Kooperationsverbot in der Bildung aufheben

Wenn Kooperationen als zweckgerichtetes, arbeitsteiliges Zusammenwirken verstanden werden, um ein gemeinsames Ziel, z. B. gute Bildung für alle, zu erreichen, so müssen wir leider feststellen, dies ist in Deutschland zwischen Bund und Ländern seit der Föderalismusreform von 2006 verboten.

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Aus dem Vorab-Wortprotokoll

9. Sitzung, 6. April 2017

lfd. Nr. 3.3:

Priorität der Fraktion Die Linke

Tagesordnungspunkt 20

Kooperationsverbot im Bildungsbereich aufheben

Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Drucksache 18/0238

 

Regina Kittler (LINKE):

Vielen Dank, sehr geehrte Frau Präsidentin! – Sehr geehrte Abgeordnete! Bildung erwerben ist für Menschen ein Entwicklungsprozess, der sie ihr Leben lang begleitet und in dem sie ihre geistigen, kulturellen und praktischen Fähigkeiten sowie ihre sozialen und persönlichen Kompetenzen erwerben. Das ist wohl unbestritten ein lebenswichtiger Prozess. Hierfür allen die besten Bedingungen zu schaffen, sollte Aufgabe unseres Sozialstaates, also auch der Bundesregierung und der Landesregierungen, sein.

Wenn Kooperationen als zweckgerichtetes, arbeitsteiliges Zusammenwirken verstanden werden, um ein gemeinsames Ziel, z. B. gute Bildung für alle, zu erreichen, so müssen wir leider feststellen, dies ist in Deutschland zwischen Bund und Ländern seit der Föderalismusreform von 2006 verboten. Dieser Irrsinn hat einen Namen. Er heißt Kooperationsverbot. Bildung ist Ländersache, obwohl alle Bundesländer vor ähnlichen oder auch gleichen Herausforderungen stehen. Als ob man diese Herausforderung besser meistert, wenn man nicht zusammenarbeitet! 

Nicht nur in Berlin ist das Bildungssystem strukturell unterfinanziert, und die Aufgaben und Probleme sind in den letzten Jahren immer weiter gewachsen. An erster Stelle steht die Aufgabe, endlich den Bildungserfolg von der sozialen Herkunft oder der sozialen Lage unabhängig zu machen, übrigens im gesamten Bundesgebiet – dies an den Herrn von der FDP, der das vorhin nur zum Berliner Problem machen wollte. Das beginnt mit den Chancen in der Kita, setzt sich fort in der Schule und im außerschulischen Bereich, in der Ausbildung, im Studium und auch in der Fort- und Weiterbildung. Letztlich zeigt sich die soziale Spaltung auch darin, aus welchen sozialen Schichten die vielen Menschen kommen, die keinen Schulabschluss oder keine Berufsausbildung haben. Bildungspolitische Herausforderung wie der notwendige Ausbau von Ganztagsschulen, von interkultureller Bildung und von Schulsozialarbeit, die Gewährleistung des Rechts auf Bildung für Geflüchtete und die Schaffung von genügend Kita- und Schulplätzen stehen vor allen Bundesländern.

Hinzu kommt der Investitionsstau in großen Teilen der Bildungslandschaft der Bundesrepublik, der allein bei den Schulen auf gegenwärtig 34 Milliarden Euro geschätzt wird. Daran wird schon deutlich, dass das strukturelle Problem der Unterfinanzierung der Kommunen und Länder mit der Bereitstellung von 3,5 Milliarden Euro über ein Bundesprogramm auch nicht gelöst werden kann. Natürlich nimmt jedes Bundesland Mittel aus Programmen gerne an, aber Programme haben alle ein Hauptproblem: Sie enden irgendwann. Selten ist die Arbeit nachhaltig, oder die Länder können die Nachhaltigkeit gut entstandener neuer Strukturen nicht finanzieren.

Es fehlt hier die Zeit, auf alle Schwerpunktaufgaben einzugehen, die vor den Ländern stehen. Ich möchte aber noch zwei herausgreifen. Erstens: Die Bundesrepublik hat als einer der ersten Staaten die UN-Behinderten­rechts­konvention unterzeichnet; sie trat bei uns 2009 in Kraft. Umsetzen sollen sie aber die Länder, ohne allerdings die dafür notwendige, auch finanzielle Unterstützung des Bundes zu bekommen. Dabei brauchen sie auch hierfür in Größenordnungen Investitionsmittel und die notwendigen multi-professionellen Fachkräfte in Kita, Schule und Aus­bildung.

Zweitens: Als letzte allen Ländern gemeine Schwer-
punktaufgabe sei die Entwicklung der digitalen Bildung und Medienkompetenz genannt. Die Bundesministerin hatte hierzu im vorigen Jahr einen Digitalpakt angekündigt. Über ein aufzulegendes Programm sollten die Länder für ihre Schulen in den nächsten Jahren 5 Milliarden Euro bekommen – für ihre IT-Ausstattung. In den Eckdaten der Haushaltsplanung des Bundes taucht dieses Geld jedoch nicht auf, dafür aber mehr Geld für Rüstung und innere Sicherheit. Ein Programm ist ja auch nicht die Pflicht, sondern die Kür.

Es wird deutlich, dass an vielen Ecken und Enden Geld, durchdachte Konzepte und bundesweite Standards fehlen. Genau hier könnte der Bund dank seiner größeren Finanzkraft helfen, doch er darf es nicht. So werden sich die armen Bundesländer wichtigen bildungspolitischen Zielen weiter nur im Schneckentempo nähern, und die reichen feiern ihre Erfolge und bleiben unsolidarisch. Das kann nicht unser Ziel sein.

[Beifall bei der LINKEN und der SPD –
Beifall von Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE)]

Berlin sollte sich deshalb dringlich im Bundesrat dafür einsetzen, dass aus dem Kooperationsverbot ein Kooperationsgebot wird. Tun wir etwas dafür!

[Beifall bei der LINKEN und der SPD –
Beifall von Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE)]

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