"Original Play" in Berlin untersagen

48. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, 31. Oktober 2019

Zu „Original Play“ in Berlin untersagen (Priorität der Fraktion der FDP)

Katrin Seidel (LINKE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! – Sehr geehrte Damen und Herren! Es geht heute um ein wirklich wichtiges Thema, den Kinderschutz in Einrichtungen. Gerüchte, Herr Fresdorf, und Aufgeregtheiten helfen uns dabei nicht weiter. Es geht um sachliche Aufklärung und Konsequenzen. Wenn man immer schon alles vorher weiß, ist es schwierig, und Panikmache tut uns auch nicht gut.

Halten wir noch einmal fest: Derzeit ist keine Kita in Berlin bekannt, die „Original Play“ praktiziert.

[Burkard Dregger (CDU): Wer sagt das? –
Zuruf von der FDP]

– Nein, gibt es aktuell nicht. Es gibt auch keine aktuellen Hinweise, dass dies in anderen Einrichtungen passiert. Vor über einem Jahr gab es juristische Prüfungen in der Kreuzberger Kita, aus gegebenem Anlass, die eingestellt wurden. Fakt ist auch, dass die zuständige Senatsjugendverwaltung im Rahmen der Prüfung das Konzept für fragwürdig hielt und hält und die Risiken unter dem Aspekt des Kinderschutzes klar benennt. Dies hat sie auch per Schreiben an die Träger so klargemacht: Die Methode ist nicht anzuwenden.

Nun könnte man sagen, die Anträge haben sich erledigt. Der Senat hat die Anwendung untersagt und fertig, aber so einfach ist es eben doch nicht. Dazu drei Anmerkungen – erstens: Wir nehmen die Thematik sehr ernst, wir sind erschrocken, und wir sehen Handlungsbedarf im Hinblick auf Aufklärung und Konsequenzen. Wir lehnen eine sogenannte pädagogische Methode ab, bei der Kinder lernen – es ist schon beschrieben worden –, dass es okay und normal ist, mit fremden Erwachsenen Körperkontakt zu haben. Mir persönlich ist völlig unverständlich, dass solche Angebote zum Einsatz kommen.

Es gibt genug andere und gute Methoden, durch die Kinder Selbstvertrauen lernen können, ohne Grenzüberschreitungen im Umgang mit Nähe und Distanz.

Zweitens: In den Anträgen geht es um das kommerzielle Angebot von „Original Play“ in Kitas. Darauf sind beide Anträge sehr strikt fokussiert. Was ist aber mit möglicherweise vergleichbaren Angeboten – die Kollegin Kühnemann-Grunow hat auch schon darauf hingewiesen – und das nicht nur in Kitas, sondern auch in anderen Einrichtungen?

Darüber kann der Senat gar keinen Überblick haben. Der Markt ist groß, „Original Play“ agiert sogar weltweit, denn damit lässt sich gutes Geld verdienen, auch mit den Büchern und den Fortbildungsangeboten. Da ist nichts zu genehmigen. Gerade von Ihrer Seite heißt es ja immer, das regelt der Markt.

Aber auch wenn wir diese Meinung nicht teilen, ist der Nachweis dafür, dass etwas strafrechtlich relevant ist und verboten gehört, zumindest sehr schwierig zu erbringen. Dieser Versuch ist ja bereits in Hamburg gescheitert. Wir finden es richtig, dass der Senat ein Verbot prüft, wie es der CDU-Antrag auch fordert, aber ob das gelingen wird, ist schwierig, das wissen Sie auch, meine Damen und Herren von der CDU und der FDP!

Und drittens: Verbote sind das eine, doch darauf kann man sich nicht verlassen, weil es noch mehr fragwürdige Angebote gibt. Wir brauchen also, wie wir meinen, den sicheren Blick der Fachkräfte, um nicht auf Konzepte reinzufallen, die pädagogisch bedenklich oder sogar gefährlich sind. Kritische Eltern, die hingucken und hinterfragen, was an pädagogischer Arbeit in den Kitas passiert – dafür gibt es die Elternbeteiligung in den Kitas, die zu stärken ist. Wir brauchen aber vor allem ein verbindliches Verfahren, das regelt, wo sich Träger, Kitaerzieherinnen und -erzieher und Eltern hinwenden können, wenn Ihnen auffällt, dass etwas nicht in Ordnung ist, das solche Fragen und Hinweise ernst nimmt und prüft und schnell reagiert, auch landesweit mit Schreiben an Träger und Kitas, die informieren und warnen und unter dem Aspekt des Kinderschutzes auch juristische Konsequenzen ziehen.

Aktuell kümmert sich die Kitaaufsicht um solche Fälle. Das funktioniert auch gut, wie Kreuzberg gezeigt hat. Da funktioniert die Meldepflicht. Gut wäre aber unserer Meinung nach die Meldung an die Jugendämter, wo dezentral Kinderschutzbeauftragte arbeiten und die richtigen Ansprechpartner dafür sind. Und wir brauchen ein Verfahren über Berlin hinaus; Hamburg wurde schon genannt. Es ist nicht selten, dass Anbieter solcher fragwürdigen Konzepte, Programme oder Ähnlichem bundesweit agieren oder eben wie bei „Original Play“ sogar aus dem Ausland kommen. Da muss der schnelle Austausch auch zwischen den Ländern erfolgen. Das ermöglicht gemeinsame Prüfungen, eine gemeinsame Meinungsbildung und Information und über die Ministerien Fachkräfteportale, damit bundesweit agierende Interessenverbände auch schnell vor Ort ankommen.

Wir finden es auch richtig, dass das Bundesfamilienministerium eine Prüfung von „Original Play“ zugesagt hat. Auch der Kinderschutzbund arbeitet bereits an einer Analyse der Methode und wird in den kommenden Tagen eine fundierte Stellungnahme vorlegen. Das sind insgesamt alles gute Voraussetzungen für eine Beratung im Fachausschuss. Ich teile die Meinung der Kollegin Kühnemann-Grunow, dass wir über diese beiden Anträge heute nicht sofort abstimmen sollten. Wir schlagen stattdessen vor – wir sind ja auch angetreten, um anders zu regieren, wir möchten einen konstruktiven Vorschlag machen –, die Anträge mit auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung zu setzen, wo der Kinderschutz zentrales Thema ist. Das wäre, denke ich, auch im Sinne einer dringlichen Behandlung. – Danke schön!