Sexuelle Vielfalt in Berlin

Der Berliner Aktionsplan gegen Homophobie soll die Gleichstellung und Akzeptanz sexueller Vielfalt fördern

45. Sitzung des Abgeordnetenhauses in der 16. Wahlperiode zur Dringlichen Beschlussempfehlung »Berliner Aktionsplan gegen Homophobie«

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem Berlin mit der rechtlichen Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft im Landesrecht bereits eine bundesweite Vorreiterrolle eingenommen hat, steht mit der heutigen Beschlussfassung über die Initiative für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt ein neuer wichtiger Schritt für die Akzeptanz sexueller Vielfalt in Berlin an.

Tatsächliche Gleichstellung ist sehr, sehr viel schwerer umzusetzen als die rechtliche. Hier reicht nämlich keine Parlamentsmehrheit; hier muss eine breite Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner hinter uns stehen, und das ist eine große Herausforderung.

[Beifall bei der Linksfraktion, der SPD –
Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Unsere Initiative entstand auf der Grundlage der Vorarbeiten mehrerer Jahre. Ein Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, der sich demselben Thema gewidmet hat, war uns Anlass, einen Antrag vorzulegen, der dann in den Ausschüssen eine breite Mehrheit gefunden hat. Gemeinsam mit Initiativen, Projekten und Vereinen aus der Community wurde unsere Initiative entwickelt und soll sie verwirklicht werden.

Nach der Simon-Studie haben viele Berliner Jugendliche nach wie vor homophobe Einstellungen. Homophob sind vor allem männliche Jugendliche, die in traditionellen Geschlechterrollen und Gesellschaftsbildern sozialisiert worden sind. Der Schwerpunkt unseres Antrags liegt folgerichtig auf der Bildung. Eine Strafrechtsverschärfung lehnt die Koalition genauso ab wie etwa den Versuch des Kollegen Steuer von der CDU, die Förderung der Akzeptanz sexueller Vielfalt auf dem Rücken anderer marginalisierter oder strukturell diskriminierter Communitys auszutragen. Akzeptanz sexueller Vielfalt ist – anders als Steuer suggeriert – leider noch lange nicht Konsens in der Mehrheitsgesellschaft.

[Beifall bei der Linksfraktion, der SPD –
Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

Ja, es gibt Homophobie unter jungen Berlinern mit Migrationshintergrund. Wir wollen, dass sich die Bildungsinstitutionen Berlins hiermit zielgruppenspezifisch auseinandersetzen. Es hilf überhaupt nichts, die Fakten zu leugnen, aber es ist auch nicht hilfreich, sich primär darauf zu konzentrieren. Ich kenne Lesben, Schwule und Transmenschen mit Migrationshintergrund, aber ich kenne keinen Fußballbundesligaspieler, der sich als homo- oder bisexuell geoutet hat. Warum ist das wohl so?

Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass Homophobie ein zutiefst europäisches Phänomen ist, keine Importware. Es waren deutsche Behörden, die Menschen nach § 175 StGB früherer Fassung verfolgten. Und es waren und sind vorzugsweise die klerikalen und konservativen Kreise in unserem Land, die homophobe Strukturen in der Gesellschaft verteidigt haben und verteidigen. Es war und ist vor allem die Union, die die rechtliche Gleichstellung auf Bundesebene verschleppt hat und verschleppt.

Es gibt auch heute noch Vorzeigekonservative wie Udo di Fabio, der als Verfassungsrichter eher Abstandgebote und Ähnliches erfinden, um Menschen das ihnen zustehende Europarecht vorzuenthalten. Es war Erzbischof Dyba, der Homo­sexualität als »entehrende Leidenschaft und wider­na­türliche Verirrung« bezeichnet hat. Es war Kardinal Meisner, der betont hat, sie sei Sünde. Ein deutscher Papst meinte jüngst, Kondome schadeten der HIV-Prävention. Es waren CDU-Bildungssenatoren, die in den 1990er-Jahren verhindert haben, dass Homosexualität als Thema an die Schulen kam. Sie sei eine »nicht erstrebenswerte Erziehungsform«.

Gut, dass wir das jetzt ändern. Gut, dass die Union das jetzt auch für wichtig hält, nachdem sie vor nicht einmal einem Jahr der rechtlichen Gleichstellung mehrheitlich nicht zugestimmt hat. Schade wiederum, dass die CDU heute nicht die Gelegenheit nutzt, das hier im Plenum auch zu dokumentieren. Wir hätten ihr mit einer namentlichen Abstimmung gern die Chance gegeben.

[Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und
den Grünen –
Beifall von Rainer-Michael Lehmann (FDP)]

Ihrer Verantwortung entledigt sich der konservative Flügel der Gesellschaft aber auch nicht, indem er auf andere zeigt, obwohl es stimmt, dass klerikalreaktionäre Sichten auch in anderen als in christlichen Religionen sehr stark sind.

Ich glaube, wir beschließen heute ein richtig gutes, ein ehrgeiziges Programm. Lassen Sie uns gemeinsam mit den Initiativen der Zivilgesellschaft daran arbeiten, dass es in der gesellschaftlichen Realität unserer Stadt schnell wirksam wird! Berlin braucht die Akzeptanz sexueller Vielfalt.

[Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und
den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der FDP]

Schließlich will ich die Gelegenheit nutzen zu sagen: Wer diesem Antrag zustimmt und dem darin verankerten integrativen Bildungsansatz folgt, muss konsequenterweise auch für »Pro Ethik« und kontra Wahlpflichtfach Ethik/Religion eintreten. – Vielen Dank!

[Beifall bei der Linksfraktion –
Vereinzelter Beifall bei der SPD und den Grünen]