Verfassungsschutzbekenntnis

Es gibt keinen Grund für eine ultimative Lobhudelei auf den Verfassungsschutz und für Stolz, so wie es in dem CDU-Antrag steht, schon gar nicht, im Gegenteil. Die Geheimdienste des Bundes und der Länder befinden sich in der größten Krise seit Bestehen der Bundesrepublik.

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Aus dem Wortprotokoll

6. Sitzung, 16. Februar 2017

lfd. Nr. 19:

Das Abgeordnetenhaus bekennt sich zu (s)einem starken Verfassungsschutz

Antrag der Fraktion der CDU auf Annahme einer Entschließung
Drucksache 18/0134

 

Niklas Schrader (LINKE):

 

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es gibt keinen Grund für eine ultimative Lobhudelei auf den Verfassungsschutz und für Stolz, so wie es in dem CDU-Antrag steht, schon gar nicht, im Gegenteil. Die Geheimdienste des Bundes und der Länder befinden sich in der größten Krise seit Bestehen der Bundesrepublik. Die Enthüllungen von Edward Snowden haben ein unfassbares Ausmaß an Überwachung der Nachrichtendienste weltweit offenbart. Die Terrorserie des NSU haben die Verfassungsschutzämter von Bund und Ländern trotz unzähliger V-Leute nicht nur nicht aufgedeckt, sondern sie behindern nach wie vor die Aufklärung dieser schrecklichen Morde durch Parlamente und Gerichte.

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei der SPD und den Grünen]

Auch beim jüngsten Attentat auf dem Breitscheidplatz muss sich der Verfassungsschutz schon die Frage stellen lassen: Warum konnte dieser Terrorakt nicht verhindert werden? – Wir sind ja noch dabei, diese Vorgänge aufzuarbeiten. Da finde ich es ein bisschen überraschend, dass Sie von der CDU schon alle Antworten haben, denn Sie wollen ja hier mit Ihrer Entschließung ein Loblied auf den Verfassungsschutz singen, fast schon eine märchenhafte Verklärung ohne jegliches kritisches Wort. Da frage ich mich: Haben Sie gar keine Fragen mehr? Stellen Sie sich nicht die Frage: Wozu haben wir diese Einrichtung, und erfüllt sie die Erwartungen, die wir an sie haben? – Das verstehe ich nicht.

Ich kann jedenfalls für meine Fraktion sagen: Wir haben den Anspruch, die Sache weiter aufzuklären. Dabei beleuchten wir natürlich auch kritisch den Verfassungsschutz.

[Holger Krestel (FDP): Wo ist der
Untersuchungsausschuss?]

Gründe, das zu tun, gibt es ja bei der Geschichte des Berliner Verfassungsschutzes genug. Ich nenne nur mal kurz die Schredderaktion nach dem Auffliegen des NSU, die jahrelange rechtswidrige Bespitzelung des Berliner Sozialforums oder – das liegt schon ein bisschen länger zurück, die Älteren oder die, die sich damit beschäftigt haben, werden sich erinnern – den sogenannten Schmücker-Prozess, an dessen Ende das Landgericht Berlin eine Verstrickung des Verfassungsschutzes in einen Mordfall festgestellt hat.

[Holger Krestel (FDP): Das war in den
Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts!]

Der Prozess dauerte sehr lange, bis Ende der Achtziger.

Es ist kein Geheimnis: Wir Linke halten den Verfassungsschutz für eine nicht demokratisch kontrollierbare Institution, die mehr Schaden anrichtet als Sicherheit bringt.

[Beifall bei der LINKEN]

Daran halten wir auch in der Regierung fest. Aber solange es ihn gibt, und es gibt ihn noch, sind auch wir daran interessiert, dass er so gut und so rechtsstaatlich wie möglich arbeitet, und Schritte in genau diese Richtung sieht der Koalitionsvertrag vor. Darin steht etwas von Verhältnismäßigkeit, besserer Kontrolle und einer Einschränkung des V-Leuteeinsatzes. Das sind Dinge, die verhindern sollen, dass solche Skandale wieder passieren. Das sind Dinge, die die Arbeit des Verfassungsschutzes besser machen und nicht schlechter.

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Sie von der CDU können Ihre heilige Kuh gern weiter anbeten, Herr Lenz, aber lieber ohne uns; wir machen Politik. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN –
Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]