Gender-Budgeting stärken

Hendrikje Klein
FrauenpolitikHaushalt und FinanzenHendrikje Klein

76. Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses, 25. März 2021

Zu "Gender-Budgeting stärken – geschlechtergerechten Haushalt konsequent umsetzen" (Priorität der Fraktion der SPD)

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Drucksache 18/3505

Hendrikje Klein (LINKE):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Geschlechtergerechte Haushaltspolitik ist eine Grundvoraussetzung für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern nach Artikel 3 des Grundgesetzes.

Wenn z. B. öffentliche Investitionen zu 70 Prozent für die eine Hälfte der Gesellschaft durch den Staat verbaut wird und 30 Prozent für die andere Hälfte, entsteht ein Ungleichgewicht. Das ist keine Gleichberechtigung. Zwei konkrete Beispiele habe ich parat – das gute zuerst. Bibliotheken beschaffen jährlich viele neue Medien für die Nutzerinnen und Nutzer. Wenn das alles Bücher nach dem persönlichen Geschmack des Einkäufers wären, würden nicht mehr viele in die Bibliotheken gehen. Es gehört dazu, geschlechtersensibel auszuwählen, um so allen Nutzerinnen und Nutzern gerecht zu werden. Da ist ein Großteil unserer Berliner Bibliotheken wirklich vorbildlich.

Ich habe noch ein klassisches negatives Beispiel: der Sportbereich. Grundlegender Unterschied zwischen Frauen und Männern im Sport ist die Motivation. Für Männer steht mehrheitlich der Wettkampfaspekt im Vordergrund, für Frauen ist Sport eine Frage von Gesundheit und Fitness. Die Vorlieben führen dazu dass Frauen mehrheitlich in Räumen, Männer mehrheitlich im Freien sportlich tätig sind. Diese Unterschiede sind in diversen Studien belegt. Diese zeigen außerdem, dass das Funktionärswesen im Sport oft in männlicher Hand ist. Für die Gleichstellung der Geschlechter im Sport ist der gleichberechtigte Zugang zur Ressourcen wie Ausstattung, Preisgelder bei Wettkämpfen, Gehälter für Trainerinnen und Trainer sowie der Sportstättenbau eine wichtige Voraussetzung. Unsere Berliner Gender-Analyse zeigte damals, dass Sportanlagen für Sportarten und Freizeitaktivitäten, die hauptsächlich Frauen zugutekommen, eine deutliche Unterfinanzierung aufweisen.

Die öffentliche Sportförderung könnte mithilfe des Instruments des Gender-Budgetings die Gleichstellung im Sport fördern. Es müsste richtig umverteilt werden, doch der Wille für diesen Schritt fehlt bisher. Im Datensammeln sind wir gut. Da ist die Verwaltung bereits sehr gut. Damit lässt sich sehr gut was anfangen. Doch bei der Umsetzung hakt es. Dr. Mara Kuhl hat in der Anhörung im Ausschuss gesagt, dass es eine bürokratische Zumutung ist, diese Daten zu sammeln, aber dass es notwendig ist, um sie zu erkennen.

Ich kann die Beschäftigten in unserer Verwaltung verstehen, die aufwendig die Daten sammeln, und ansonsten passiert damit nichts: Das ist frustrierend. Wir als Parlament sind es unserer Verwaltung schuldig, unseren Teil ebenso zu erledigen.

Hier im parlamentarischen Beratungsprozess müssen Ziele zur Nutzung formuliert werden, ausgehend von der fachlichen Vorarbeit der Verwaltung, und die gesammelten Gender-Daten müssen mit dem zu verteilenden Budget verbunden werden, und wenn der Budget-Bezug hergestellt ist, muss einfach umverteilt werden. Umverteilung ist nun mal unser parlamentarisches Kerngeschäft – ein politisches Kerngeschäft.

Hierzu wollen wir mit unserem Antrag einladen. Es ist nicht so, als würden wir von vorne anfangen, und es ist auch nicht so, als würden bestimmte Ziele nicht schon längst formuliert worden sein. Trotzdem passiert zu wenig. In den Haushaltsberatungen im Hauptausschuss tagen wir gefühlt täglich, immer bis in die Nacht und über mehrere Wochen hinweg, sodass wir froh sind, dass wir dann auch einen Haushalt haben, und wir nehmen dann leider immer eher erschöpft den Gender-Budgeting-Bericht zur Kenntnis. Wir, die dieses Instrument schätzen und weiterbringen wollen, üben dann leise Selbstkritik, dass wir dem Bericht nicht mehr Beachtung geschenkt haben. So ging es mir jedenfalls immer.

Doch ich möchte, dass die Frauen in der Verwaltung gemessen an Ihrem Anteil genau so starke Fortbildung genießen dürfen, wie die Männer in den Chefpositionen.

Ich möchte, dass Mädchen genauso in Sportvereinen aktiv sind wie Jungen. Ich möchte, dass Väter Beratungsangebote annehmen wie Mütter. Ich möchte, dass Frauen nicht nur auf ihre Moderatorinnenrolle reduziert werden und ansonsten gerne Männer auf das Podium geladen werden und dafür gute Honorare bekommen.

Ich möchte, dass Frauen wirksamer durch unsere Filmförderung gestärkt werden. Ich möchte, dass Frauen mit den Coronahilfen stärker geholfen wird. Ich möchte, dass neben jeder Toilette Hygieneeimer stehen. Das ist z. B. in Schulen aus Kostengründen nicht immer der Fall. Und ich möchte, dass in der Gesundheitsforschung ebenso viel Geld in die Frauengesundheitsforschung gesteckt wird wie für den klassischen männlichen Herzinfarkt.

Und zu guter Letzt, was ich in meiner heutigen Aufzählung noch möchte: Ich möchte ein Paritätsgesetz, damit mindestens ebenso viele Frauen als Abgeordnete über Steuergelder entscheiden wie Männer.

Ich glaube, damit bin ich schon sehr deutlich geworden, warum das so wichtig ist. Liebe Grüße an Ines! Du bist klasse, und mit dir an der Seite wird das was. Liebe Koalition, ich finde dich und, dass wir das machen, auch super. Weiter geht es!

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