Sharing-Fahrzeuge besser regulieren

Kristian Ronneburg
VerkehrKristian Ronneburg

81. Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses, 17. Juni 2021

Zu "Gesetz zur Anpassung straßenrechtlicher Bestimmungen insbesondere im Hinblick auf das gewerbliche Anbieten von Mietfahrzeugen"

Kristian Ronneburg (LINKE):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Was lange währt, wird hoffentlich am Ende doch noch gut. So würde ich persönlich den folgenden Gesetzesentwurf mit dem etwas sperrigen Titel „Gesetz zur Anpassung straßenrechtlicher Bestimmungen insbesondere im Hinblick auf das gewerbliche Anbieten von Mietfahrzeugen“ charakterisieren.

Worum geht es? – In den letzten Jahren haben sich in den Großstädten und dort vor allem in den Zentren neue Mobilitätsangebote im Bereich der Mietfahrzeuge entwickelt und massiv konzentriert. Alle Metropolen und Großstädte weltweit sind dabei auch von neuen Nutzungskonflikten im öffentlichen Raum und von den verkehrlichen Auswirkungen durch neue Mietfahrzeugflotten betroffen. Wir in Berlin stehen in Deutschland im Mittelpunkt als größter potenzieller Markt. Angefangen vom Carsharing über das Bikesharing hin zum Sharing von E-Scootern, E-Rollern und vielem mehr, gehören Fahrzeuge zum Mieten heute zum Alltag vieler Menschen. Sie werden in der Freizeit benutzt, für den Weg zur Arbeit, zum Einkaufen und für andere Zwecke. Wenn dadurch Autofahrten eingespart werden können, sind sie ein guter Beitrag für das Klima, dann sind sie ein Baustein für die Gestaltung der Verkehrswende in Berlin. Dennoch führen viele Angebote leider eben nicht immer zum Einsparen von Autofahrten, sondern zu mehr Verkehr, zu einer Kannibalisierung des Umweltverbundes und zu Beeinträchtigungen im öffentlichen Raum. Dabei sind künftige Entwicklungen noch gar nicht absehbar. Denn wer von uns hat denn 2016 zu Beginn dieser Legislaturperiode schon an E-Scooter gedacht?

Es gibt in diesem Markt der Sharinganbieter viel Dynamik. Sehr viele Start-ups sind unterwegs, sammeln viel Kapital ein, und auch für viele Autokonzerne ist es eine weitere Unternehmung geworden, um Zukunftsfähigkeit zu sichern und einen Markt abzudecken. Dynamik bedeutet hier aber auch, viele Anbieter kommen und viele Anbieter gehen auch wieder und lassen zum Dank ihre Fahrzeuge in der Stadt zurück, ohne sich wirklich darum zu kümmern. Das ist in der Vergangenheit leider auch so passiert.

Viel zu lange haben Städte, dazu zähle ich Berlin explizit dazu, diesen Entwicklungen nur zugeschaut. Erst mit dem Markteintritt der Mietfahrräder und spätestens bei den E-Scootern sind viele aufgewacht. Ich denke, man muss auch kritisch konstatieren, dass sich viele E-Scooter-Anbieter keinen Gefallen damit getan haben, so schnell und massiv aufzutreten. Dadurch sind viele Probleme und Einschränkungen für die Berlinerinnen und Berliner entstanden. Das hat zu Unmut und Imageproblemen geführt.

Warum haben aber die Städte nur zugeschaut? – Ich denke, das speist sich vor allem aus zwei Gründen: erstens, aus einer vermeintlichen rechtlichen Unsicherheit. Es gibt immer wieder die Auffassung, dass die Anbieter gemäß des Gemeingebrauchs das öffentliche Straßenland ohne Genehmigung jederzeit nutzen könnten, um dort ihre Fahrzeuge zum Verleihen anzubieten, weil angeblich der verkehrliche und nicht der gewerbliche Nutzen im Vordergrund stehe. Die Situation 2021 mit einem massiven Konkurrenzkampf der Anbieter ist aber eine andere als in den Achtziger- oder Neunzigerjahren. Neuere Gerichtsurteile und Kommentierungen unterstützen uns in unserem Gesetzesvorhaben. Nehmen wir einmal den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster aus dem November 2020 zum Abstellen von Mietfahrrädern im öffentlichen Straßenraum. Darin hat das Gericht festgestellt – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten:

Die Nutzung der Straße durch Abstellen unabhängig vom Standort zu mietender Fahrräder ist kein Gemeingebrauch, sondern Sondernutzung. Denn sie findet nicht vorwiegend zum Zweck des Verkehrs, sondern zu anderen Zwecken statt.

