Klagerecht für Tierschutzverbände

Michael Efler
TierschutzMichael Efler

48. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, 31. Oktober 2019

Zu Gesetz zur Einführung des Tierschutzverbandsklagerechts (Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen)

Dr. Michael Efler (LINKE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Anscheinend herrscht bei diesem Thema große Einigkeit. Auch meine Fraktion begrüßt außerordentlich, dass wir jetzt den Gesetzentwurf zum Tierschutzverbandsklagerecht vorliegen haben. Ich persönlich habe mich bei den Koalitionsverhandlungen sehr stark dafür eingesetzt und hätte mir gewünscht, dass der Entwurf etwas schneller ins Parlament kommt. Aber immerhin ist er jetzt hier. Ich möchte darauf hinweisen, dass es der dritte institutionelle Fortschritt im Bereich des Tierschutzes ist, den wir in dieser Wahlperiode auf den Weg bringen. Wir haben eine hauptamtliche Tierschutzbeauftragte eingesetzt, einen Tierschutzbeirat einberufen und nun das Verbandsklagerecht initiiert. Das ist ein sehr, sehr guter Schritt, den wir hiermit tun. Wir heben den Tierschutz auf ein neues Level. Ich glaube, es gab kaum eine Zeit, in der so viele tierschutzpolitische Verbesserungen beschlossen wurden wie in diesen drei Jahren in Berlin. Darauf bin ich stolz; das ist gut.

Ich bedanke mich auch außerordentlich bei Senator Dirk Behrendt dafür, dass er das – eher weniger vergnügungssteuerpflichtig – durchgebracht hat durch den Senat.

Warum das Gesetz sinnvoll ist, wurde schon von einigen erwähnt; das kann ich relativ kurz fassen: Das juristische Ungleichgewicht beim Tierschutz wird beseitigt. Hinzu kommt der subjektive Rechtsschutz – Tiere können sich nicht selbst vor Gericht vertreten. Übrigens ist das Strafrecht keine Alternative, weil viele Verstöße gegen das Tierschutzrecht nun einmal nicht strafbewehrt sind. Das Strafrecht sollte wirklich der Ahndung ganz gravierender Verstöße vorbehalten sein, und nicht für – in Anführungsstrichen – normale Verstöße gegen den Tierschutz gelten.

Ich will noch auf eines hinweisen: Verbandsklagerechte haben wir beispielsweise auch im Naturschutz- und Umweltrecht. Dort ist die Erfolgsquote erheblich höher als bei normalen Verwaltungsgerichtsprozessen. Bei Verbandsklagen im Bereich des Naturschutzrechts haben wir eine Erfolgsquote von 40 Prozent, bei normalen Verwaltungsgerichtsprozessen hingegen von 15 Prozent. Das zeigt schon, dass diese Instrumente effektiv sind, und das führt dazu, dass sich natürlich auch Behörden sehr viel sorgfältiger vorbereiten und ihre Entscheidungen begründen. Das trägt also wirklich zu einer verbesserten Rechtsanwendung bei und ist ein gutes Argument für das Tierschutzverbandsklagegesetz.

Wichtig ist mir auch: Wir sollten nicht nur über die Klagerechte reden. Wir haben im Gesetz ja auch die Mitwirkungsmöglichkeiten für die Tierschutzorganisationen. Auch das ist sehr, sehr wichtig. Wir werden hier sehr viel mehr Sachverstand in tierschutzrechtliche Rechtsakte oder in die Vorbereitung von Rechtsakten und mehr Beteiligung bekommen, und auch das passt sehr, sehr gut.

Ich will nun noch versuchen, mit einigen Mythen aufzuräumen, die es immer wieder bei Debatten um Tierschutzverbandsklagegesetze in der Vergangenheit und auch hier bei den Berliner Beratungen parallel zur Senatsbefassung gab: Klagewelle – ist schon angesprochen worden. Politiker sollten vielleicht nicht so viel versprechen, aber ich verspreche hoch und heilig: Es wird keine Klagewelle geben aufgrund dieses Gesetzes. – Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass nur anerkannte, gemeinnützige Verbände überhaupt klagen können. Es ist mit Kosten verbunden. Wenn man sich die Erfahrungen in anderen Bundesländern ansieht, ist das Ganze sehr, sehr maßvoll eingesetzt worden. – Das wird also nicht passieren, sondern man wird sich sehr genau überlegen, in welchen Fällen man das machen will.

Der Forschungsstandort Berlin wird auch nicht zusammenbrechen. Das ist ja von Einzelnen zumindest bei einer bestimmten Ausgestaltung des Verbandsklagegesetzes  tatsächlich ernsthaft befürchtet worden. Das wird nicht passieren – allein schon deshalb, weil es keine Klagewelle gibt, aber auch deshalb, weil ich den Forschungsinstitutionen nicht unterstelle, dass sie gegen geltendes Recht verstoßen. Insofern müssen wir auch hier gar nichts zu befürchten haben.

Dann wird gelegentlich eingewandt, Verbandsklagerechte wären ein Fremdkörper im Recht – ein bisschen klang das auch bei Herrn Vallendar an: Ich will nur darauf hinweisen, dass es Verbandsklagerechte jetzt schon in vielen, vielen Rechtsgebieten gibt – im Umweltrecht, im Gleichstellungsrecht, im Verbraucherschutzrecht, im Wettbewerbsrecht, und auch in anderen Rechtsgebieten kann man darüber nachdenken. Wir wollen es natürlich nicht in allen Gebieten einführen, sondern da, wo es wirklich Sinn macht. Aber es ist sicherlich kein Fremdkörper, sondern ein Bestandteil in mehreren Rechtsgebieten.

Ich will aber schon noch bei den Beratungen über dieses Gesetz an der einen oder anderen Stelle schauen, auch Verbesserungen zu beschließen. Ich glaube nicht, dass wir schon ein zu 100 Prozent perfektes Gesetz vorgelegt haben. Ich will nur einen einzigen Punkt benennen, und zwar sollen Tierschutzorganisationen, soweit sie mitwirken, erst nach der Erteilung von Genehmigungen im Tierversuchsbereich Stellung nehmen können. – Das finde ich, ehrlich gesagt, ziemlich sinnlos. Also wenn man schon ein Mitwirkungsrecht bekommt, muss man das vor Erteilung einer Genehmigung tun können und nicht hinterher. Das ist nicht das Gleiche wie die Anfechtungsklage, sondern es geht hier um das Mitwirkungsrecht. Das gibt es so auch in keinem anderen Bundesland, dass man das quasi nachgelagert macht. – Ich denke, diesen Punkt und einige weitere sollten wir machen.

Zum Schluss möchte ich noch die Tierschutzbeauftragte in Hessen zitieren, weil sie eigentlich alles in einem Satz gesagt hat, warum man so ein Instrument braucht: Es gibt keinen wirksameren Weg, Tierschutz mit Leben zu füllen, als sich dafür übliche, rechtsstaatliche Methoden dienstbar zu machen. – Das sollte allen, die sich für den Rechtsstaat interessieren – und ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass es noch einige hier in diesem Haus sind  –, zu denken geben, und ich hoffe auf eine breite Mehrheit bei der Verabschiedung des Gesetzes. – Vielen Dank!

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