnahen Schulplatz zur Verfügung zu stellen.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Dem Petitionsausschuss gegenüber konnte der Bezirk ziemlich gut darlegen, wo er zum neuen Schuljahr bis 2020/2021 und auch nach 2022 zusätzliche Züge einrichtet und Schulneubau plant. Die aktuellen Debatten um fehlende Schulplätze unter anderem in Treptow-Köpenick, Lichtenberg, Pankow machen deutlich, dass die Bezirke die Unterstützung des Senats benötigen, nicht nur, was die Beschleunigung des Schulbaus anbelangt, sondern auch schon jetzt, um bezirksübergreifend gute Zwischenlösungen für die Bereitstellung von genug Schulplätzen zu finden, denn das ist die Basis.

Ähnlich verhält es sich mit der Schulsozialarbeit. Es ist in Zusammenarbeit mit dem Petitionsausschuss gelungen, die Schulstation an der Bouché-Grundschule über den Jugendhilfeausschuss Treptow Köpenick bis 2019 abzusichern. Aber wenn in Berlin keine bestehende Schulstation geschlossen werden soll, denn eigentlich wollen wir an allen Schulen Schulsozialarbeit haben, dann braucht es den Ausbau des Landesprogramms Schulsozialarbeit auch zur Entlastung von Lehrkräften und Erzieherinnen und Erziehern, weil allein die Jugendhilfeausschüsse und das Bonusprogramm dies nicht leisten können.

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei der CDU, den GRÜNEN
und der FDP]

Im Gegensatz zum Vulkanausbruch, der sich aufgrund der Plattentektonik durch die Menschen nicht verhindern lässt, können wir als Abgeordnete politische Prozesse gestalten. Das ist auch ein bisschen mein Appell an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen. Nehmen Sie die regelmäßigen Stellungnahmeersuchen des Petitionsausschusses an die Fraktionen, an die Fachausschüsse, bitte ernst, denn das bedeutet, dass wir im Petitionsausschuss nicht mehr ohne Sie weiterkommen und es einen Bedarf an Gesetzesinitiativen oder politischen Entscheidungen braucht.

Der Petitionsausschuss kann uns allen die Chance bieten, gemeinsam konkrete Verbesserungen im Kleinen wie im Großen anzustoßen und zu beschleunigen. Deswegen würde ich mich sehr freuen, wenn wir diese Chance auch nutzen würden und das Petitionsrecht, so wie im Koalitionsvertrag vereinbart, weiter stärken, indem wir auch in Berlin die Veröffentlichung und Mitzeichnung von Petitionen ermöglichen, so wie es auf Bundesebene bereits seit vielen Jahren gehandhabt wird. Wann, wenn nicht jetzt – wir können es doch einfach machen. – Danke!

[Beifall bei der LINKEN –
[Beifall bei der SPD, der CDU,
den GRÜNEN und der FDP]

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