Ich empfehle Ihnen dazu auch den Kommentar von Prof. Dr. Matthias Johannes Bauer aus Duisburg.

Wir haben in den letzten Jahren viel versucht, der Senat hat versucht, mit den Anbietern ins Gespräch zu kommen, freiwillige Vereinbarungen gab es, es gab Runde Tische. Die haben allerdings nicht zu dem Erfolg geführt, den wir uns vorgestellt haben. Es kommt immer noch weiter zu Problemen. Ich bin der Meinung, dass die Senatsverwaltung nicht immer alle Ergebnisse mit letzter Entschiedenheit und Konsequenz verfolgt hat. Wir stehen jedoch in der Verantwortung, zu gestalten, wenn wir Missstände sehen, diese abzustellen und auch unsere rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Es geht ja nicht nur um Behinderungen im öffentlichen Straßenraum, es gibt noch einen weiteren Aspekt. Die Angebote ballen sich im Innenring und in den Außenbezirken passiert viel zu wenig, denn gerade dort brauchen wir mehr Alternativen zum Auto. Da gibt es viel zu wenig. Da brauchen wir intelligente Mobilitätsketten, über die ganze Stadt verteilt brauchen wir sie. Da sollte auch die Sharing-Branche eine größere Rolle spielen.

Mit diesem Gesetz unternehmen wir also den Versuch, zwei Probleme zu lösen: zum einen, endlich die Einhaltung der Regeln durchzusetzen und zum anderen, diese Angebote stadtverträglich zu regulieren und mit den Anbietern über die Innenstadt hinaus zu erweitern. Dafür wird mit diesem Gesetz das gewerbliche Anmieten von Mietfahrzeugen als straßenrechtliche Sondernutzung bestimmt. Künftig brauchen also alle Unternehmen eine Erlaubnis. Auf der Grundlage von Nebenbestimmungen etwa zur Anzahl der Fahrzeuge, zur Auf- und Abstellung der Fahrzeuge, zur Beseitigung widerrechtlich abgestellter Fahrzeuge sollen diese Angebote künftig entsprechend reglementiert werden können.

Ich möchte jetzt zum Schluss kommen. Ich möchte noch zwei Fragen meiner Fraktion hier in den Vordergrund rücken, die wir an den Gesetzesentwurf haben. Zum einen fragen wir uns, wenn wir eine Sondernutzung einführen: Wer soll sie erteilen und kontrollieren? Was wir nicht wollen, sind ein regulatorischer Flickenteppich und Abstimmungsprobleme zwischen den Bezirken. Deswegen plädieren wir beim Modell der Sondernutzung dafür, dass dies die Hauptverwaltung übernimmt, denn Friedrichshain-Kreuzberg kann schlecht Nebenbestimmungen zum Angebot in Marzahn-Hellersdorf aufnehmen. Aber wir stellen uns auch die Frage, ob die Sondernutzung tatsächlich der Königsweg ist. Ist es sinnvoll, eine allgemeine Gebühr zu erheben und darüber den Zugang zu regeln, oder sollte es nicht doch ein offenes Ausschreibungsverfahren, eine Konzessionierung sein? Denn ob wir über eine Nebenbestimmung für die Sondernutzung tatsächlich die Ausweitung der Angebote über die Innenstadt hinaus in dem gewünschten Maße hinbekommen, ist zweifelhaft. Deswegen wollen wir gerne über ein Konzessionierungsmodell reden. Lassen Sie uns auf jeden Fall im Ausschuss, wir haben bald eine Anhörung, mit den Anbietern, mit Experten die Diskussionen führen. Lassen Sie uns noch gemeinsam den politischen Willen mobilisieren, in dieser Legislaturperiode das Gesetz zu beschließen.

Lesen Sie sich bitte auch noch mal den eindringlichen Aufruf des Allgemeinen Blinden- und Sehbehindertenvereins, des Landesseniorenbeirats, des Sozialverbands Deutschland und FUSS e. V. durch. Die haben auch noch mal eindringlich an uns, an den Senat und das Abgeordnetenhaus, appelliert, nicht mehr auf freiwillige Vereinbarungen zu setzen. Wir sind der Überzeugung, das ist auch der richtige Weg. Wir brauchen klare Regeln. Ich denke, das werden wir gemeinsam mit den Anbietern gut hinbekommen. Es wird auch noch weiterhin Sharingangebote in der Stadt geben, es wird sie weiter geben, sie werden wachsen, und sie werden noch einen besseren verkehrlichen Nutzen für die Berlinerinnen und Berliner entfalten. – Vielen Dank!

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