Reaktivierung der Siemensbahn

Kristian Ronneburg

46. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, 12. September 2019

Reaktivierung der Siemensbahn als S‑Bahnstrecke vorbereiten (Antrag der Fraktion der FDP)

Kristian Ronneburg (LINKE):

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Sehr geehrte Damen und Herren! Die Frage richtet sich an Herrn Moritz, der muss das Fertigstellungsdatum dann nachher liefern.

[Harald Moritz (GRÜNE): Macht er!]

Entschuldigung! – Ich werde noch mal allgemeiner etwas zu der Siemensbahn sagen.

Wir beschäftigen uns heute in der Plenarsitzung – das wurde bereits eingangs erwähnt – interessanterweise mit einem Antrag, der von der einreichenden Fraktion, der FDP-Fraktion, im Einvernehmen mit den anderen Fraktionen im Fachausschuss bereits für erledigt erklärt wurde. Warum wurde er für erledigt erklärt? – Es geht um die Siemensbahn. Die FDP und Herr Schmidt hatten dazu im Mai 2017 einen Antrag eingebracht, der vorsieht, ein Konzept und einen Zeitplan für die Reaktivierung der Siemensbahn zu erarbeiten. Die Welt hat sich seitdem weitergedreht. Wir hatten im Juni die Debatte im Fachausschuss darüber, also in einer Zeit, in der wir mittendrin in den Vorbereitungen für i2030 waren, als auch die Untersuchungen für die Trassenkorridore stattfanden. Die Linksfraktion, auch die Koalition, hatte seinerzeit mitgeteilt, dass wir der Idee einer Reaktivierung der Siemensbahn sehr positiv gegenüberstehen. Im März 2018 verkündeten dann Berlin und Brandenburg gemeinsam mit dem VBB und der Deutschen Bahn die jeweiligen Korridore für i2030. Damals war die Siemensbahn leider noch nicht dabei.

Bekanntlich kam erst richtig Schwung in die Sache, als klar wurde, dass Siemens 600 Millionen Euro in einen neuen Campus stecken wird. Im Sommer haben dann Bahn und Senat einen Vertrag unterschrieben – das wurde erwähnt –, um das Projekt planerisch voranzutreiben. 2,3 Millionen Euro stellt das Land Berlin für erste Planungen zur Verfügung. Die Machbarkeitsstudie der Deutschen Bahn läuft, und sie wird dann vermutlich auch in einigen Monaten vorliegen, denn es müssen wichtige Fragen im Rahmen der Reaktivierung der Strecke diskutiert, geprüft und beantwortet werden. Das ist – das wurde eingangs erwähnt – heutzutage etwas anderes als zu früheren Zeiten. Das Planwesen hat sich nicht unwesentlich verändert, Herr Schmidt.

Die Anbindung an den Bahnhof Jungfernheide muss geklärt werden, auch der Umgang mit dem Viadukt, der Trassenaufbau, die Verlegung der Gleise, die Reaktivierung von Bahnhöfen und natürlich auch die Frage der Verlängerung über Gartenfeld hinaus. Aus unserer Sicht ist eine Verlängerung der Siemensbahn bis zur Wasserstadt absolut notwendig. Die Wohnungsneubauzahlen sind bereits in der Debatte genannt worden. Es ist wirklich gewaltig, was in Spandau passiert, was dort auch an Planungen läuft. Da muss die Verkehrsinfrastruktur natürlich mitgedacht werden, sie muss mitwachsen. Wir sind jetzt schon sehr spät dran, und viele Verzögerungen können wir uns hier auch nicht leisten.

Generell muss ich kritisch anmerken, dass diese Entscheidung – ich habe es erwähnt – für die Siemensbahn tatsächlich erst getroffen worden ist, als absehbar war, dass ein Großkonzern um die Ecke kommt. Der massive Wohnungsneubau reichte an dieser Stelle vorerst nicht zur Durchsetzung einer Entscheidung für die Reaktivierung der Bahn aus. Insofern können wir über diese Entscheidung natürlich glücklich sein, es verdeutlicht aber auch die Notwendigkeit – auch aus Sicht der Verkehrspolitiker und -politikerinnen in diesem Haus – in dieser Debatte darauf aufmerksam zu machen, dass es eigentlich anders herum sein müsste.

Wenn wir Wohnungsneubau in Größenordnungen in dieser Stadt wollen, dann müssen wir auch so mutig sein und Entscheidungen für die Verkehrserschließung frühzeitig treffen.

Die Debatten über eine ober- oder unterirdische Weiterführung über Gartenfeld hinaus, halte ich für schwierig. Ich finde, die oberste Priorität sollte sein, eine realistische Variante für die Weiterführung zu finden. Einen unterirdischen Bau unter der Insel Gartenfeld halte ich für unrealistisch. Zum einen wären da die immensen Kosten von mindestens 40 Millionen Euro, die stehen ja im Raum und es wird wahrscheinlich noch deutlich mehr werden, und zum anderen wäre es auch zeitlich gesehen ein schwieriges Unterfangen, wenn wir jetzt schon sehen, welche massiven Probleme auftreten können, sollte die Verkehrsinfrastruktur mit den Wohnungsneubauzahlen nicht mitwachsen. Wir müssen also Wege finden, wie wir die Bebauungspläne in Einklang mit einer anwohnerfreundlichen, oberirdischen Führung der Trasse bringen können. Eigentlich zeigt die Diskussion über die Siemensbahn auch den dringenden Handlungsbedarf im Schienenverkehr, den wir nicht erst seit dem heutigen Tag haben. Wir dürfen dabei aber auch nicht die verschiedenen wichtigen Strecken gegeneinander ausspielen. Trotz ihrer Bedeutung darf das Vorantreiben der Siemensbahn nicht zur Vernachlässigung anderer wichtiger Strecken führen, die wir zur Lösung der Pendlerverkehre dringend benötigen, also zum Beispiel die Verbindung nach Falkensee und Nauen, die Stammbahn oder auch die Nahverkehrstangente im Osten Berlins.

i2030 ist erst einmal ein Meilenstein in der länderübergreifenden Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg, aber es braucht eben auch weitere ambitionierte Schritte. 2030 erwarten wir schon 40 Prozent mehr Fahrgäste, auf den pendlerstarken Achsen werden wir in zehn Jahren eine Verdopplung erfahren. Wir müssen also i2030 schlagkräftiger machen, die Projekte konsequent abarbeiten, wir müssen aber auch Prämissen hinterfragen, Lücken identifizieren und diese möglichst schließen. Das heißt, wir brauchen auch den Fokus darauf, wo wir Verdichtungen kurz- und mittelfristig möglich machen können, ohne dass Infrastruktur ausgebaut werden muss, wir müssen also auch Entscheidungen als Koalition treffen, wo mehr Züge fahren können, wo es die Infrastruktur eben auch noch zulässt. Das werden die nächsten wichtigen Hausaufgaben sein. Ich freue mich auf die weiteren Debatten und natürlich auch auf die weiteren Debatten in diesem Haus zur Siemensbahn. – Vielen Dank!

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Kristian Ronneburg