Untersuchungsausschuss Hohenschönhausen: Auftrag ist erfüllt

74. Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses, 25. Februar 2021

Zu "Ergänzung zum Beschluss Nr. 2020/54/16 – Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der Ursachen, Konsequenzen und der Verantwortung für Fehlentwicklungen an der „Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen“ in der 17. und 18. Wahlperiode des Abgeordnetenhauses von Berlin (Drs. 18/2505) (Priorität der Fraktion Die Linke)"

 

Philipp Bertram (LINKE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der heute anstehende Beschluss zur Erweiterung des 3. Untersuchungsausschusses ist formell gesehen erst einmal nichts Besonderes. Minderheitenrechte sind wichtig und gehören zum Glück zu unserer parlamentarischen Verfasstheit. Aus diesem Grund wird sich die Koalition heute enthalten und so den Beschluss selbstverständlich ermöglichen.

Aber nach den großen Wellen der letzten Wochen ist es doch notwendig, einmal vor dem gesamten Haus Stellung zu beziehen. Seit einem Jahr arbeitet der Ausschuss – Sie haben den Ausschuss eingesetzt, um offiziell zu klären, wie es zur Entscheidung des Stiftungsrates im Herbst 2018 gekommen ist. Ihr Ziel war und ist es aber bis heute, die Entscheidung aus dem Herbst 2018 umzukehren, Herrn Knabe zur rehabilitieren und dem Kultursenator eine Intrige anzudichten. Nach inzwischen 14 Sitzungen und 21 Zeugenvernehmungen ist aber festzuhalten: Dafür gibt es keinen Beleg. Ihre Mär der inszenierten Abberufung ist widerlegt. Herr Dr. Knabe ist kein politisches Opfer. Herr Dr. Knabe ist am Umgang mit den Vorwürfen der sexuellen Belästigung und der Führung der Gedenkstätte gescheitert. Es geht eben nicht, wenn man das eigene Wohl und das Ansehen einer Institution über das Wohl der Beschäftigten stellt.

Das war am Ende vor allem auch den konservativen Vertreterinnen und Vertretern im Stiftungsrat und BKM zu viel. Wir wissen aus den Zeugenaussagen und dem Aktenstudium, dass die Kulturverwaltung bei Bekanntwerden des ersten Beschwerdefalls Ende 2017, Anfang 2018 umgehend im Sinne der betroffenen Frau gehandelt hat und die Gedenkstätte darüber informierte. Es war dann Herr Knabe selbst, der durch seine Anzeige gegen Unbekannt im Frühjahr 2018 eine vertrauensvolle und offene Zusammenarbeit im Sinne des Opferschutzes nachhaltig störte. Bis zum 25. September 2018 galt, dass eine Lösung und Aufarbeitung mit Herrn Knabe trotzdem möglich war. Herr Knabe hätte Teil der Lösung sein können.

Dafür hätte es aber Einsicht und Verantwortungsübernahme gebraucht. Darüber waren sich alle Mitglieder des Stiftungsrates im Ausschuss einig. Einigkeit bestand auch darin, dass hier keiner ausgespielt oder falsch informiert wurde. Im Gegenteil, die Mitglieder waren ob der klaren Sachlage schockiert und deshalb auch über die Uneinsichtigkeit Knabes überrascht, und das führte schließlich zum Vertrauensverlust.

Seit vorgestern gibt es genau zwei der vorgeladenen Personen, die Ihre Erzählung fernab der vorgetragenen Faktenlage stützen. Herr Knabe selbst und der Anwalt des ehemaligen Vizedirektors. Der geht sogar noch weiter und sieht auch noch die Gerichte als Teil der irren Verschwörungstheorie. Sie sind sich dieser Situation überaus bewusst, aber können sich nicht eingestehen, dass Sie sich hier verrannt haben. Da kommt jetzt Terminunklarheit des Senators ins Spiel. Es sei dahingestellt, ob es überhaupt einen Widerspruch in der Aussage gibt. Das ist dann Thema in anderthalb Wochen im Ausschuss. Aber ändert das irgendetwas? – Nein. Im Gegenteil: Hier wird nur deutlich, wie eng die Terminschiene Anfang 2018 war, bis die Volontärin versetzt wurde, und das zeigt auch, wie ernst der Vorfall in der Verwaltung genommen wurde.

Der Untersuchungsgegenstand ist klar, umfassend und ausreichend untersucht worden. Die Verlängerung begründen Sie jetzt offiziell mit den ausgefallenen Sitzungen durch Corona. Das hätten wir auch anders lösen können, und das wissen Sie auch – aber gut. Der nun von uns allen verabredete Fahrplan für die Sitzungen im Februar und März aber mehrt unseren Erkenntnisgewinn nicht mehr. Wir hätten bereits jetzt die Beweiserhebung abschließen können. Warum Sie das trotzdem tun, müssen Sie selbst beantworten. Es geht wohl eher darum, weitere Gelegenheiten zu schaffen, den widerlegten Vorwurf öffentlich zu wiederholen. Das ist als Instrument in der politischen Auseinandersetzung durchaus nicht allzu selten, aber es ist durchsichtig und verträgt sich nicht mit dem Bild des redlichen Aufklärers. So weit, so ärgerlich, aber auch so unspektakulär, denn der Resonanzraum hält sich in Grenzen. Nein, das Bild ist klar. Die Kulturverwaltung und der Stiftungsrat haben konsistent und nachvollziehbar gehandelt und entschieden – oder wollen Sie das jetzt auch noch bestreiten?

Dass Sie sich jetzt aber mehr und mehr darauf verlegen, das Motiv der betroffenen Frauen zu untersuchen und infrage zu stellen, fällt dann nicht mehr unter die lässlichen Sünden des politischen Geschäfts. Wir haben das von Anfang an befürchtet, und Sie haben uns auch hier im Haus versichert, dass es Ihnen darum nicht geht. Aber ich frage Sie jetzt ernsthaft: Wollen Sie wirklich darüber diskutieren, was zumutbar ist? Sie tragen Verantwortung dafür, dass die Frauen nicht doch noch Gegenstand des Untersuchungsausschusses werden und dieser nicht zum Instrument der Täter-Opfer-Umkehr. Damit schaden Sie sich auch selbst. Das könnte mir eigentlich egal sein, aber Sie diskreditieren dabei nicht nur die hier betroffenen Frauen, sondern geben auch noch denjenigen recht, die Sexismus und sexuelle Belästigung bis heute als hinzunehmende Normalität abtun.

Ich möchte zum Abschluss den Mut der betroffenen Frauen hervorheben. Sie haben sich artikuliert und damit Veränderung ermöglicht. Das ist unglaublich wichtig. Wir müssen dafür sorgen, dass öffentliche Institutionen angstfreie Räume sind. Dafür zu sorgen ist auch unsere Aufgabe hier. Wir haben uns in dieser Woche auf einen Fahrplan für das Ende der Beweissicherung im Ausschuss verständigt.

Vizepräsidentin Cornelia Seibeld:

Herr Kollege! Sie müssen zum Schluss kommen.

Philipp Bertram (LINKE):

Ich komme zum Schluss. – Lassen Sie uns das Verfahren geordnet, aber zügig zu Ende bringen. Die Sache ist klar. Der Untersuchungsauftrag ist erfüllt, und der Abschlussbericht kann geschrieben werden. – Vielen Dank!

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