Verbot der Vollverschleierung
Dieser Antrag der AfD ist verfassungswidrig. Dieser Antrag ist rassistisch und intolerant. Dieser Antrag befeuert religiösen Fundamentalismus und gefährdet die Offenheit unserer liberalen Demokratie.
Aus dem Vorab-Wortprotokoll
2. Sitzung
Tagesordnungspunkt 3.5
Priorität der AfD-Fraktion
Tagesordnungspunkt 10
Verbot der Vollverschleierung
Antrag der AfD-Fraktion
Drucksache 18/0017
Hierzu liegt der Änderungsantrag der Fraktion der CDU zur Drucksache 18/0017-1 vor.
Vizepräsidentin Cornelia Seibeld:
Vielen Dank! – Das Wort hat die Linksfraktion und hier der Kollege Schlüsselburg.
Sebastian Schlüsselburg (LINKE):
Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste! Erstens: Dieser Antrag der AfD ist verfassungswidrig.
[Lachen bei der AfD]
Zweitens: Dieser Antrag ist rassistisch und intolerant.
[Lachen bei der AfD]
Drittens: Dieser Antrag befeuert religiösen Fundamentalismus und gefährdet die Offenheit unserer liberalen Demokratie.
[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Frank-Christian Hansel (AfD): Blödsinn!]
Liebe CDU! Das gilt im Kern auch für den Antrag, den Sie hier per Tischvorlage Copy-and-paste vorgelegt haben. Ich glaube, Sie haben das gemacht, weil Sie ein kleines Abgrenzungsproblem zur AfD haben, aber darüber reden wir dann in den Ausschüssen.
Warum ist dieser Antrag verfassungswidrig? – Ganz einfach: Er verstößt gegen Artikel 4 des Grundgesetzes, die Glaubens- und Religionsfreiheit und das staatliche Neutralitätsgebot. Für den Fall, dass Sie Artikel 4 Grundgesetz nicht verstehen, meine Herren, hören Sie mal zu, eine kleine Nachhilfe. Ich zitiere aus dem erwähnten Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes:
Das Tragen der Burka im öffentlichen Raum wird von Artikel 4 GG geschützt. … ein generelles Verbot der Burka im öffentlichen Raum (verstößt) gegen das Neutralitätsgebot des Grundgesetzes und lässt sich verfassungsrechtlich nicht rechtfertigen.
Warum ist das so? – Das ist so, weil die Religions- und Glaubensfreiheit ein vorbehaltlos geschütztes Grundrecht ist. In sie darf überhaupt nur und auch nur schonend eingegriffen werden, wenn und soweit andere Grundrechte und Güter von Verfassungsrang betroffen sind. Und jetzt faseln Sie an dieser Stelle von der Vollverschleierung im öffentlichen Raum von einer permanenten Demonstration. Ich bin mal gutwillig und unterstelle Ihnen, dass Sie damit die negative Religionsfreiheit meinen, also einem Glauben nicht angehören zu müssen. Ja, die Vollverschleierung ist ein starkes Bekenntnis zu religiösen Kleidungsvorschriften.
[Lachen bei der AfD]
Allerdings, und jetzt zitiere ich das Bundesverfassungsgericht, hat in einer Gesellschaft, die unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen Raum gibt, der Einzelne kein Recht darauf, von fremden Glaubensbekundungen verschont zu bleiben – so das Verfassungsgericht.
Warum ist dieser Antrag rassistisch, intolerant und autoritär?
[Karsten Woldeit (AfD): Das fragen wir uns auch!]
Die AfD stellt sich die Welt offenbar als eine Ansammlung von kulturell und religiös homogenen Gemeinschaften vor, die sich am besten auch noch an Landesgrenzen halten. Das hat nichts, aber gar nichts mit der Realität im Jahr 2016 zu tun. Sie treffen mit Ihrem Vorschlag fast ausschließlich Frauen islamischen Glaubens mit Migrationshintergrund.
[Zuruf von Carola Bluhm (LINKE)]
Sie begegnen diesen Frauen mit Misstrauen und sprechen ihnen eigene Entscheidungen ab. Natürlich wird es ein paar geben, die das nicht freiwillig tun,
[Stefan Franz Kerker (AfD): Ein paar!]
aber mit einem Verbot lösen wir das Problem nicht. Wir müssen ihnen helfen und sie unterstützen, statt diejenigen zu treffen, die tatsächlich ihr Grundrecht an der Stelle ausüben. Für uns als Linke ist es wichtiger, was im Kopf steckt und nicht, wie er umhüllt ist.
[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]
Herr Curio! Eine Wortwahl möchte ich für meine Fraktion ganz klar zurückweisen. Frauen sind keine Säcke, dass das mal ganz klar ist!
[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN]
Ich möchte mir weder als Mann noch als Volksvertreter anmaßen, einer Frau Vorschriften darüber zu machen, wie sie sich bekleidet oder bedeckt.
Letzter Punkt: Warum befeuert dieser Antrag religiösen Fundamentalismus? – Stellen wir uns doch nur mal eine Sekunde vor, das Grundgesetz gäbe es nicht und dieser Antrag würde tatsächlich beschlossen. Was wäre die Konsequenz? – Sie würden den religiösen Fundamentalisten direkt in die Hände spielen. Sie würden selbst den Beweis erbringen, dass unser Staat religiös nicht neutral ist und bestimmte Religionen privilegiert und andere diskriminiert. Sie würden einen religiösen Kampf der Kulturen um die richtige Kleiderordnung entfachen. Wie grotesk! Was kommt denn dann? – Eine Sittenpolizei, die herumrennt und Kopftücher, Niqabs und andere Kleider kontrolliert? Denken Sie Ihre Vorschläge doch mal zu Ende!
[Frank-Christian Hansel (AfD): Scharia-Polizei! – Zuruf von Carsten Schatz (LINKE)]
Sehr geehrter Herr Pazderski! Offensichtlich, das zeigt Ihr Antrag, reicht es nicht – Sie sitzen ja noch nicht einmal hier –, als Soldat einfach nur auf das Grundgesetz zu schwören. Man sollte es verstehen, auch die Grundrechte. Ich schenke Ihnen die aktuelle Ausgabe des Grundgesetzes. Verinnerlichen Sie unsere Grundwerte, und bis dahin belästigen Sie dieses Haus nicht mit verfassungswidrigen Anträgen! – Vielen Dank!
[Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN –
Zuruf von Stefan Franz Kerker (AfD) –
Abg. Sebastian Schlüsselburg (LINKE) überreicht
Abg. Frank-Christian Hansel (AfD) ein Buch.]