Verankerung der Schuldenbremse in der Landesverfassung nicht nötig

43. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin, 6. Juni 2019

Steffen Zillich (LINKE):

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst mal: Dass die AfD auf irgendeine Position einschwenkt, sagt erst einmal nichts über die Position aus – meistens hilft es dieser Position aber auch nichts.

[Beifall bei der LINKEN –
Zuruf von Frank-Christian Hansel (AfD)]

In der Tat geht es hier um die landesgesetzliche Umsetzung der Schuldenbremse, die gilt. Ich will aber trotzdem zwei grundsätzliche Worte dazu sagen – der Kollege Heinemann hat ja die Diskussion über die Sinnhafthaftigkeit oder Nichtsinnhaftigkeit angedeutet: Meine Partei findet diese Schuldenbremse nicht sinnhaft, und zwar im Kern aus drei Argumenten.

[Beifall bei der LINKEN]

Erstes Argument: Wir halten es für nicht sinnvoll, eine haushaltspolitische Handlungsbeschränkung einzuführen, die im Kern dazu führt, ein Gegensteuern gegen Krisen –nämlich eine Landesnachfrage, eine öffentliche Nachfrage zu erzeugen im Krisenfall – fast unmöglich zu machen, mindestens aber erheblich zu erschweren. Das halten wir für makroökonomisch nicht sinnvoll.

[Beifall bei der LINKEN]

Zweitens: Die Schuldenbremse hat investitionshemmende, wenn nicht investitionsfeindliche Auswirkungen.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Die Logik der schwäbischen Hausfrau, die ihr Häuschen nicht aus dem Cashflow bezahlt, sondern die finanzielle Belastung für diese Investition über Jahre streckt, ist eine sehr sinnvolle Logik, und genau diese Logik wird für öffentliche Haushalte durch die Schuldenbremse abgeschnitten – das halten wir für falsch.

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

 

Vizepräsidentin Dr. Manuela Schmidt:

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Dr. Brinker?

Steffen Zillich (LINKE):

Nein! – Und zum Dritten – das hat ein bisschen etwas mit parlamentarischer und politischer Kultur zu tun – ist die Schuldenbremse eine erhebliche Einschränkung der Budgethoheit des Parlaments, also des Königsrechts des Parlaments.

[Frank-Christian Hansel (AfD): Wir beschließen die doch!]

In einer bestimmten Situation, in einer Krisensituation kam der Bundestag daher und hat gesagt: Wir müssen hier intervenieren! – Vollkommen richtig, und er hat mit viel Geld viele Gegenmaßnahmen eingeleitet, und das war ja auch richtig. Dann haben sie aber gesagt: Wir durften das noch mal machen; aber die nach uns sollen das bitte schön nicht mehr machen dürfen, weil das in einer Art und Weise gefährlich ist, dass wir diese politische Entscheidung nur noch uns zugestehen.

Das halte ich für eine sehr merkwürdige Geschichte. Nein, wir glauben, es ist eine politische Frage, wie man sich finanzpolitisch verhält, und die muss im Rahmen der Budgethoheit des Parlaments geklärt werden.

[Beifall bei der LINKEN –
Frank-Christian Hansel (AfD): Bei Krisen gibt es doch Ausnahmen! Was soll denn das? Unsinn!]

Vielleicht noch ein Beispiel dazu: Frau Brinker hat das Beispiel Bankenskandal angeführt, und das zeigt so ein bisschen, welche quasi religiösen Versprechungen mit der Schuldenbremse zum Teil einhergehen. Den Bankenskandal hätte keine Schuldenbremse der Welt verhindert, um das deutlich zu machen. Wer eine solche Analyse hat, liegt deutlich daneben.

Aber was wäre möglicherweise passiert, hätten wir die Schuldenbremse im Fall des Bankenskandals? – Eine möglichst restriktive Auslegung der Schuldenbremse und landesgesetzliche Umsetzung vorausgesetzt, hätte sie dazu geführt, dass die Mittel, die wir zur Rettung der Bankgesellschaft aufbringen mussten, eins zu eins aus dem Haushalt hätten herausgespart werden müssen. Und das ist doch wohl absurd!

[Beifall bei der LINKEN, der SPD und
den GRÜNEN]

In der Tat geht es um die landesgesetzliche Umsetzung. Da sind erst einmal auf verschiedenen Ebenen Umsetzungen möglich. Klar ist eine Umsetzung im Rahmen der Landesverfassung denkbar. Manche Länder gehen diesen Weg, andere Länder gehen diesen Weg nicht. Wir halten diesen Weg nicht für notwendig, unter anderem deswegen nicht, weil es für den Regelungsgehalt völlig unerheblich ist, ob man so etwas im Rahmen der Landesverfassung regelt oder einfach gesetzlich regelt. Und die Möglichkeit, zu lernen und auch flexibel in der landesgesetzlichen Umsetzung der Schuldenbremse zu sein, spricht dafür, die Hürden für etwaige Änderungen nicht allzu hoch zu setzen, also aus unserer Sicht keine Verankerung in der Landesverfassung. Aber das, was Sie hier vorschlagen, ist quasi der Exzess einer Umsetzung in der Landesverfassung, indem Sie quasi alles noch in der Verfassung regeln wollen.

[Dr. Kristin Brinker (AfD): Da gibt es
doch Ausnahmen!]

Das, was Sie da vorschlagen, geht fast bis in die Verordnungsebene hinein, wo man es normalerweise reinschreiben würde. Das ist nicht nur eine rechtsästhetische Frage, sondern auch eine demokratiepolitische. Bei der Frage: Was entscheidet über die politische Tragefähigkeit einer politischen Konstellation oder Koalition? – gibt es zwei große Themen, nämlich, ob Sie es schaffen, eine Regierungschefin, einen Regierungschef zu wählen und darüber eine Exekutive zu unterstützen, und zum Zweiten, ob Sie es schaffen, den Landeshaushalt hinzubekommen. Und wenn ganz wesentliche Fragen für diesen Landeshaushalt von dieser parlamentarischen Mehrheit abgekoppelt und in den Rang einer Zweidrittelmehrheit gehoben werden, dann bedeutet das weniger politische Alternativen, weniger politische Unterscheidbarkeit, und das halten wir für nicht richtig. Wir denken, mit einfacher Mehrheit fährt man hier viel besser. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN]