FDP-Antrag zur Missbilligung von Dr. Andrej Holm als Staatssekretär

Katina Schubert

Andrej Holm ist ein ausgewiesener Stadtsoziologe, ein international anerkannter Wissenschaftler, ein profunder Kenner der Berliner Wohnungswirtschaft und ein Kritiker der Gentrifizierungsprozesse in Berlin.

Rede als Video

Aus dem Wortprotokoll

4. Sitzung, 12. Januar 2017

lfd. Nr. 16:

Missbilligung der Ernennung von Dr. Andrej Holm als Staatssekretär für Wohnen

Antrag der Fraktion der FDP
Drucksache 18/0066

 

 

Präsident Ralf Wieland:

Bevor jetzt Frau Schubert das Wort für die Fraktion Die Linke nimmt, noch ein Hinweis: Das Fotografieren von Abgeordneten und das Veröffentlichen anderer Abgeordneter entspricht nicht unseren Regelungen. Deswegen bitte ich Sie noch einmal eindringlich, davon Abstand zu nehmen! – Frau Schubert, bitte schön!

Katina Schubert (LINKE):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eines vorweg: Die Linke hat die Rechtsnachfolge der PDS angetreten. Die PDS hat die Rechtsnachfolge der SED angetreten. Die Linke hat sich dieser Vergangenheit gestellt, hat sich damit auseinandergesetzt – sehr intensiv, das können Sie glauben oder nicht, die Dokumente kann ich Ihnen gerne zur Verfügung stellen. Die Linke ist nicht die Stasi-Partei, und ich bitte, diese Form der Denunziation hier auch zu unterlassen!

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Andrej Holm ist ein ausgewiesener Stadtsoziologe, ein international anerkannter Wissenschaftler,

[Zuruf von der CDU: Was? –
Lachen bei der CDU und der AfD]

ein profunder Kenner der Berliner Wohnungswirtschaft und ein Kritiker der Gentrifizierungsprozesse in Berlin.

Ja, es gibt Vertreter der Immobilienwirtschaft und andere, die eine soziale Umstrukturierung der Berliner Wohn- und Mietenpolitik ablehnen. Rot-Rot-Grün hat sich mit dem Koalitionsvertrag dazu bekannt, die Wohnungspolitik sozial zu gestalten, die Berliner Mischung in den Kiezen zu erhalten, Banlieues in Berlin zu verhindern. Deshalb haben wir Andrej Holm als Parteilosen gebeten, die Seiten von der Wissenschaft in die praktische Politik zu wechseln.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

In der Öffentlichkeit geht es jetzt um die Stasi-Vergan­genheit von Andrej Holm und um den Fragebogen bei der HU. Andrej Holm hat sich 2007 offenbart. Es war der Öffentlichkeit bekannt, dass er Offiziersschüler bei der Staatssicherheit war – von September 1989 bis zum 31. Januar 1990, fünf Monate während der Auflösung des MfS/AfNS. Er war zunächst beim Wachdienst und ging dann in die Bezirksverwaltung Berlin. Zu der geplanten Karriere beim MfS kam es nicht mehr. Und Andrej Holm hat mehrfach gesagt, dass er dankbar dafür ist. Er hat immer wieder gesagt, dass er dankbar für die Wende ist und dass er die Freiheit einer demokratischen Gesellschaft nach Kräften unterstützt. Da frage ich mich: Das soll 27 Jahre später verhindern, dass er ein öffentliches Amt bekleidet?

Als ich 18 Jahre alt war, war ich Juso, eine in Ihren Augen vermutlich lässliche Jugendsünde. Und nach dem Nato-Doppelbeschluss habe ich die SPD verlassen und war viele Jahre in antirassistischen Gruppen der undogmatischen Linken, übrigens nicht bei den Autonomen. Wenn mir damals mal jemand gesagt hätte, Sie werden mal Mitglied eines Parlaments oder Vorsitzende einer Regierungspartei sein, hätte ich das nicht geglaubt, hätte ich ihn ausgelacht.

[Zurufe]

Gnade der westlichen Geburt – ich hatte nicht die Situation, die Andrej Holm hatte!

Selbstverständlich müssen Politikerinnen und Politiker sorgfältig mit ihren Biografien umgehen. Das haben Mitglieder dieses Hauses auch schon schmerzvoll erfahren und ihre Fehler eingestanden. Und das ist okay. Wir brauchen auch Fehlertoleranz, damit wir um den richtigen Weg für diese Stadt ringen können. Auch Andrej Holm hat seinen Fehler zugegeben, den Personalfragebogen bei der HU nicht richtig ausgefüllt zu haben,

[Unruhe]

aus einer falschen Einschätzung seines damaligen Status heraus. Schaut man sich die Stasi-Akte genau an, war er damals mit ganz unterschiedlichen Statusangaben versehen. Sie können das nachlesen; die Akte ist ja öffentlich. Er kannte seine Akte nicht, damals, als er den Fragebogen der HU ausfüllte. Aber er hat zugestimmt, dass sein Arbeitgeber seine Akte bei der Stasi-Unterlagen-Behörde anfordert. Tut das jemand, der absichtlich täuschen wollte?

[Zuruf von rechts: Ja!]

Zumal selbst der Autor des Fragebogens, Peter Neumann, – das ist jetzt veröffentlich worden – sagte, der Fragebogen sei für die damaligen Zwecke schon gar nicht mehr tauglich gewesen.

Bleibt der Vorwurf, dass Andrej Holm nicht sorgfältig genug mit seiner Vergangenheit umgegangen ist, sie zu verharmlosen versucht habe. Ich weiß nicht, ob das wirklich zutreffend ist. Es ist nicht einfach für jemanden, sich zu offenbaren, dass er bei der Staatssicherheit ist. Und das, was wir hier in den letzten Stunden erleben, zeigt es ja auch noch einmal: Es ist ganz schwer, darüber ruhig zu reden, ohne hier angebrüllt zu werden. Trotzdem sage ich: Es sind Fehler passiert. Andrej Holm ist kein Berufspolitiker. Da muss er lernen. Aber auch hier ist die Realität nicht schwarz oder weiß.

Zum letzten Punkt, zum Linksextremismus: Eines geht nicht. Es ist letztinstanzlich eindeutig festgestellt worden, dass die Ermittlungen gegen Andrej Holm damals rechtswidrig waren. Es kann nicht sein, dass wir nach dem Motto verfahren: Schmeißen wir nur ordentlich mit Dreck, es bleibt schon etwas hängen. – Andrej Holm ist rehabilitiert.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Das bitte ich Sie anzuerkennen!

[Heiko Melzer (CDU): Wovon reden die denn?]