Untersuchungsausschuss zum Terroranschlag am Breitscheidplatz

Niklas Schrader

Wir haben alle die Pflicht aufzuklären, warum diese schreckliche Tat am Breitscheidplatz passieren konnte. Dafür kann ein Untersuchungsausschuss ein Mittel sein, aber es ist auch nicht das einzig mögliche Instrument. Es ist auch nicht zwangsläufig das beste Instrument zu jedem Zeitpunkt. Die große Mehrheit dieses Hauses unterstützt die Einsetzung eines Sonderbeauftragten.

Rede als Video

Aus dem Wortprotokoll

9. Sitzung, 6. April 2017

lfd. Nr. 3.6:

Priorität der Fraktion der FDP

Tagesordnungspunkt 10 B

Einsetzung eines Untersuchungsausschusses „Der Anschlag vom 19.12.2016 am Breitscheidplatz. Vorgeschichte, Abläufe und Folgerungen für das Land Berlin“

Dringliche Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Geschäftsordnung, Verbraucherschutz, Antidiskriminierung vom 5. April 2017
Drucksache 18/0275

zum Antrag der Fraktion der FDP
Drucksache 18/0097

 

Niklas Schrader (LINKE):

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben alle die Pflicht aufzuklären, warum diese schreckliche Tat am Breitscheidplatz passieren konnte. Wir haben die Pflicht, gemeinsam eine Fehleranalyse zu betreiben und zu diskutieren, was man besser machen kann. Dafür kann ein Untersuchungsausschuss ein Mittel sein, aber es ist auch nicht das einzig mögliche Instrument. Es ist auch nicht zwangsläufig das beste Instrument zu jedem Zeitpunkt.

Die große Mehrheit dieses Hauses unterstützt die Einsetzung eines Sonderbeauftragten. Auch das ist ein möglicher Weg. Er hat den Vorteil einer schnellen und effektiven Aufklärungsarbeit. Herr Zimmermann hat das dargestellt. Aber eines möchte ich zu Anfang klarstellen: Die Einrichtung eines Sonderbeauftragten entbindet uns nicht von der Verantwortung, im Parlament auch selbst die Aufklärung voranzutreiben.

[Beifall von Sebastian Schlüsselburg (LINKE)]

Dazu gibt es parlamentarische Mittel wie das Fragerecht und das Recht auf Akteneinsicht, und diese Mittel sollten und werden wir auch nutzen.

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Wenn wir uns dabei der Hilfe eines Sonderbeauftragten bedienen wollen, dann haben wir natürlich auch hohe Erwartungen an diesen Sonderbeauftragten und seine Arbeit. Er muss unabhängig und ohne Rücksicht auf politische Mehrheiten ermitteln, denn wie es nicht laufen soll, das haben wir nach dem NSU-Skandal erlebt. Da hat der damalige Innensenator Henkel einen Sonderermittler eingesetzt, der auch noch aus den eigenen Reihen kam, aus der eigenen Staatsanwaltschaft. Er hat uns am Ende erklärt: Alles ist super gelaufen. Eigentlich gab es keine großen Fehler in den Berliner Behörden, und es kann im Grunde so weitergehen wie bisher. – So geht es nicht!

Ich kann für meine Fraktion sagen: Wir erwarten, dass dieser Sonderermittler alles auf den Tisch bekommt, was er haben will, und dass er kritisch die Vorgänge in den Ermittlungsbehörden und die politische Verantwortung dafür aufarbeitet.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Vizepräsidentin Cornelia Seibeld:

Herr Kollege! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Luthe?

Niklas Schrader (LINKE):

Nein, ich möchte ohne Zwischenfragen reden. – Danke!

Wir werden die Arbeit des Sonderbeauftragten kritisch begleiten, und dann werden wir am Ende bewerten, ob wir weitere Untersuchungsinstrumente brauchen, denn auch wir haben Fragen und werden Antworten einfordern.

Uns interessiert nicht nur, warum die Observation von Anis Amri von der Polizei eingestellt wurde und warum man bei der Berliner Polizei zu dem Schluss kam, dass sie nicht mehr nötig sei. Es steht auch die Frage im Raum, warum es trotz der vielen Ermittlungsverfahren von verschiedenen Behörden in Deutschland nicht möglich war, Anis Amri auf irgendeine Weise aus dem Verkehr zu ziehen. Es ist zum Beispiel bekannt geworden, dass Amri vom LKA Nordrhein-Westfalen als sogenannter Nachrichtenmittler geführt wurde. Das ist keine
V-Person, aber durchaus jemand, der potenziell als Informationsquelle für die Ermittlungsbehörden dienen kann. Und auch mindestens eine V-Person des LKA Nordrhein-Westfalen war an Amri dran.

Wenn dann noch in der Presse berichtet wird, es hätte eine Absprache zwischen Berlin, NRW und dem Bund gegeben, keine offenen Maßnahmen wie Personenkontrollen an Amri durchzuführen, dann stellt sich schon die Frage: War das wichtigste Ziel die Abschöpfung von Informationen? Hat man deshalb mit Maßnahmen gegen Amri gewartet? Ging hier Informationsgewinnung vor Gefahrenabwehr, vor Strafverfolgung? Das wäre in der Tat das Modell NSU, wenn der Geheimschutz und die Abschöpfung von Quellen die Aufdeckung von Terrorplänen behindert. Wenn das auch im Fall Amri in diese Richtung geht, dann haben wir wirklich ein massives Problem.

[Beifall bei der LINKEN –
Beifall von Marcel Luthe (FDP)]

Das sind Fragen neben vielen anderen, die der Sonderbeauftragte aus unserer Sicht bearbeiten muss.

Es ist auch schon angesprochen worden, dass der Bund hier am besten den Überblick behalten kann, aber Berlin kann durchaus einen Teil zur Aufklärung beitragen. Der Senat hat auch zugesichert, dass unsere Fragen, die wir im Ausschuss und hier stellen, in die Arbeit des Sonderbeauftragten einfließen. Das finde ich gut, und das erwarte ich auch, denn nur so, wenn wir alle mitmachen, kann der Sonderbeauftragte das leisten, was er soll, nämlich kritische Aufarbeitung. Also, lassen Sie Herrn Jost erst einmal arbeiten, und dann werten wir das gemeinsam aus. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]